Autor Thema: Ist Mode sexistisch?  (Gelesen 6494 mal)

Offline Holger Haehle

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #15 am: 06.08.2022 04:39 »
Liebe Leute,

ich bekam heute Nacht einen Anruf vom Spiegel. Die hatten wohl die Zeitverschiebung vergessen. Die Chefredaktion möchte mehr zum Gender und Männerrock Thema für die Online-Ausgabe am Dienstag. Diesmal steht mir mehr Platz zur Verfügung. Da wird der Redakteur noch mal den Sexismus-Aspekt historisch am folgenden Auszug aus meinem Buch behandeln:

"...In Frankreich entlud sich die Not der Bevölkerung in einer blutigen Revolution, die die Monarchie beendete. In der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurden Frauen nicht erwähnt. Mit den darin erwähnten Menschen waren ausdrücklich Männer und nicht Frauen gemeint. Nur Männer erhielten ein Wahlrecht oder konnten in den Nationalkonvent gewählt werden. Es entstand die Französische Republik mit einer männlichen, bürgerlichen Herrschaft, so wie es sie bereits in den Niederlanden, der Schweiz und England gab.

Die Sans-culottes, die Hose der arbeitenden Bevölkerung und Jakobiner, wurde zum Symbol der neuen Herrschaft. Sie stand für Nützlichkeit im Gegensatz zum repräsentativen höfischen Rock, der zum Symbol hegemonialer, aristokratischer Dekadenz wurde. Ein Rock war von nun an eines bürgerlichen Mannes nicht mehr würdig. Fortan war die Hose das einzig legitime Beinkleid für den erwachsenen Mann. In seiner schlichten Ausführung unterstrich es den Anspruch auf exklusiv männliche Rationalität und Kompetenz. Der Psychologe John Carl Fluegel erklärte dazu 1930 in seiner „Psychologie der Bekleidung“, dass der freiwillige Verzicht auf äußerlich hervorgehobene Schönheit auf höher zu bewertende innere Qualitäten verweisen sollte. Frauen wurden vom Hosentragen ausgeschlos-sen, denn sie hätten kein Sein. Ihr authentisches Wesen, so erklärte das der Philosoph und theoretische Vordenker der modernen Demokratie Jean-Jaques Rousseau, sei das Nichts des Scheins, das Theater. Frauen sollten im Hause die sanfte Herrschaft des Herzens ausüben, während die Männer die res publica, die Sache aller vertraten. Ohne den Mann, durch den die Frau bestimmt werde, sei die Frau nichts. So wurde die Hose zum na-türlichen Zeichen eines patriarchalen Führungsanspruchs.

Alle herrschaftlichen Männlichkeitssymbole wurden bürgerlich umkonnotiert. Alle männlichen Modeprivilegien sind deswegen heute weiblich. Die weitreichenden Veränderungen kamen einem Paradigmenwechsel gleich, denn schon im Tierreich und dann durch die gesamte Kulturgeschichte waren es fast immer die Männchen und Männer, die sich als Löwenpascha und Pfau oder prunkvolle Pharaonen und Cäsaren optisch aufwerteten, um Machtpositionen einzunehmen. Mit dem Beginn der bürgerlichen Herrschaft hat sich die äußerliche männliche Erscheinung nicht nur grundlegend geändert, sondern umgekehrt. Männer schmückten sich nicht mehr selbst, sondern sie schmückten sich nun mit ihren Frauen, deren Garderobe und Schmuck sie schließlich finanzieren. So wurde die Mode weiblich. Schönheit und Mode waren gerade im 19. Jahrhundert die einzigen Möglichkeiten für Frauen, sich gesellschaftlich zu präsentieren. Sie spiegelten damit den sozialen Status ihrer Männer, denen sie dienten. Jedes andere Engagement, vor allem in Politik und Wirtschaft, war den Männern vorbehalten. Heute können Frauen alles tragen. Beschränkungen gibt es nur noch für die „eigentlich” freien Männer, die sich aber die einengenden Regeln selbst verordnet haben, um sich auf „höherer“ Ebene noch wichtiger zu machen..."


Offline GregorM

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #16 am: 06.08.2022 07:10 »
Vielen Dank, Holger, für deinen Einsatz für die Männerrock-Bewegung!

Gruß
Gregor
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Gregor

Offline Zwurg

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #17 am: 06.08.2022 07:20 »
Hallo Holger wenn ich so lese was du geschrieben hast, dan keimt in mir ein Gedanke.
Als Nicht-Akademiker drücke ich das so aus:

Bis zum 2. Weltkrieg war es so:

Der Mann ist ein reines Funtionswesen und trägt daher nur Funktionskleidung. Anzug in der Bank oder Versicherungswesen usw. Blaumann oder Latzhose, Arbeitsmantel usw. in der körperlichen Arbeit. In der Freizeitsetzt sich dieses Bild gewissermaßen abgeschwächt fort.
Dass der etwas Dartsellt ist kann er nur durch seine Statussymbole ausdrücken. Dabei wird die Frau und ihre Kleidung auch zu einem Statussymbol.
Die Norm ist, das der Mann verheiratet ist und so ein Staussymbol wie eine schicke Frau hat. Der Mann wird beneidet um die gut geschmückte und sexy gekleidete Frau, was den Neidfaktor von anderen Männern erhöht. (Also mein Haus, mein Boot, mein Auto, meine Frau...)

