Hallo Michael,
Also Freiheit bedeutet, sich in der Öffentlichkeit nackt bewegen zu dürfen?
Nackheit bedeutet Fortschritt?
Fortschritt ist das, wohin die Nase des Beurteilenden zeigt. Meine zeigt in Richtung ,Kleidungsvielfalt erlauben, und da kann ich mir sogar die Extremform keine Kleidung vorstellen, wenn auch mit großen Einführungsproblemen.
so scheint Deine Argumentation einfach dahingehen zu gehen. dass Du nicht willst, dass sich Dinge, die in einer Region normal sind, dadurch ändern, dass neue Leute hinzukommen. Oder verstehe ich Dich da falsch?
So habe ich das nicht gemeint. Es war ein Beispiel dafür, wie die Moralvorstellungen einer Teilgruppe das Verhalten der übrigen so verändern kann, daß Freiheiten verloren gehen. Wenn die Ostdeutschen diese Lockerheit im Umgang mit Nacktheit in Westdeutschland eingeführt hätten, wäre das insofern anders, als es mehr Freiheit im Sinne von mehr Möglichkeiten bedeutet hätte.
Leiblichkeit als was so Unanständiges darzustellen, daß man es verbergen muß widerstrebt mir, wenn auch die Sexualität wegen der innewohnenden Verletzlichkeit sorgsamen Umgang erfordert. Alles mögliche zu sexualisieren und dann zu verbergen, ist kein wirklich sorgsamer Umgang.
Andererseits scheint Dir zu gefallen, mich darauf hinzuweisen, daß es schwer ist, etwas gegen diese Art der Einführung von Kleidungsbeschränkungen zu machen, ohne gegen eigentlich gewünschte Freiheitsprinzipien zu verstoßen. Ich stoße da an ein in dieser Frage unangenehmes Freiheitsparadoxon. Muß man anderen die Freiheit lassen, gegen die Freiheit zu agieren? Zumindest braucht man sich nicht noch mit solchen Sachen zu verbünden.
Und es ist nicht zu vergessen, daß das Kopftuch eine Botschaft enthält. Es ist nicht angenehm ständig daran erinnert zu werden, daß diese Frau sich nach einem Prediger richtet, dessen Anspruch mir anhand der Art der von ihm überlieferten Predigten widersinnig erscheint, und die gefährliche Teile enthalten.
Gruß,
Jo
Lieber Jo,
Du meinst also nur einen Fortschritt in Richtung Kleidungsfreiheit, keinen ganzheitlichen Fortschritt menschlicher Kulturl Okay, für diesen Teilbereich gebe ich Dir Recht.
Teilgruppen einer Gesellschaft streiten nicht selten um die Vorherrschaft in der oder den Einfluss auf die Gesamtgesellschaft. Manchmal kann jede Teilgruppe ihr Leben leben, ohne die anderen zu beeinträchtigen, aber in vielen Bereichen geht das nicht, sondern da setzt sich entweder eine durch oder man findet Kompromisse. Bestenfalls läuft das demokratisch ab und die Mehrheit respektiert einen Minderheitenschutz.
In Bezug auf "Wessis" und "Ossis" war die Machtkonstellation klar zu Gunsten der Wessis verteilt. Die setzten eben oft durch, was für sie normal war, auch wenn die Ossis da andere Regeln entwickelt hatten. Man schüttete letztlich das Kind mit dem Bade aus. Ich denke auch, man hätte vom Sozialismus einiges retten können und sollen.
Du sprichst das Freiheitsprinzip an. Gerade weil Freiheit ja so sehnlichst vermisst wurde in der DDR, hat man wohl lieber die FKK-Freiheit geopfert, um z.B. Reisefreiheit zu erlangen. Man hätte auch beides erhalten können, hat es aber nicht.
Leibfeindlichkeit ist schon ein Erbe christlicher Askese. Das andere Extrem ist der Körperkult. Irgendwo in der Mitte ist wohl der richtige Umgang mit dem Körper und der Körperlichkeit zu finden. Jedenfalls sind Menschen durch Gewohnheiten geprägt, und wer es von klein auf lernt, Nacktheit als intim zu empfinden, hat eben eine enge Schamgrenze, die er nicht einfach öffnen kann. Man muss einfach sehen, wie man mit Menschen, deren Schamgrenzen eger oder weiter sind als die eigenen klar kommt.
Mit gefällt es nicht unbedingt, Dich auf etwas hinzuweisen. Ich spreche auch nicht von der Einführung von Kleidungsbeschränkungen, sonder nur davon, es einen Menschen freizustellen, wie weit er seinen Körper offen zeigt oder verhüllt. Wenn eine Frau, wie das Mädchen in dem verlinkten Film, die eignen sexuellen Reize verbergen will, um Jungs nicht geil zu machen, dann ist es ihr gutes Recht. Solange diese Frau nicht schlecht über Frauen denkt, die es anders machen, hat doch niemand einen Schaden von ihrer Verhüllung, außer vielleicht die Männer, die so ihre Schönheit nicht sehen können. Dieses Mädchen agiert ja gar nicht gegen die Freiheit der anderen Mädchen, ihre Haare und Kurven zu zeigen. Sie entscheidet es nur für sich, das eben nicht zu tun.
Ich denke, da ist die Grenze: Leben und leben lassen!
Sicher ist es schwierig, wenn ich aus universalethischer oder universalreligiöser Überzeugung etwas tue, anderen die Freiheit lasse es anders zu machen, ohne sie als weniger ethisch oder weniger religiös anzusehen. Das ist eben die große Herausforderung, übrzeugt ethisch oder religiös sein zu können und trotzem tolerant oder gar respektvoll anderen Lebensentwürfen gegenüber sein zu können oder gar diesen Respekt als Teil der eigenen Ethik/Religion anzusehen. An letzterem arbeite ich ja, das ist der Sinn meiner Arbeit. Die ist aber nicht einfach.
Das gilt auch für Dich: Du liest eine Botschaft aus dem Kopftuch heraus. Bist Du sicher, alle Botschaften, die Kopftuchträgerinnen damit vermitteln wollen, zu erkennen? Bist Du sicher, jeder Kopftuchträgerin mit Deiner Interpretation gerecht zu werden?
Du weißt wie es sich anfühlt, wenn andere genau zu wissen meinen, was uns antreibt, Röcke zu tragen und Du für Dich weißt, dass diese anderen nicht das erkennen, was Dich antreibt.
LG,
Michael