Hallo Matthias,
indem Du die wesentlichen Merkmale ausschließt, wie Unterschiede der Anatomie und Geschlechtsmerkmale, bleiben nur Unterschiede bei der Auswahl der Materialien, Farbe, Muster und Schnittführungen, wobei es ein Ergebnis der Sozialisation ist, welche Materialien, Farbe, Muster oder Schnittführungen Frauen oder Männern zugeordnet werden. Kleidung an sich ist geschlechtslos, aber nicht geschlechtsneutral, da sie je nach Kulturkreis und Mode eher Frauen oder Männern zugeordnet und für das jeweils andere Geschlecht damit tabuisiert wird. Kleidung hat kein Geschlecht, dient aber der Geschlechterkonstruktion.
Wenn heute in Deutschland der Rock als weibliche (im Sinne von für Frauen bestimmte) Kleidung angesehen wird, dann ist das Produkt einer gesellschaftlich, kulturellen Entwicklung. Das heute die Hose sowohl als männliche (im Sinn von für Männer bestimmte) als auch weiblich Kleidung verstanden wird, ist ebenso ein Ergebnis derartigen Entwicklung. Die Hose ist insofern ein interessantes Beispiel, als hier wieder nach Frauen- und Männerhosen unterschieden wird. Den Unterschied zwischen Hosen für Männer oder Frauen machen Material, Farbe, Muster und Schnitt. Sollte der Rock tatsächlich allgemein Einzug in die Herrenoberbekleidung nehmen, dann wird es Röcke für Frauen und Röcke für Männer geben. Die Geschlechtertrennung hat eine enorm wichtige gesellschaftliche Bedeutung, sonst würde sie nicht über Jahrtausende in allen Kulturen aufrecht erhalten. Die Gründe dafür haben sich für mich allerdings noch nicht erschlossen. Ich vermute es ist eine Nebeneffekt - Nur von was?
Du klammerst Kleidung aus, die nur von Frauen oder nur von Männer getragen wird (Funktionskleidung?). Frauen tragen BHs, Männer nicht. Männer tragen Unterhosen mit Eingriff, Frauen nicht. Man kann argumentieren, dass Männer keinen Busen haben, die Unterstützenden Funktion ihres Gewebes im Brustbereich nicht benötigen, und Frauen, weil sie keinen Penis habe, keinen Eingriff in der Unterhose benötigen. Es gibt nun aber auch Bustiers oder Slips mit Schlitz, welche die selben Körperregionen bekleiden und von Frauen und Männer gleichermaßen getragen werden können und ihre Funktion erfüllen. Wenn Frauen keine Unterhosen oder Slips mit Schlitz tragen und Männer keine Büstenhalter oder Bustiers, liegt es an der Tabuisierung, die das Tragen diser Bekleidung unterliegt. Ich will damit sagen, auch Büstenhalten und Unterhose mit Eingriff sind geschlechtslos, jedoch nicht geschlechtsneutral. Es besteht meiner Ansicht nach kein Grund, diese "Funktionskleidung" bei der Betrachtung auszuklammern.
Ein anderes Bespiel, wie sich die Geschlechtszuordnung eines Bekleidungsstücks verändert: Noch in den 1970-er Jahren wurden Wollstrumpfhosen für Männer in Versandhauskatalogen angeboten. Die Herrenstrumpfhosen unterschieden sich in Form, Farbe, Muster und Schnitt von den Damenstrumpfhosen. Herrenstrumpfhosen gab es im Gegensatz zu Damenstrumpfhosen auch mit Eingriff. Dann verschwanden die Herrenstrumpfhosen aus dem Angebot. Sie waren unmodern geworden, galten als altbacken. Nur wenige Jahrzehnte später sind die Leute, nicht nur die jüngeren, überrascht, wenn man ihnen sagt, dass Männer bis in die 1970-er Jahre Strumpfhosen trugen. Heute ist im kollektiven Bewusstsein die Strumpfhose weiblich. Heute, nach wenigen Jahrzenten, ist das tragen von Strumpfhose für den Mann tabuisiert. So schnell geht das.
Umgekehrt dürfte es nicht so schnell gehen. Seit den 1990-er Jahren gibt es Versuche von Modedesignern Männerröcke zu etablieren und mit dem Internet vernetzten sich Männer, die aus verschiedenstens Motiven zum Rock gefunden haben. Ich ermute es wird bis weit über 2040 hinaus dauern, bis sich die Männer den Herrenrock zurückerobert haben. Vorausgesetzt, dass Intersse daran hält überhaupt an. In Zeiten wirtschaftlicher Not können derartige Entwicklungen ein jähes Ende nehmen, weil Bekleidungsextravaganzen in der Bedarfshirachie an untergeordneter Stelle stehen.