Nun hat aber nach dem 2. Weltkrieg ein Wandel eingesetzt. Frauen mußten in Europa während des Krieges und ein paar Jahre darüber hinaus männliche Rollen in der Arbeit übernehmen, weil Männer abwesend waren (also im Krieg) und benutzen praktischerweise deren Kleidung. Nach dem Krieg zogen einige Frauen ihre Hosen nicht mehr aus und wollten auch kein Satussymbol mehr sein, sondern gleichberechtigte Wesen. Ihr Wirken ließ Feminismus und Gleichberechtigung entstehen.

Und die Männer? Sie verharrten quasi in ihrer alten Rolle und entwickelten sich nicht weiter. Viele versuchen immer noch das alte Rollenbild auszufüllen, was noch häufig funktioniert, mit etwas abstrichen vielleicht.

Und nun kommen wir männlichen Rock und Kleidträger, überspringen die Frau als Statussymbol und stellen uns selbst dar, wie wir sein wollen. Wir werden so zum eigenen Staussymbol. Also fast so wie die Herren vor der französischen Revolution.
Wir sind dann praktischerweise Mann und Frau zugleich.

Oder interpretiere ich das falsch?


Den größten Mut erfordert es den eigenen Weg zu gehen

Offline Holger Haehle

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #18 am: 06.08.2022 08:25 »
Vielen Dank, Holger, für deinen Einsatz für die Männerrock-Bewegung!

Gruß
Gregor

Naja Gregor, du tust ja auch einiges. Wäre es sinnvoll so ein Buch auf Dänisch, vielleicht im Selfpublishing zu veröffentlichen? Wenn du ein eigenes Buch herausbringen willst, darfst du gerne auf meinen Content zurückgreifen.


Offline MAS

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #19 am: 06.08.2022 08:59 »
Naja Micha, du müsstest das schon noch etwas ausformulieren und vielleicht mit einem Beispiel verdeutlichen.

