Lieber Michael,
Aber warum hat dann Eure Tochter das Kleid getragen und nicht weiterhin Euer Sohn?
War das nur mal ein Ausprobieren, wonach er das Interesse verloren hat?
Man kann natürlich auch die Frage stellen warum etwas ausprobiert und dann nicht weiter verfolgt wurde.
Wenn ich irgendetwas neues probiere mache ich damit weiter, wenn es mir gut erscheint.
Was war am Kleid nicht gut?
War es unbequem?
Gab es keine (ausreichende) Bestätigung für sein Tun, oder sogar doch negatives Feedback?
Oder war er einfach alleine, in seiner sozialen Umgebung mit seiner Kleidung?
Weichei-Väter, die Vorbild sein wollen darin, sich der Herde anzupassen, sind kontraproduktiv.
Dem Wohl des Kindes, das ja auch ein zukünftiger Erwachsener ist, ist es bestimmt nicht förderlich, wenn man ihm vorlebt, wie man am besten nicht auffällt und sich immer schön der Masse anpasst, um keine negativen Reaktionen von dieser zu erwarten. Helden werden nicht geboren, sondern erzogen, Feiglinge ebenso. (Obwohl es auch genetische Dispositionen gibt.)
Vordergründig und kurzfristig mag es gut für das Kind sein, ihm negative Reaktionen der Gesellschaft (vor allem der Peers) zu ersparen, aber langfristig schadet das dem Kind.
Darüber kann man jetzt trefflich philosophieren:
Eine Gesellschaft funktioniert im wesentlichen dadurch, dass sich alle weitgehend anpassen, in allen Bereichen. Unangepasste sind in den wenigsten Fällen Helden, oft aber Aussenseiter, Angepasste selten Feiglinge meist aber integrierter Teil ihrer Umgebung.
Ich denke man muss sehr sorgsam abwägen wann, wo, im welchem Bereich und Umfang man ausschert.
LG, Cephalus
Lieber Cephalus,
ja, mich würde auch interessieren, warum Erwins Sohn das Interesse verlor, wollte aber nicht zu aufdringlich fragen.
Und ja, sicher ist eine gewisse Anpassung für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig. Aber ich bin da wohl von Hermann Hesse beeinflusst, der den Soldaten, die im Krieg fielen und als Helden verehrt wurden, das Heldentum absprach, weil sie nur Befehlen gehorchten, und sie statt dessen als bedauernswerte Opfer bezeichnete. Die wirklichen Helden waren für ihn die Deserteure, die den Befehlen nicht gehorchten, da sie den Irrsinn des Krieges nicht unterstützen wollten. Von der Mehrheit der Gesellschaft wurden diese dagegen als Vaterlandsverräter angesehen. Hermann Hesse nennt sein Konzept "Eigensinn", was mich ja auch zu diesem Essay beeinflusst hat:
http://michael-alwis-schmiedel.blogspot.de/2005/03/sozialverantwortlicher-eigensinn.htmlÜbrigens hinkt das von mir gewählte Beispiel des Boys mit dem Namen Sue, weil es mir eigentlich nicht darum geht, einen Jungen zu einem Kämpfer in einer feindlichen Umwelt und Konkurrenzgesellschaft zu erziehen und ihn deswegen Situationen auszusetzen, die ihn dazu zwingen, Stärke zu entwickeln. Aber es geht mir darum, einen Jungen - und ein Mädchen gleichermaßen - dazu zu erziehen, auch gegen den Widerstand der Gesellschaft für das einzustehen, was er*sie für wahr und richtig ansieht. Letzlich hat auch die Gesellschaft mehr von diesem Verhalten, als von reiner Schwarmintelligenz.
Aber hier stehen vielleicht humanistischer Idealismus und biologische Verhaltensweisen einander gegenüber. Wir sind ja zum großen Teil immer noch auch Tiere.
LG, Michael
PS: Ich sehe gerade das Threasthema. Davon sind wir abgekommen, denn es geht nicht mehr um Bedenken der Frau, sondern um Erziehung generell. Unsere Erzeihung als Eltern, Onkel*Tanten, Lehrer*innen usw. sind auch eh nur Einflüsse unter vielen, die einen heranwachsenden Menschen prägen. Letztlich muss jede*r seinen*ihren Weg finden, so oder so.