Entstehungsgeschichte des Kilts
(vom Belted Plaid zum Traditional Kilt)
Über den Kilt bzw. seinen Ursprung, den Belted Plaid, auch großer Kilt genannt, wurde schon so viel Unsinn geschrieben, daß es Zeit ist, endlich mal über dieses Kleidungsstück aufzuklären.
Zunächst einmal, zur Zeit von William Wallace ( Braveheart ) gab es keine Kilts. Entweder haben die Kostümbildner einfach nur schlampig recherchiert, oder aber dachten, wenn man schon einen Film über den schottischen Freiheitskampf dreht, haben Schotten gefälligst wie Schotten auszusehen, man muß sie ja von den Engländern unterscheiden können. Also verpaßte man Mel Gibson und Co. kurzerhand ein Kilt ähnliches Ding aus Tartan, das es in Wahrheit in der gesamten Geschichte des Kilts nie gegeben hat, denn was die Schotten da tragen, ist weder ein Belted Plaid, noch ein kleiner Kilt. Man sollte nie alles für bare Münze nehmen, was einem von Hollywood vorgesetzt wird. Trotzdem ein kleines Lob, der Braveheart Kilt sieht gut aus und wirkt natürlich altertümlich.
Die Scoten, ein irokeltischer Stamm, brachten, als sie in Schottland einwanderten, logischer Weise die Kleidung ihrer irischen Verwandten mit ins Land. Das war zum Einen mal das Leine, ein knielanges Leinenhemd, das meistens naturfarben war, oder auch safrangelb gefärbt wurde, dann nannte man es Leine Croich. Dieses Hemd wurde um die Taille gegürtet und da es nicht nur lang, sondern auch sehr weit war, warf es natürlich von der Taille abwärts Falten. Was viele auf dieversen Zeichnungen, Schnitzereien, oder in Stein gemeißelten Bildsäulen irrtümlich für Kilts hielten, bzw. sogar heute noch halten, ist das Leine. Dazu trugen sowohl Männer, als auch Frauen den irischen Brat, einen Umhang, der oft einfärbig, manchmal aber auch kariert war. Tartan gab es also schon, bevor der Great Kilt entstand. Der Brat war aber viel zu klein, um ihn in Falten zu legen um daraus einen Belted Plaid zu machen.
Es ist zwar nicht ganz sicher, aber da in Schottland ja auch Wikinger einwanderten, die sich nach jahrelangen Kämpfen dann in Frieden niederließen und sich mit der keltischen und piktischen Bevölkerung vermischten, besteht die Möglichkeit, daß die Bewohner der Highlands sich den Belted Plaid bei den Nordmännern abgeschaut haben. Diese trugen einen Kriegermantel, der im Stil des Belted Plaid gefaltet und gegürtet war, nur war er in der Regel einfärbig. Das Wort Kilt ist Scots, also schottisch - englischer Dialekt, es entsprang aber dem Wort kilte, oder kjalta und das bedeutet gefaltete und gewickelte Decke.
Fest steht, daß der Belted Plaid, in Gälisch breacan feile, oder feilead mhore, erst Ende des 16. Jhdt. in Schottland auftauchte. Über den Belted Plaid wird leider sehr viel Unsinn im Net berichtet, manchmal wird der Schreiber aber auch nur mißverstanden. Da findet man zum Belted Plaid, der ja nur eine Tartanbahn war, Größenangaben, die von 8, ja sogar bis zu 12 Metern reichen. Viele heutige Fans des Plaid verrennen sich so in den Irrtum, sie müßten für einen Belted Plaid zb 8 Meter Tartan besorgen, oder eben sogar mehr. Was dabei völlig mißachtet wird, ist die Tatsache, daß damalige Webstühle nur Tartanbahnen in halber Breite weben konnten. In Schottland bekommt man sogar heute noch Tartan, der nur die halbe Breite hat, das nennt man dann singlewidth. Da der Belted aber bei Bedarf den gesamten Oberkörper bedecken sollte, war man gezwungen, für einen Belted Plaid der zB. 5 Meter Länge betragen sollte, eine 10 Meter lange Tartanbahn in der Mitte zu trennen. Diese beiden 5 Meter langen Hälften wurden an den Längsseiten zusammengenäht, was dann einen Belted Plaid von 5 Meter Länge und ca 140 - 160 cm Breite ergab. Oft genug war der Plaid aber sogar nur 4 Meter lang, es kam natürlich auf den Leibesumfang des Trägers an. Leider gibt es etwas verbohrte Fanatiker, die das um nichts in der Welt glauben können und sich trotzdem 8 - 10 Meter des modernen doublewidth Tartan besorgen und dann wie ein riesieger Stoffballen herum rennen. Da kann man nur sagen, selber Schuld, es ist rausgeworfenes Geld.