Lieber Holger, Zwurg und alle Interessierten. Ich bringe mal ein fiktives Beispiel aus meiner SF-Fantasy-Geschichte "Antes Mission". Die raumfahrenden Brüder Peer und Ante setzen sich mit Lorn'asti und Lorn'aro, zwei Angehörigen eines Volkes, das die Raumfahrt hinter wieder aufgegeben hat, in eine Schwitzhütte:
Zitat
Lorn'asti ging voraus, auf die kleine Hütte am Bach zu, und die Brüder folgten ihm.
Wallu hatte auch schon Freundschaft mit den Hunden des Dorfes geschlossen. Besonders eine hellbraune, ebenfalls schlappohrige Hündin hatte es ihm angetan. Die beiden tollten ausgelas-sen zwischen den Hütten herum und versuchten einander zu erhaschen.
Lorn'asti gebot Ante und Peer, sich auszuziehen und in die Hütte zu gehen. Der Eingang war niedrig und mit einer Decke verhängt. Die Brüder mußten sich tief bücken, um hineinzukom-men. Drinnen saß, ebenfalls nackt, Lorn'naro. Nachdem die beiden sich gesetzt hatten, er-schien auch Lorn'asti in der Hütte, mit einem Stein, der noch vorhin in der Glut des Feuers ge-legen hatte. Er legte ihn in die Mitte der Hütte. Er brachte noch vier weitere heiße Steine und legte einen an die Nordwand, einen an die Südwand, einen nach Westen, dem Eingang gegen-über und den letzten neben den Eingang, der sich im Osten befand. Sodann brachte er einen Eimer mit Wasser aus dem Bach und setzte sich, nachdem er sich ebenfalls ausgezogen hatte, zu den dreien.
42
Die Steine verbreiteten eine angenehme Wärme. Als Lorn’asti dann über den Stein, der in der Mitte lag eine Schöpfkelle voll Wasser goß, welches zischend verdampfte, wurde es sehr heiß in der Hütte.
,He“, rief Peer, ,das ist ja eine Sauna!“
,Ihr kennt die Schwitzhütte? Kor Almussen hat mir nie gesagt, daß ihr auf Maman auch wel-che habt“, sagte Lorn'naro erstaunt.
,Auf Maman gibt es das nicht, aber auf Suompaiaa. Sie sehen nur etwas anders aus, denn sie haben einen Ofen in sich, auf dem viele heiße Steine liegen.“
,Wird es dann nicht rauchig in der Hütte, wenn das Feuer in ihr brennt?“, sagte der Schamane.
,Nein, entweder hat der Ofen ein Rohr, durch den der Rauch nach draußen kommt, oder er ist elektrisch betrieben. So einen habe ich auch in meinem Raumschiff erklärte Peer.
,Ja, ja ihr Raumfahrer, ihr habt sehr viel technischen Krimskrams. Auch unser Volk hatte einst sehr viel Technik, bevor es sich auf Skoréja zurückzog. Wir haben die komplizierte Technik aufgegeben, dafür aber etwas viel wichtigeres bekommen.“
,Was denn?“, fragte Peer.
,Weißt du, warum die Steine so angeordnet sind?“ entgegnete der Schamane,
,Ja“ damit sich die Wärme besser verteilt“, antwortete Peer.
,Ich dachte mir, daß du diese Antwort geben würdest. Zwar verteilt sich die Wärme so besser, aber das ist nicht der Hauptgrund. Asti, erkläre du es ihnen!“
Lorn'asti hatte wieder Wasser auf einen der Steine gegossen.
,Die Steine sind das Universum. Von den Steinen in den vier Richtungen, die die Ausmaße des Universums zeigen, gehen Linien zu dem in der Mitte. Von dem Stein in der Mitte geht eine Linie in die Erde und eine in den Himmel, also eine hinein in den Planeten und eine hin-aus. All diese Linien sind unendlich, und in der Mitte ist der Große Geist, der das Universum erschaffen hat.“
,Die Linien sind unendlich?“, erkundigte sich Ante.
,Ja, unendlich“, gab Lorn'asti zur Antwort.
,Dann“, schlußfolgerte Ante, ,kommt die, die in die Erde hineingeht auf der anderen Seite von Skoréja ja wieder heraus.
,Nein, sie geht nur hinein. Hinaus führt die, die nach oben geht.“
Ante kam damit nicht zurecht, er hielt das für unlogisch. Entweder sind die Linien unendlich, dachte er, dann führt die eine Linie durch den Planeten hindurch, oder sie bleibt in ihm ste-cken, dann ist sie aber nicht unendlich
Auch Lorn'asti hatte noch mal darüber nachgedacht und erklärte nun ausführlicher: ,Schau Ante, der Große Geist ist in der Mitte. Von ihm gehen die vier Linien aus, eine dorthin, wo die Sonne aufgeht, eine dorthin, wo die Sonne an höchsten steht, eine dorthin wo sie untergeht und eine dorthin, wo die Sonne nie hinkommt. Die fünfte Linie führt hinaus in das Reich der Sterne, wo du herkommst, die sechste Linie hinein in das Reich der Wurzeln.
Auch die Seele der Bäume ist unendlich. Sie führt nach oben, wo sie ihre Blätter ausstrecken und nach unten, wo ihre Wurzeln sind. Aber ihre Seele geht viel weiter nach oben und nach unten, ohne daß sie unten herausguckt.“
Ante hatte aufmerksam zugehört und wußte nun, daß das Weltbild der Skor ein ganz anderes war, als das seine. Nachdem sie die Raumfahrt und damit jede Art komplizierter Technik auf-gegeben hatten, mußten sie es auch verlernt haben, über die Welt in logisch wissenschaftli-cher Weise nachzudenken.
Der Schweiß rann ihnen aus allen Poren und strömte an ihren Körpern herunter. So verließen sie die Schwitzhütte, um sich im Bach abzukühlen. Das war sehr erfrischend, zumal auch die Luft noch sehr kühl war. Die Sonne war nämlich noch immer nicht zu sehen, obwohl ihre Strahlen schon seit über einer Stunde zwischen den Bergen herum tasteten.
43
Ante hatte noch weiter nachgedacht und glaubte nun auch zu verstehen, was Lorn'asti gemeint hatte. Doch noch eine Frage beschäftigte ihn. Wieder in der Schwitzhütte wandte er sich nochmals an Lorn'asti:
,Du sagst, der Große Geist ist in der Mitte?“ - „Ja, von ihm geht alles aus.“
,Ist er denn nicht überall?“
,Doch er ist überall“, sagte Lorn'asti selbstverständlich, ohne den seiner Aussage innewoh-nenden Widerspruch zu bemerken.
Lorn'naro und Peer hatten dem Gespräch während der ganzen Zeit zugehört,
Peer wußte nicht recht, was das alles mit seiner Frage zu tun hatte, welche Sache, die soviel wichtiger war, als komplizierte Technik, die Skor denn bekommen hatten.
Lorn'naro lächelte verständnisvoll. Er erkannte Antes Schwierigkeiten mit der ungewohnten Denkweise.
,Ante, das ist ganz einfach. Dadurch, daß der Große Geist im Zentrum aller Dinge ist, ist er überall“, erklärte er freundlich.
Dann wandte er sich an Peer: ,Und du Peer, weißt du nun welch wichtige Sache wir im Tausch gegen die komplizierte Technologie bekamen?“
Peer dachte eine Weile über das vorherige Gespräch, über die Ordnung der Steine und über den Zusammenhang zwischen beiden nach.
,Ich bin mir nicht ganz sicher, aber...“
,Ruhig Peer“, unterbrach ihn der Schamane, die Hand hebend, ,wir wollen es nicht zerreden. Wenn du erst einmal einige Zeit bei uns gelebt hast, dann wirst du dir sicher sein.“

(Dass die Anfangs-Anführungsstriche nur einfach statt doppelt sind, liegt am Einscannen. Ebenso die Trennstriche mitten in der Zeile. Der Text war ursprünglich Mitte der 1980er handschriftlich geschrieben und dann mit eine mechanischen Schreibmaschine abgetippt und später mal eingescannt worden.)

