Das Lob an Mathias möchte ich unterstreichen. Als ich noch in Dtld. Manager war, habe ich mich immer betont konservativ angezogen, einfach aus Angst ums Geschäft. Ich wollte doch mit jedem klarkommen - gerade bei der Neukundenakquise. In die äußerliche Erscheinung wird sehr viel hineininterpretiert, meist aus dem sehr subjektiven Blickwinkel des eigenen Erfahrungshorizonts - und der ist nie vollständig und korrekt. Umso wichtiger ist es als Mensch und in Mathias Fall als Chef fachlich zu überzeugen.
Ja, der Handel ist konservativ, ganz besonders in der Mode. Risiken einzugehen birgt immer auch die Gefahr zu scheitern und das bedeutet in der Wirtschaft, dass Geld verloren wird. Ein gutes Beispiel ist die dt. Automobilindustrie, die trotz fantastischer Gewinne das Risiko gescheut hat in die Entwicklung neuer Antriebssysteme zu investieren. Tesla ist ein Unternehmen mit einer Marktkaitalisierung größer als alle deutschen Herrsteller zusammen. Diesen Kuchen hätte man selber haben können, wenn man nur einen Teil der Gewinne nicht eingestrichen, sondern investiert hätte. Die Flexibilität, die Modernfashion von der Modebranche fordert, wird sich wahrscheinlich erst mit einem Generationenwechsel verbessern, der aber in den Führungsetagen erst in den nächsten 5-10 Jahren ansteht. Wir schwimmen aber mit unseren Röcken auf einer sehr breiten Welle, wenn wir die die ganze Antidiskrimminierungs-, LGBT- und Genderthematik mit einschließen. Die Entwicklung ist statistisch dynamisch und geht in eine exponentielle Phase über. Somit muss sie fast schon zwangsläufig in absehbarer Zeit den Tipping Point erreichen. Ich kann also auch hier zustimmen: Die Zeit ist wirklich reif.
Last but not least, jedes Handeln ist grundsätzlich eine Manipulation, weil Manipulation per se als Verhaltensänderung definiert ist. Jetzt mal ein Beispiel wie so etwas in der Mode funktioniert. H&M hat vor einigen Jahren einen Männerrock mit geringem Erfolg angeboten. Das ganze war nur ein Markttest, der aber auch noch schlecht vorbereitet war, allein schon, weil ich es nicht mitgekriegt habe. Da war nur eine kleine Werbekampagne vorweg und da waren keine Testimonials (Promies wie Brad Pitt oder Till Schweiger, die im Rock auftraten). Aber vor allem haben sie nur einen einzigen Rock angeboten. Ein Kunde konnte also nur überlegen, kaufe ich den Rock oder doch lieber eine Hose. Besser ist es zwei Röcke anzubieten mit unterschiedlichem Design und Preis. Ein Kunde, der beides anprobiert kann immer noch nein sagen und eine Hose kaufen, aber aus Tests mit Versuchspersonen wissen wir, das die Kunden plötzlich anders vergleichen, wenn sie mindestens zwei Röcke probiert haben. Sie stellen sich dann seltener die Frage Rock oder Hose, sondern häufiger die Frage, ob sie diesen Rock oder den anderen kaufen. Das ist die Ankertechnik, die Starbucks geholfen hat seinen Kaffee deutlich teurer zu verkaufen. Die Leute haben nicht mit den Kaffeepreisen beim Bäcker nebenan verglichen, sondern mit den noch teureren Zubereitungen bei Starbucks. Und im Vergleich zu denen gab es eben auch preiswerte Kaffees bei Starbucks. Wenn ich ein bestimmtes Produkt verkaufen will, dann muss ich ein zweites Produkt anbieten, das vergleichbar aber deutlich teurer ist. Es geht darum das Vergleichen mit der Konkurrenz (oder in unserem Falle mit einer Hose) zu verhindern, indem ich einen anderen Vergleichsanker setze.