Es gab und gibt verschiedene Methoden, den Belted Plaid zu tragen, gefaltet und gewickelt wird er immer gleich. Da jene Hälfte, die den Oberkörper bedecken soll, besonders groß ist, wird der Tartan zB. an der linken Schulter mit einer Fibel geschlossen, das heißt, der rechte Teil wird quer über die Brust zur linken Schulter gezogen, der linke Teil einfach links von hinten über die Schulter nach vorne. Am Rücken und hauptsächlich der rechten Seite bleibt eine große Tartantasche, in welcher der Highlander alles möglich unterbrachte, sogar ein kleines Schaf paßte hinein. Man konnte aber auch den gesamten Teil von hinten zur linken Schulter ziehen und dort zB. am Doublet befestigen. Auch jene Möglichkeit gab es, den gesamten Teil hinten in den breiten Gürtel zu stopfen, so daß man an dieser Stelle einen Tartanballen hängen hatte.
Später gab es dann einige Tricks, um die große Tartanbahn nicht ständig auflegen und falten zu müssen. Auf der Innenseite wurden in Taillenhöhe 5 schmale Gürtelschlaufen aufgenäht, durch die man einen schmalen Tartangürtel oder eine dickere Kordel zog. So zog man den Belted Plaid zu und die Falten bildeten sich von alleine. Das war die Methode, die jene anwandten, die den Plaid auch als Decke benötigten. Wer darauf nicht angwiesen war, konnte die Falten auch einnähen, also fixieren. Sobald der Plaid mal mit der Fibel geschlossen war, konnte man ihn wie einen Mantel an und ausziehen. Der Belted Plaid war übrigens sowieso ein Mantel, das heißt, beim Reiten und in der kalten Jahreszeit trug man darunter Hosen, die sogenannten Trews ( Gälisch driubhas ) von diesem Wort stammt auch das englische Wort trousers ab.
Bis heute hält sich, da mehr oder weniger offiziell überliefert, das Gerücht, daß der kleine Kilt dem englischen Stahlwerksbesitzer Thomas Rawlinson, bzw. dessen Schneider zu verdanken sei. Da es in einem Stahlwerk relativ heiß ist, ein Belted Plaid ( diesen trugen die Arbeiter ) bei der Arbeit hinderlich, ja sogar gefährlich sein konnte, fragte Rawlinson seinen Schneider, ob er da nicht eine Idee habe. Ganz einfach, der englische Schneider trennte den oberen Teil vom Plaid einfach ab und so entstand der kleine Kilt. Nur wenige wissen, daß die Highlander auf die Idee, den Plaid zu halbieren, schon Jahrzehnte, bevor Rawlinson schottischen Boden betrat, kamen. Mich fragte vor einiger Zeit jemand, warum sie das hätten tun sollen. Eine sehr intelligente Frage ist das nicht gerade. Vielleicht, weil die Highlander selbst auf die Idee kamen, daß man nur im Unterteil gekleidet, besser arbeiten kann? Den Oberteil halbierten sie wieder und nähten ihn, wie schon den Belted Plaid an den Längsseiten zusammen, was immerhin einen großen Schulterplaid von ca. 2,5 x 1,5 Meter ergab, groß genug um ihn als Decke verwenden zu können. Es gibt etliche Gemälde und Zeichnungen aus dieser Zeit, die Highlander nur im kleinen Kilt zeigen, eben Jahrzehnte vor Rawlinson. Dessen Schneider hatte sich die Idee einfach nur abgeguckt und verwertet. Der Early Kilt hatte den Vorteil, daß man den Schulterplaid bei Bedarf an oder ablegen konnte, ohne etliche Meter Tartan am Gürtel hängen zu haben. Man trug nur den Kilt und stand trotzdem nicht im Hemd da, wie es beim Ablegen des Belted Plaid der Fall war.
So entstand also der ursprüngliche kleine Kilt, auch Early Kilt genannt. Anfänglich wurde er schon wie zuvor der Belted Plaid einfach nur gefaltet und gegürtet. Da aber der kleine Kilt, im Gegensatz zum großen Kilt weitaus schlechter an der Taille hielt, auch wenn er mit dem Gürtel geschlossen war, bekam der feileadh begh, wie der kleine Kilt in Gälisch heißt, einfach einen Bund verpaßt. Außerdem schloß man ihn mit Knöpfen, Laschen, oder Haken, manchmal auch Sicherheitsnadeln. Im Unterschied zum heutigen, modernen Kilt, wurden die Falten nicht im oberen Drittel abgenäht. Auch das Muster war mehr oder weniger unwichtig, der Kilt war einfach nur ein Alltagskleidungsstück, keinen Menschen interessierte der Pattern des Tartans. Erst Ende des 18. Jhdt. wurden die Falten offiziell eingenäht. Den Early Kilt aber auch den Belted Plaid kann man im Film Rob Roy sehen.