Illustriert das Zitat verständlich, was ich meine?

LG, Micha
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Offline MAS

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #20 am: 06.08.2022 09:04 »
Ich möchte über Zwurgs Feststellung noch etwas hinausgehen, und betonen, dass sich die Geschlechter über die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale hinaus gar nicht unterscheiden. Denn selbst die Ausprägung der Geschlechtsmerkmale ist so variabel, dass manche Frau optisch als Kerl durchgehen würde, wäre sie nicht entsprechend markiert mit Haarschnitt und Kleidung. Umgekehrt gilt das natürlich auch für Männer. Selbst die so weiblich empfundene Brust kann sich bei Männern allein durch natürliche Variation der Hormonproduktion ebenso gewaltig entwickeln wie bei Frauen. Ja, Männer haben neben einem Testosteron-Spiegel immer auch einen Östrogen-Spiegel. Hohe Testosteron-Spiegel führen zum Umbau zu Östradiol. Deswegen führen Anabolika erst zu Muskelwachstum und dann zu Brustwachstum.

Lieber Holger,

ich bin da kein Fachmann, habe aber mal etwas von geschlechtsspezifischer Medizin gehört, nach welcher auch Medikationen auf männliche und auf weibliche Körper unterschiedlich wirken. Wenn das so ist, widerspricht das nicht Deiner Erklärung? Vgl. https://www.dgesgm.de/

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #21 am: 06.08.2022 09:06 »
Hallo Holger wenn ich so lese was du geschrieben hast, dan keimt in mir ein Gedanke.
Als Nicht-Akademiker drücke ich das so aus:

Bis zum 2. Weltkrieg war es so:

Der Mann ist ein reines Funtionswesen und trägt daher nur Funktionskleidung. Anzug in der Bank oder Versicherungswesen usw. Blaumann oder Latzhose, Arbeitsmantel usw. in der körperlichen Arbeit. In der Freizeitsetzt sich dieses Bild gewissermaßen abgeschwächt fort.
Dass der etwas Dartsellt ist kann er nur durch seine Statussymbole ausdrücken. Dabei wird die Frau und ihre Kleidung auch zu einem Statussymbol.
Die Norm ist, das der Mann verheiratet ist und so ein Staussymbol wie eine schicke Frau hat. Der Mann wird beneidet um die gut geschmückte und sexy gekleidete Frau, was den Neidfaktor von anderen Männern erhöht. (Also mein Haus, mein Boot, mein Auto, meine Frau...)

Nun hat aber nach dem 2. Weltkrieg ein Wandel eingesetzt. Frauen mußten in Europa während des Krieges und ein paar Jahre darüber hinaus männliche Rollen in der Arbeit übernehmen, weil Männer abwesend waren (also im Krieg) und benutzen praktischerweise deren Kleidung. Nach dem Krieg zogen einige Frauen ihre Hosen nicht mehr aus und wollten auch kein Satussymbol mehr sein, sondern gleichberechtigte Wesen. Ihr Wirken ließ Feminismus und Gleichberechtigung entstehen.

Und die Männer? Sie verharrten quasi in ihrer alten Rolle und entwickelten sich nicht weiter. Viele versuchen immer noch das alte Rollenbild auszufüllen, was noch häufig funktioniert, mit etwas abstrichen vielleicht.

Und nun kommen wir männlichen Rock und Kleidträger, überspringen die Frau als Statussymbol und stellen uns selbst dar, wie wir sein wollen. Wir werden so zum eigenen Staussymbol. Also fast so wie die Herren vor der französischen Revolution.
Wir sind dann praktischerweise Mann und Frau zugleich.

Oder interpretiere ich das falsch?

Ich denke, das interpretierst Du richtig, lieber Zwurg. Wobei unsere Bewegung auch ein Teil einer kulturspezifischen Entwicklung ist, die sich eben aus der Geschichte heraus erklärt. D.h. sie ist nicht einfach so auf andere Kulturen übertragbar. Aber im Zuge der Globalisierung vernetzen sich verschiedene Kulturen miteinander und Kulturtransfere finden zu Hauf statt.

LG, Micha
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Offline Holger Haehle

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« Antwort #22 am: 06.08.2022 09:25 »
Ich möchte über Zwurgs Feststellung noch etwas hinausgehen, und betonen, dass sich die Geschlechter über die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale hinaus gar nicht unterscheiden. Denn selbst die Ausprägung der Geschlechtsmerkmale ist so variabel, dass manche Frau optisch als Kerl durchgehen würde, wäre sie nicht entsprechend markiert mit Haarschnitt und Kleidung. Umgekehrt gilt das natürlich auch für Männer. Selbst die so weiblich empfundene Brust kann sich bei Männern allein durch natürliche Variation der Hormonproduktion ebenso gewaltig entwickeln wie bei Frauen. Ja, Männer haben neben einem Testosteron-Spiegel immer auch einen Östrogen-Spiegel. Hohe Testosteron-Spiegel führen zum Umbau zu Östradiol. Deswegen führen Anabolika erst zu Muskelwachstum und dann zu Brustwachstum.

