Lieber Holger,
ich sehe es ähnlich wie meine Vorredner. Fanatiker gibt es immer, auch solche, die meinen, doch nur die normale Moral zu vertreten. Aber zumindest noch ist die deutsche Gesellschaft mehrheitlich offen, demokratisch, pluralistisch und tolerant.
Pack also ruhig Röcke in Dein Reisegepäck! Ich habe seit über drei Jahren keine Oberhose mehr angehabt und in dieser Zeit keine einzige Anfeindung erlebt. So ziemlich das Härteste war die Bemerkung eines Mädchens vorgestern in der U-Bahn zu einem anderen: "wie peinlich", als sie mich mit Rock und Strumpfhose gesehen hat, und die so leise und diskret, dass ich sie kaum hören konnte und mir gar nicht mal sicher bin, ob es auf mich bezogen war.
Gesamtgesellschaftlich allerdings teile ich Deine Sorgen. Da geht ein Geist durch Europa und viele anderen Gegenden unserer schönen Welt, der Intoleranz, Protektionismus, Feindseligkeit, Selbstverherrlichung usw. mit sich bringt. Meines Erachtens ist er durch eine Angst vor wirtschaftlichem Abstieg und kulturellem Identitätsverlust geprägt, gepaart mit einem Willen zur Macht und einem Hass auf alles, das anders ist als das Eigene und Gewohnte. Da müssen wir gegen an arbeiten.
Die Begriffe, die Du aus den Mündern von AfD-Ideologen gehört hast, sind teilweise schon älter. "Volkskörper" soll in Adolf Hilters "Mein Kampf" oft vorkommen. Ich sage "soll", weil ich das Buch nicht gelesen habe. Ich empfehle mal das Spiegel-Wissen-Heft "Heimat" und das Philosophie Magazin-Heft "Identität". Da ist auch auf die Romantik Bezug genommen, genauer auf Johann Gottlieb Fichtes "Rede an die deutsche Nation", die wohl vieles enthält, was der spätere deutsche Nationalismus weiter gesponnen hat. Die Romantik hat ja im allgemeinen ein positives Image, auch bei mir (ich bin vielfach Romantker). Aber sie hat eben auch verschiedene Facetten.
Ich finde wie Chris, wir sollten die demokratischen und menschenfreundlichen Werte unserer Gesellschaft verteidigen und weiter entwickeln. Mein Rocktragen ist auch ein Symbol dafür.
LG!
Micha