Clan Tartans gab es zwar schon vereinzelt, aber erst Ende des 18. Jhdts war ihre wahre Entstehung.
Zu dieser Zeit entstand der Box Pleated Kilt, der für die Highland Regimenter, also die Armee hergestellt wurde. Nun bürgerte sich auch die Methode, die Falten pleated to stripe zu legen bzw. zu nähen ein, da die Kilts für die Armee ein einheitliches Muster haben sollten. Box Pleated bedeutet Kellerfalten, eine Falte sieht nach links, eine nach rechts, das ergibt die Box. Diese Kilts hatten meistens nur 8 bis 10 box pleated Falten, also insgesamt 16 - 20. Die Falten wurden von nun an im oberen Drittel abgenäht. Diese Art des Kilts trug man dann ca. bis Ende des 19. Jhdt. Pleated to Stripe werden auch heute noch die Regimentskilts genäht, aber auch jeder Zivilist, dem dieser Stil gefällt kann den Kilt so tragen.
Danach entstand der moderne Kilt, auch Traditional Kilt genannt, wie wir ihn heute kennen. Von nun an war es üblich, den Kilt für formelle Anlässe mit vielen Metern Tartan herzustellen. Je nach Umfang des Trägers können das 7, 8, ja sogar bis zu 10 Metern sein. Auch spielt das Muster ( der Pattern ) eine Rolle, denn nicht jeder Tartan hat ein Muster der selben Breite. Nun entwickelte sich neben dem Pleated to Stripe für die Armee, das Pleated to Sett für den formellen Anlaß. Das heißt, das vorne am Schurz sichtbare Muster ( Sett ) muß durchgehend auf den Falten sichtbar sein. Ein moderener Kilt dieser Art hat die Falten, wie schon der Box Pleated Kilt, im oberen Drittel abgenäht. Außerdem sind die Falten außen sehr schmal, dafür innen sehr tief, da man ja das Muster berücksichtigen muß. So ist es auch kein Wunder, daß bei dieser Nähart große Mengen Tartan benötigt werden. Ein echter Traditional Kilt hat ein schmales Innenfutter, 3 Schnallen und drei lederne Kiltstraps ( die Riemen ). Der Außenschurz hat auf der rechten Seite außerdem den sogenannten Fringe, das heißt die Kante wird ausgefranst und zusätzlich ein zweiter gefranster Streifen Tartan eingenäht. Ein echter Traditional sollte niemals gesäumt sein, der Kilt schließt mit dem unteren Rand, dem sogenannten Selfedge, ab. Der Selfedge ist ursprünglich leicht gefranst, modernere Webstühle stellen aber auch schon Tartan mit glattem Rand her.
Nun noch einige moderne Arten des Kilts. Für den Alltag trägt man den sogenannten Casual Kilt. Dieser besteht meistens aus weitaus weniger Material, 5 - 6 Yards, das sind rund 4,5 - 5,5 Meter. Die Falten sind meistens etwas breiter und auch nicht so viele, außerdem wird nicht unbedingt auf das perfekte Muster geachtet.
In den USA wurde vor einiger Zeit der sogenannte Utilikilt entwickelt. Dieser ist meistens einfarbig, oder aus Camouflage ( zB. für Jäger ) Der Utilikilt ist etwas anders als ein normaler Kilt geschnitten, der Schurz ist meistens etwas schmäler. An den Seiten sind Taschen aufgenäht, es gibt auch abnehmbare. Auch vorne am Schurz kann so eine Tasche sein, oder auch hinten am Gesäß. Diese Art Kilt wird gerne von Handwerkern, da man in den Taschen zB. kleineres Werkzeug verstauen kann, getragen. Auch Kiltfans, die nicht unbedingt Karo mögen, tragen gerne den Utilikilt. Inzwischen gibt es aber schon einige Firmen, die ähnliche Kilts herstellen, die dann natürlich unter anderen Namen angeboten werden und auch im Design variieren.
So, ich denke, daß ich nichts vergessen habe, das war also die Geschichte über die Entstehung des Kilts.
Geschrieben und zur Verfügung gestellt zur Veröffentlichung auf rockmode.de im Juli 2008 von George_MacGregor