Lieber Holger,

ich bin da kein Fachmann, habe aber mal etwas von geschlechtsspezifischer Medizin gehört, nach welcher auch Medikationen auf männliche und auf weibliche Körper unterschiedlich wirken. Wenn das so ist, widerspricht das nicht Deiner Erklärung? Vgl. https://www.dgesgm.de/

LG, Micha

Wenn man es so sieht Micha, dann macht die Medizin auch Unterschiede zwischen verschiedenen Männern und Ethnien. Wir reden hier eher um individuelle Anpassungen und geschlechtsspezifische Optimierungen. Natürlich kann eine Frau nicht an einem Prostatakarzinom erkranken. Andererseits haben auch Männer, wenn auch deutlich weniger, Brustkrebs. Beim Infarkt können beide Geschlechter die gleichen Symptome haben, trotzdem werden unterschiedliche Häufigkeiten beobachtet. Gleiches gilt beim Vergleich für schwarze und weiße Männer. Natürlich gehen Ärzte auf diese Unterschiede ein, aber diese Unterschiede auf untergeordneter Ebene verlieren sich auf der höheren Metaebene. Da sind wir beide genauso wie du und deine Frau wieder gleich. Ich kann daraus nicht beispielsweise auf unterschiedliche Intelligenz, räumliches Orientierungsvermögen oder Aggressionsverhalten schließen.

Offline MAS

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« Antwort #23 am: 06.08.2022 09:38 »
Wenn man es so sieht Micha, dann macht die Medizin auch Unterschiede zwischen verschiedenen Männern und Ethnien. Wir reden hier eher um individuelle Anpassungen und geschlechtsspezifische Optimierungen. Natürlich kann eine Frau nicht an einem Prostatakarzinom erkranken. Andererseits haben auch Männer, wenn auch deutlich weniger, Brustkrebs. Beim Infarkt können beide Geschlechter die gleichen Symptome haben, trotzdem werden unterschiedliche Häufigkeiten beobachtet. Gleiches gilt beim Vergleich für schwarze und weiße Männer. Natürlich gehen Ärzte auf diese Unterschiede ein, aber diese Unterschiede auf untergeordneter Ebene verlieren sich auf der höheren Metaebene. Da sind wir beide genauso wie du und deine Frau wieder gleich. Ich kann daraus nicht beispielsweise auf unterschiedliche Intelligenz, räumliches Orientierungsvermögen oder Aggressionsverhalten schließen.

Wenn ich es richtig verstehe, Holger, geht es auch um Dosierungen von Medikamenten in der Pharmaindustrie. Man kann natürlich da nicht indivuduelle Pillen produzieren, sondern geht nach Durchschnittswerten. Und diese waren anscheinend bisher an durchschnittlichen Männern gemessen und sollen jetzt nach und nach sowohl an durchschnittlichen Männern als auch an durchschnittlichen Frauen gemessen werden, um so geschlechtsspezifische Dosierungen zu erreichen und die Tabletten für Männer und für Frauen getrennt voneinander anzubieten.

Ob diese Unterscheidung qualitativ anders ist als die zwischen Männern unterschiedlicher Körpergröße oder ethnischer Zugehörigigkeit, weiß ich nicht. Ich bin ja, wie gesagt, kein Fachmann.

Was mir aber der Fall zu sein scheint: Ob ich mehr Gemeinsamkeiten oder mehr Unterschiede zwischen Männern und Frauen sehe, hängt auch von meinen Interessen ab. Diese Interessen beeinflussen die Wahrnehmung. Es geht nur ums bewusste und absichtliche Darstellen einer Sache, wie sie mir behagt, sondern um Plausibilitäten, die ich konstruiere, ohne diese Beeinflussung zu merken. So kommt es auch zu Missverständnissen zwischen Menschen, die unterschiedliche Plausibilitätsstrukturen haben.

LG, Micha
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Offline Holger Haehle

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« Antwort #24 am: 06.08.2022 09:46 »
Ja Zwurg, du siehst das schon richtig. Kleidung macht Unterschiede. Da wo Unterschiede aufgehoben werden entsteht Gleichheit. Als die Frauen die Hosen wollten, da ging es nicht nur um ein neues modisches Accessoire. Die Hose war Ausdruck dafür, dass Frauen auch das wollten, was Männern vorbehalten war. Und parallel zu den Hosen, die sie anzogen, haben sie dann auch im Job ihren "Mann" gestanden. Zwischen der Zunahme von Frauen in Hosen und weiblicher Berufstätigkeit besteht ein statistisch messbarer Zusammenhang. Dazu noch ein Beispiel:

"...    Als früher europäische Landarbeiterinnen, im Gegensatz zu China oder Japan, selbst für die Feldarbeit unbequeme lange Röcke statt Hosen anziehen mussten, hat ihnen das jeden Tag bewusst gemacht, dass sie „nur“ Frauen einer unteren Klasse waren, die in einem Patriarchat lebten, wo andere die Hosen und die Macht hatten. In dem sie nicht rebellierten, sondern jeden Tag aufs Neue brav den Rock als Symbol der Unterordnung anzogen, zeigten sie die Zustimmung zu ihrem Rang in der Gesellschaft. Der Frauenrock war ein Symbol. Ihn anzuziehen war eine Geste der Unterwerfung..."

