Lieber Matthias,
meinst Du wirklich, die Männer "da draußen" verzichten aus rein ästhetischen Gründen auf das Röcketragen, während die Frauen aus rein ästhetischen Gründen Hosen tragen? Meinst Du wirklich, dass Fragen der geschlechtlich-sozialen Zuordnung und Rollenverteilung bzw. eben auch Fragen der Kritik daran keine Rolle spielen?
Hallo Micha,
nein, das meine ich gewiss nicht. Aber ich kann mich auch nicht daran erinnern, den Beitrag in einem solchen Tenor geschrieben zu haben.
Wie Hajo schrieb, ist es für die meisten Männer überhaupt jenseits aller Vorstellungskraft, mal einen Rock anzuziehen. In allererster Linie ist es doch so, dass der rocktragende Mann draußen eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und wenn einzelne Reaktionen in die Richtung liefen: "Schau mal, der trägt einen Rock, aber es sieht gar nicht mal schlecht aus.", dann wäre der erste Impuls damit gesetzt. Für die Setzung eines solchen Impulses sehe ich eine ästhetische Grundlage als Voraussetzung. Anstösse solcher Art kann man sicherlich nicht setzen, wenn man ein Kleid trägt, das wie ein Kartoffelsack wirkt. Nein, die Komposition muss stimmig sein.
Aufgrund eines solchen Impulses rückt bei vielen Männern überhaupt mal der Rock in deren Vorstellungsbereich. Die meisten werden es ablehnen, weil "man" es ja nicht macht. Bei einigen geht es aber weiter. Erst da sind die Momente, wo Angst vorm Rocktragen entsteht. Erst da fangen manch wenige Männer dann damit an, sich weitergehend damit zu beschäftigen. Dann kommen die Fragen nach unisex, nach Kategorisierung in Crossdresser, TransXXX, nach geschlechtsspezifischer Kleidung usw.
Und vielleicht gibt es auch ganz wenige, vielleicht nur einen einzigen Mann, der sich dadurch angesprochen fühlt, wenn er mein Outfit sieht, der dann selbst den Mut fasst, auch mal einen Rock zu tragen. Damit hätte ich eine ganze Menge erreicht.
Nein, ich meine nicht, dass die Männer aus ästhetischen Gründen aufs Rocktragen verzichten. Ganz anders: ich meine, ein ästhetische Erscheinungsbild kann überhaupt erstmal einen Impuls setzen. Und was kommt zuerst, Micha? Dass man jemanden sieht und einen ersten Eindruck gewinnt. Oder dass man mit jemandem über gender, Damenkleidung, unisex usw. diskutiert?
Gruß Matthias
Guten Morgen, Matthias!
Das Wort "Ästhetik" hat ja zwei (oder mehr Bedeutungen). Umgangssprachlich wird es oft mit "Schönheit" gleichgesetzt. Wissenschaftlich eher mit "Sinnlichkeit".
Ich hoffe ja auch, dass sich Männer durch den Anblick rocktragender Männer oder zumindest eines rocktragenden Mannes inspiriert fühlen, auch darüber nachzudenken, selber einen Rock zu tragen. Meine Erfahrung ist aber die, dass die Männer zu mir sagen, das sei mein Ding, sehe an mir gut aus, sie würden sich aber in einem Rock nicht wohl fühlen. Einen fragte ich mal, ob physisch oder psychisch. "Ist doch egal", war seine Antwort.
Meiner Einschätzung nach würden sich die meisten Männer psychisch nicht wohl fühlen in einem Rock, weil Röcke für sie Frauenkleidung sind und als Mann Frauenkleidung zu tragen würde für sie bedeuten, sich der Kritik anderer Männer auszusetzen, nicht mehr richtig männlich zu sein, die Manneswürde zu untergraben oder gar sexuell nicht normal zu sein; oder auch der Kritik von Frauen, in deren Augen ein "richtiger Mann" keine "Frauenkleidung" zu tragen hat.
Das heißt, sie respektieren das Rocktragen an mir oder anderen, aber haben Angst davor, dass andere Männer nicht so tolerant sind wie sie selbst und wollen sich dem nicht aussetzen. Da kann das so ästhetisch im Sinne von schön sein, wie es will.
Und doch mache ich es ja so wie Du: Ich gehe raus im Rock oder im Kleid unter die Menschen und dränge niemandem ein Gespräch darüber auf, bin aber offen für jedes Interesse, jede Frage, auch für jede Kritik.
Nur bzgl. Ästhetik im Sinne von Geschmack bin ich nicht so offen, seit dem mir z.B. meine Mutter sagte, zu Sandalen müsse man Socken tragen, meine Schwiegermutter, dass man Sandalen barfuß tragen müsse und ein Stilberater meinte, ein Herr von Welt besitze solches Schuhwerk nicht. Seit dieser Erfahrung denke ich: "Alles Geschmacksachte", sprach der Affe und biss in die Seife.
Ich sehe Menschen, deren Gewandung mit Rock oder Kleid mir gefallen. Das können Frauen sein oder auch Männer aus anderen Kulturen oder auch hier aus unserm Forum. Das inspiriert mich, beeinflusst mich, und ich merke, dass ich es dann manchmal ähnlich mache. Und ich sehe hier im Forum auch Gewandungen, die mir nicht gefallen, deren Träger ich das aber so nicht gerne sage, da ich nicht übergriffig sein will. Deswegen disktuiere ich nicht gerne über Stilfragen, sondern jeder soll tragen, was ihm gefällt und worin er sich wohlfühlt, ich kann mir meinen Teil denken, und gut ist.
Einmal wurde ein Teil meiner Gewandung hier kritisiert, und ich habe mich tatsäclich davon beeinflussen lassen und mit eine Umhängetasche gekauft. Das war auch gut so; vor allem aber, weil ich jetzt beim Kleid nicht mehr die Einschnürung durch die Gurttasche habe und so die Luft noch besser am Körper entlang streichen kann. Wichtig ist mir eben nicht nur das aussehen, sondern noch wichtiger ist mir das Tragegefühl.
So, jetzt nutzen wir die Sonne und machen einen Ausflug die Sieg hinauf und dann zu Fuß von Blankenberg nach Merten.
Ich natürlich im Rock, meine Frau natürlich in der Hose.
LG!
Micha