Autor Thema: Ein Plädoyer für Röcke als Zeichen von Freiheit und Gleichheit in der Mode  (Gelesen 8279 mal)

Offline Holger Haehle

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Das Lob an Mathias möchte ich unterstreichen. Als ich noch in Dtld. Manager war, habe ich mich immer betont konservativ angezogen, einfach aus Angst ums Geschäft. Ich wollte doch mit jedem klarkommen - gerade bei der Neukundenakquise. In die äußerliche Erscheinung wird sehr viel hineininterpretiert, meist aus dem sehr subjektiven Blickwinkel des eigenen Erfahrungshorizonts - und der ist nie vollständig und korrekt. Umso wichtiger ist es als Mensch und in Mathias Fall  als Chef fachlich zu überzeugen.

Ja, der Handel ist konservativ, ganz besonders in der Mode. Risiken einzugehen birgt immer auch die Gefahr zu scheitern und das bedeutet in der Wirtschaft, dass Geld verloren wird. Ein gutes Beispiel ist die dt. Automobilindustrie, die trotz fantastischer Gewinne das Risiko gescheut hat in die Entwicklung neuer Antriebssysteme zu investieren. Tesla ist ein Unternehmen mit einer Marktkaitalisierung größer als alle deutschen Herrsteller zusammen. Diesen Kuchen hätte man selber haben können, wenn man nur einen Teil der Gewinne nicht eingestrichen, sondern investiert hätte. Die Flexibilität, die Modernfashion von der Modebranche fordert, wird sich wahrscheinlich erst mit einem Generationenwechsel verbessern, der aber in den Führungsetagen erst in den nächsten 5-10 Jahren ansteht. Wir schwimmen aber mit unseren Röcken auf einer sehr breiten Welle, wenn wir die die ganze Antidiskrimminierungs-, LGBT- und Genderthematik mit einschließen. Die Entwicklung ist statistisch dynamisch und geht in eine exponentielle Phase über. Somit muss sie fast schon zwangsläufig in absehbarer Zeit den Tipping Point erreichen. Ich kann also auch hier zustimmen: Die Zeit ist wirklich reif.

Last but not least, jedes Handeln ist grundsätzlich eine Manipulation, weil Manipulation per se als Verhaltensänderung definiert ist. Jetzt mal ein Beispiel wie so etwas in der Mode funktioniert. H&M hat vor einigen Jahren einen Männerrock mit geringem Erfolg angeboten. Das ganze war nur ein Markttest, der aber auch noch schlecht vorbereitet war, allein schon, weil ich es nicht mitgekriegt habe. Da war nur eine kleine Werbekampagne vorweg und da waren keine Testimonials (Promies wie Brad Pitt oder Till Schweiger, die im Rock auftraten). Aber vor allem haben sie nur einen einzigen Rock angeboten. Ein Kunde konnte also nur überlegen, kaufe ich den Rock oder doch lieber eine Hose. Besser ist es zwei Röcke anzubieten mit unterschiedlichem Design und Preis. Ein Kunde, der beides anprobiert kann immer noch nein sagen und eine Hose kaufen, aber aus Tests mit Versuchspersonen wissen wir, das die Kunden plötzlich anders vergleichen, wenn sie mindestens zwei Röcke probiert haben. Sie stellen sich dann seltener die Frage Rock oder Hose, sondern häufiger die Frage, ob sie diesen Rock oder den anderen kaufen. Das ist die Ankertechnik, die Starbucks geholfen hat seinen Kaffee deutlich teurer zu verkaufen. Die Leute haben nicht mit den Kaffeepreisen beim Bäcker nebenan verglichen, sondern mit den noch teureren Zubereitungen bei Starbucks. Und im Vergleich zu denen gab es eben auch preiswerte Kaffees bei Starbucks. Wenn ich ein bestimmtes Produkt verkaufen will, dann muss ich ein zweites Produkt anbieten, das vergleichbar aber deutlich teurer ist. Es geht darum das Vergleichen mit der Konkurrenz (oder in unserem Falle mit einer Hose) zu verhindern, indem ich einen anderen Vergleichsanker setze.

Offline Modernfashion

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Ich kann die Argumentation von Holger zum Einreißen der Geschlechtergrenzen durch die Generation Z gut nachvollziehen. Ein ganz interessanter Presseartikel dazu im Stern, vom 23. August 2022, den ich aufgrund des thematischen Zusammenhangs hier und nicht bei Presseberichten posten möchte:
https://www.stern.de/gesellschaft/maenner-mit-perlenketten--reisst-der-neue-trend-geschlechtergrenzen-ein--32640748.html

Falls der Ort hier falsch ist, bitte verschieben durch die Mods.

Was den beschriebenen Hype um die Perlenkette betrifft, habe ich das letztes Jahr im Finale der Baseball World Series (Finale in der nordamerikanischen Profiliga Major League Baseball - MLB) verfolgt.
Der Outfielder der Atlanta Braves, Joc Pederson (aktuell bei den San Francisco Giants unter Vertrag), hat mit einer Perlenkette gespielt und die Fans der Braves sind bei den Heimspielen am Durchdrehen gewesen, wenn er zum Schlag (at bat) angetreten ist. Zahlreiche Fans, vor allem männlich, sind mit Perlenkette ins Stadion gegangen. Die Perlenkette hat Eingang in die Baseball Hall of Fame gefunden. Der Juwelier Arik, der die Perlenkette für Pederson angefertigt hat, kann sich vor Aufträgen für Perlenketten für männliche Kunden kaum noch retten.
Porträt zu Joc Pederson hier:
https://en.wikipedia.org/wiki/Joc_Pederson

Und die Geschichte von der Perlenkette an Joc Pederson hier:
https://www.si.com/mlb/2021/10/23/joc-pederson-pearls

Wenn ihr eine brauchbare deutsche Übersetzung wollt, empfehle ich https://www.deepl.com
Text dort einfach reinkopieren.

Offline Holger Haehle

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Schönes Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit wäre so etwas in einem Männersport unmöglich - aber jetzt tragen sogar Basketballer wie Russell Westbrock Rock. Und am häufigsten sieht man Röcke ausgerechnet im einst so machistischen Rap.

Dabei sollten wir nicht nur auf die gucken, die es tun, sondern auch auf die zunehmende Zahl von Menschen, die das in Ordnung findet und solche Entwicklungen zulässt oder gar unterstützt. Vor einiger Zeit gab es eine Grafik, die die Zustimmung für die Ehe für alle nach Parteipräferenz zeigte. Da konnte man sehen, dass deutlich mehr als 50% der Wählerklientel von CDU und CSU der Ehe für alle zustimmte. Das ist gerade für ein konservatives Lager ein gewaltiger Anstieg gegenüber den 90er Jahren. Es gibt also so etwas wie eine stille Sympathie, weil immer größere Bevölkerungsteile in einen Wertewandel eintreten. Das was die Zoomer gerade machen, ist von anderen Generationen vorbereitet worden und wird von diesen unterstützt. Der Trend hat ein Fundament. Die diesbezüglichen Entwicklungen in der Gen Z sind deshalb nicht mehr nur ein Trampelpfad.

Offline Modernfashion

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Die "stille Sympathie" vieler Menschen ist auch wichtig, vor allem wenn man Mut fassen möchte wie ich, bevor es zum ersten mal in ausgiebigem Maß "in die freie Wildbahn" mit Rock geht.



 

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