Kannst du dir vorstellen, wie viel härter die Arbeiterinnen auf dem Bild unten arbeiten, und das ihre Männer die Arbeit viel schneller und besser machen konnten?

Offline Holger Haehle

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #25 am: 06.08.2022 09:56 »
Wenn man es so sieht Micha, dann macht die Medizin auch Unterschiede zwischen verschiedenen Männern und Ethnien. Wir reden hier eher um individuelle Anpassungen und geschlechtsspezifische Optimierungen. Natürlich kann eine Frau nicht an einem Prostatakarzinom erkranken. Andererseits haben auch Männer, wenn auch deutlich weniger, Brustkrebs. Beim Infarkt können beide Geschlechter die gleichen Symptome haben, trotzdem werden unterschiedliche Häufigkeiten beobachtet. Gleiches gilt beim Vergleich für schwarze und weiße Männer. Natürlich gehen Ärzte auf diese Unterschiede ein, aber diese Unterschiede auf untergeordneter Ebene verlieren sich auf der höheren Metaebene. Da sind wir beide genauso wie du und deine Frau wieder gleich. Ich kann daraus nicht beispielsweise auf unterschiedliche Intelligenz, räumliches Orientierungsvermögen oder Aggressionsverhalten schließen.

Wenn ich es richtig verstehe, Holger, geht es auch um Dosierungen von Medikamenten in der Pharmaindustrie. Man kann natürlich da nicht indivuduelle Pillen produzieren, sondern geht nach Durchschnittswerten. Und diese waren anscheinend bisher an durchschnittlichen Männern gemessen und sollen jetzt nach und nach sowohl an durchschnittlichen Männern als auch an durchschnittlichen Frauen gemessen werden, um so geschlechtsspezifische Dosierungen zu erreichen und die Tabletten für Männer und für Frauen getrennt voneinander anzubieten.

Ob diese Unterscheidung qualitativ anders ist als die zwischen Männern unterschiedlicher Körpergröße oder ethnischer Zugehörigigkeit, weiß ich nicht. Ich bin ja, wie gesagt, kein Fachmann.

Was mir aber der Fall zu sein scheint: Ob ich mehr Gemeinsamkeiten oder mehr Unterschiede zwischen Männern und Frauen sehe, hängt auch von meinen Interessen ab. Diese Interessen beeinflussen die Wahrnehmung. Es geht nur ums bewusste und absichtliche Darstellen einer Sache, wie sie mir behagt, sondern um Plausibilitäten, die ich konstruiere, ohne diese Beeinflussung zu merken. So kommt es auch zu Missverständnissen zwischen Menschen, die unterschiedliche Plausibilitätsstrukturen haben.

LG, Micha

Klar Micha, jenseits der Biologie geht es immer um Konstruktion und Sozialisation. Das ist das Wesen von Kultur und Gesellschaft. Der Mensch macht sich in der Kultur selbst nach seinen Vorstellungen. Voraussetzung für Kultur ist mindestens eine teilweise Unabhängigkeit von der Natur.

Richtig, Pharmatests werden ausschließlich mit Männern gemacht. Deswegen passen die Dosierungen nur näherungsweise für Frauen, Kinder und Schwangere.

Jedenfalls lassen marginale Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Ethnien nicht die Folgerung zu keine Gleichheit zu attestieren.

Offline Skirtedman

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #26 am: 06.08.2022 10:23 »
Nun, mit der Definition von 'sexistisch', wie sie hier erwähnt wurde, bin ich noch nicht ganz glücklich. Aber ich hoffe, wir meinen alle in etwa das Gleiche, wenn wir uns auf diesen Begriff beziehen. Drum will ich mich erstmal nicht weiter mit der Bedeutung des Begriffs 'sexistisch' aufhalten.

Lieber Holger, lieber Zwurg, das was Ihr nun geschrieben habt, beschreibt sehr schön, wie die Hose zum unabdingbaren Männlichkeitsbild sich entwickelt hat (Holger) (in unserem Kulturkreis, möchte ich hier nur kurz noch mal betonen), und wie sich einige Generationen später die Frau sich der Hose bemächtigt hat (Zwurg).

Beide Beschreibungen mögen fundamentale Schritte in der Bekleidungsgeschichte und Kultursoziologie darlegen, dennoch lassen beide Beschreibungen auch andere, vorausgehende oder parallel stattfindende Entwicklungen aussen vor.

Bei der Erhebung der Hose zum Männlichkeitssymbol war freilich die französische Revolution nicht alleine schuld. Zum einen gab es mehr oder weniger parallel schon andere ähnlich gelagerte politische bzw. soziale Umbrüche, die Holger ja auch z.T. erwähnt hat - auch dort verbunden mit dem Hass, Neid auf die bisherigen Herrschenden und deren Symbole.

Zum anderen gab es schon lange die Strömung hin zur Männerhose. Alleine die Industrialisierung mit ihren einseitigen, eintönigen Handlungsabläufen im Bereich der Produktion, mit stark körperlichem Einsatz und im Umgang automatisierter Produktionshilfen (Laufbänder, Schwungräder, Schwinghämmer, nur als Beispiel) zwang den Arbeiter schon fast unabdingbar in die Hose. Doch auch schon Jahrhunderte zuvor durch die Ritter, deren stetig sich verbessernder Rüstung löste alle erdenklichen anderen Gewandlösungen allmählich ab. Ganz zu schweigen von den nordischen = cisalpinen Völkern, die ohnehin ja schon die Männerhose lange vorsahen.

Bleiben wir noch mal beim Reiten. Die Ritter hatten lange Zeit noch ihr Friedenskleid - also, wenn sie mal nicht schnell zu einem Einsatz auf ihr Pferd mussten, konnten sie sich lange, bequeme Gewänder und der Liebe zu Frauen hingeben. Bestimmte Modeströmungen im Mittelalter lösten auch im Europa nördlich der Alpen die einstige Männerhosenkultur ab. Verbesserte Bausubstanz, verbesserte Heizmöglichkeiten, vielleicht auch verbesserte Infrastruktur von Heizmittelbereitstellung trug da sicherlich auch mit dazu bei, sich dies leisten zu können. - Doch ich wollte beim Reiten bleiben, denn auch vor der Industrialisierung war das wichtigste und erschwinglichste Verkehrsmittel das Pferd. Auch in immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war das Pferd ein unter Männern wichtiges Kriegsgerät.

Gerade das Reiten erzeugt die Sinnhaftigkeit, eine Hose zugunsten eines Rocks oder Gewands einzusetzen. Da eine Hose die schützenden Stoffteile an den Kontaktflächen zum Pferd bzw. dem Sattelzeug am Pferd am besten am Körper fixiert - vom vereinfachten Auf- und Absteigen in einer Hose gar nicht zu sprechen.

Diese Entwicklungen (Reiten als Verkehrs- und Kriegsmittel, Industrialisierung) dürfen nicht vergessen werden, will man der Französischen Revolution für die zwanghafte Einführung der Hose für Männer in unserem Kulturkreis verantwortlich machen.

Ob all diese Entwicklungen nun in den Rahmen des Sexismus hineinpassen, sei mal dahingestellt. Eine Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau ist nicht zwangsläufig sexistisch, sondern ist gut geeignet, - jetzt mag das sehr konservativ klingen - zum verbesserten Zusammenspiel der Aufgabenbewältigung beizutragen. Den Geschmack von Sexismus bekommt solch eine Aufgabenteilung (eigentlih müsste man das modern 'Teambildung' nennen) erst dann, wenn entweder eine Seite des Zweierteams sich überfordert, unterfordert oder sonstwie benachteiligt fühlt. Diese Entwicklung setzte vor allem auch da ein, wo sich die Auflösung der Großfamilien breit machte, wo sich eine gewisse Individualisierung breit machte. Vor allem da ist die Keimzelle eines empfundenen Sexismus' anzusiedeln.

Auch die Situation, die Zwurg beschreibt, die Aneignung der Hosen durch die Frauen, lässt einige parallele Strömungen aussen vor und konzentriert sich sehr auf ein plausibles, aber auch nicht in Gänze reales Erklärungsmodell. Das Narrativ der Trümmerfrauen ist durch verschiedene Forschungen sehr ins Wanken gekommen. Ja, Frauen waren daran beteiligt, den Schutt wegzuräumen, es stellt sich gar keine Frage, dass sie das nicht getan hätten - da Männer fehlten. Vieles, was wir über Trümmerfrauen wissen, entstammt aber auch einer gezielten Inszenierung, die bereits unter dem Regime des Dritten Reichs begonnen wurde, später weiter fortgesetzt wurde. Doch das Wanken des Trümmerfrauen-Epos' muss uns jetzt hier nicht weiter beschäftigen. Klar ist, dass Kriegszeiten Notzeiten sind, nicht zuletzt waren auch Textilien knapp. Und ehe sich Frauen langwierig die Kleidung ihrer Männer, die im Krieg waren oder gefallen sind, zu Röcken und Kleidern umnähen, haben sie sie mit ein paar Nähten passend gemacht und einfach selbst angezogen.

Doch auch bereits zwischen den beiden Großen Kriegen gab es Strömungen, gerade in den Goldenen 20er Jahren (1920ern), in der die Damenmode männlicher wurde, frivoler, auch die Hose an der Frau schon anfing, sich breit zu machen. Vor allem wurde die Damenmode erstmal knabenhafter. Man erinnerte sich noch daran - zum Teil wurde es noch praktiziert -, dass die kleinen Jungs bis in ein Alter von vier, fünf, sieben Jahren Röckchen und Kleidchen trugen. Erst in den letzten Jahren zur Kriegsvorbereitung, beim Aufrüsten wurde diese Gewohnheit zusehends als dem bald kämpfen sollenden Buben von offiziellen Seiten für unwürdig erklärt - er soll am besten im Matrosenanzug schon auf seine Aufgaben vorbereitet werden.

Nun, so 10 Jahre später, entwickelte sich die Damenmode - oder Teile davon - eben genau in Richtung dieses Bildes, was man noch von den Knaben her im Sinn hatte: schlichte Hemdkleider, ja, zum Teil mit Pumphosen oder ähnlichem Beinkleid ergänzt. Und die Damenhose ist auch nicht die Erfindung von Marlene Dietrich, sie war vereinzelt schon in den 20ern verbreitet.

Auch dieser Umstand darf nicht vergessen werden, will man den Griff der Frau zur Hose erklären. Das Bild der Trümmerfrauen bzw. die korrespondierenden Nöte drumherum trug sicherlich dazu bei, die Hose an der Frau gesellschaftsfähig zu machen, sie ist aber nicht der Auslöser.

Auch emanzipatorische Bewegungen haben ihren Ursprung zumindest in den 1910er Jahren. All diese Ideen entwickelten sich ja mehr oder weniger parallel, mit Unterbrechungen, je nach Gemüts-, vor allem politischer Lage.

Insofern sind die Beschreibungen, die Holger und Zwurg uns darlegen, richtig und wichtig, aber sie decken nur einen Teil des Ganzen ab.

Offline MAS

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #27 am: 06.08.2022 10:44 »
Jedenfalls lassen marginale Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Ethnien nicht die Folgerung zu keine Gleichheit zu attestieren.

Die Bezeichnung "marginal" ist schon ein Ergebnis eines Vergleichs, das Du hier nun als Voraussetzung für weitere Folgerungen setzt, lieber Holger. Indes ist Deine Formulierung nicht ganz logisch, wenn man jedes Wort auf die Goldwaage legt, denn marginale Unterschiede sind Unterschiede, Gleichheit bedeutet haber die Abwesenheit von Unterschieden. So gesehen widersprechen sich beide Merkmale. Aber statt von Gleichheit könnte man von Ähnlichkeit reden, dann wäre es korrekt. Was Du aber sicher meinst ist eher Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit, Gleichheit an Würde usw. Oder?

Das zumindest ist ja gemeint, wenn man sagt, alle Menschen seien gleich.

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Offline MAS

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #28 am: 06.08.2022 10:55 »
Vielleicht, lieber Wolfgang, solltest Du Deinen langen Texten einen kurzen Abstract voran oder hintenan stellen für Leser, die nur mal eben kurz im Forum sind.

So wie hier:
Abstract: Die Männerhosengeschichte reicht ins Mittelalter zurück und seit dem hat sich die Männermode stärker verändert als die Frauenmode.

Vollstext:
Du hast aber ganz recht, die Entwicklung der Hose als Männerkleidung ins späte Mittelalter oder die frühe Neuzeit zu verlegen. Adelige Männer die zugleich eben auch Ritter waren, wählten die Hose zum Einen, weil man damit besser reiten und kämpfen konnte, zum Anderen aber auch, weil sie damit ihre Männlichkeit mittels der Schamkapsel deutlicher zeigen konnten. Damalige konservative Pfarrer haben dagegen von den Kanzeln gewettert und die Träger dieser Hosen als Hosenteufel beschimpft. Anständig in ihren Augen war es, über der Hose einen Rock zu tragen, der bis zu den Knien reichte, die Scham also bedeckte, statt sie zu betonen.

Dem ging voraus, dass diese Röcke immer kürzer wurden und die bestrumpften Beine immer mehr zu sehen waren. Wohlgemerkt nur bei den Männern, nicht bei den Frauen. Die hatten während all dieser Minirock- und Schamkapselhosenmode immer nur lange Kleider zur Verfügung. Das änderte sich erst im 20. Jh. D.h. über all diese Jahrhundere hinweg hat sich die Männerkleidung viel stärker verändert als die Frauenkleidung. Uns, die wir nur bis ins 19. Jh. zurückschauen oder gar nur bis in die 1950er Jahre, kommt es oft anders vor. Aber diese 70-120 Jahre sind eben nur ein kleiner Abschnitt der Geschichte.

Was ich jetzt ganz unberücksichtigt ließ, sind die Männerhosen der Germanen, Gallier und Skythen in der Antike.

LG, Micha
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Offline Holger Haehle

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Antw:Ist Mode sexistisch?
« Antwort #29 am: 06.08.2022 10:56 »
Jedenfalls lassen marginale Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Ethnien nicht die Folgerung zu keine Gleichheit zu attestieren.

Die Bezeichnung "marginal" ist schon ein Ergebnis eines Vergleichs, das Du hier nun als Voraussetzung für weitere Folgerungen setzt, lieber Holger. Indes ist Deine Formulierung nicht ganz logisch, wenn man jedes Wort auf die Goldwaage legt, denn marginale Unterschiede sind Unterschiede, Gleichheit bedeutet haber die Abwesenheit von Unterschieden. So gesehen widersprechen sich beide Merkmale. Aber statt von Gleichheit könnte man von Ähnlichkeit reden, dann wäre es korrekt. Was Du aber sicher meinst ist eher Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit, Gleichheit an Würde usw. Oder?

Das zumindest ist ja gemeint, wenn man sagt, alle Menschen seien gleich.

LG, Micha

Der Begriff mariginal verneint nicht Unterschiede, sondern relativiert sie. Bei der Behandlung einer Krankheit kann die Beachtung geschlechtlicher Unterschiede lebensrettend sein, aber bei der Bewertung von Gleichheit in Bezug auf Physis oder Intellekt sind sie vernachlässigbar.


 

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