Demgegenüber muss ich Dir mit Deinem neuerlichen Bezug auf Bäume nahezu (scheinbar) zustimmen.
Etliche Aktionen / Reaktionen von Pflanzen lassen sich recht einfach und zuverlässig beschreiben.
Bei der Blüte z.B. ist es die Akkumulation von Faktoren einer gewissen Menge von Licht und einer gewissen Menge von Zeit über eine bestimmte Temperatur (z.B. 15 Grad). Eine erhöhte Menge Licht kann evt. eine zu geringe Menge Wärme ausgleichen und umgekehrt. Und manche brauchen erst mal eine gewisse Menge Kälte oder einfach Frost, um mit der Akkumulation anzufangen.
Das wird durch Bildung bestimmter Stoffe unter vorgenannten Bedingungen erreicht, wenn die Menge des Stoffs oder dessen Konzentration erreicht, öffnet sich die Blüte.
Darum funktionieren Barbarazweige auch so ziemlich zuverlässig.
Mit dem Austrieb der Blätter ist es ähnlich. Mit dem Blattabwerfen ähnlich. Mit dem Pflanzenwuchs ähnlich. Mit dem Drehen der Sonnenblumen auch.
Alles ziemlich einfache Ursache/Wirkung-Abfolge, die locker in einer Excel-Datei niedergeschrieben werden kann.
Ich sah neulich eine Doku (kann sein: Die Sprache der Bäume), in der das aber infrage gestellt wurde anhand einer einfachen Beobachtung: drei Bäume dicht beieinander am selben Standort in der Nähe des Heimatorts des Autors. Mit Sicherheit Trillinge, gleich alt, identische Bedingungen. Doch blühen sie unterschiedlich, kriegen zu unterschiedlicher Zeit Blätter, verfärben sich unterschiedlich. Also, so der Autor, trotz identischer Bedingungen haben die Bäume unterschiedliche Charaktere - vielleicht gar Persönlichkeiten.
Aber mit meinem durchaus hinterfragenden Blick ist mir das zuwenig Beweis. Trotz identischem Standort, haben die drei Bäume - neben durchaus vielleicht individuell unterschiedlichen Schwellenwerten -dennoch nicht die exakt identischen Bedingungen. Einer der drei steht vielleicht einen Hauch näher an der daneben verlaufenden Straße, auf der jener Autor täglich vorbeikommt. (Mit leicht unterschiedlichen Bedingungen: wärmer bei Sonne, trockener bei Trockenheit, nässer bei Feuchtigkeit, mehr reflektiertes Licht durch die Straßenoberfläche, mehr Streusalz im Winter, mehr Öl, mehr Gummiabrieb, ...) Ausserdem steht einer mehr in der Mitte. Einer steht mehr östlich, einer mehr südlich, einer mehr westlich als die anderen. Alles Bedingungen, die den identischen Standort doch mit unterschiedlichen Bedingungen belegen.
Doch diese Differenzierung liess der Autor aus. Und diese Kritik von mir spielt Deiner Auffassung, Bäume 'vegetierten" einfach vor sich hin nur noch mehr exzellent in Deine Karten.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass Bäume, Pflanzen überhaupt, mehr sind, als einfach nur Realität gewordene Excel-Dateien.
Aber ich schrieb auch in den letzten 2 Tagen, dass der Mensch vielleicht noch Jahrhunderte braucht, um auch Pflanzen solche Skills wie Bewusstsein zusprechen zu können.
Das ist natürlich dermassen weit weg von der menschlichen Erlebniswelt! Wie soll man sich da angemessen einfühlen können?
Immerhin versteht man allmählich immer mehr, dass Pflanzen mehr vermögen, als stumpf vor sich hin zu vegetieren.
Bäume stehen in Kommunikation mit anderen Lebewesen - vor allem auch in sozialen Beziehungen zu ihren eigenen Artgenosen. So warnen sie sich gegenseitig vor unterschiedliichem Fraßbefall, vor dem Borkenkäfer z.B. - durch Stoffaustausch im Boden oder via Pheromone in der Luft.
In Somaliland hatte die Entwicklungshilfe eine Baumart angepflanzt, um der Erosion an Hängen vorzubeugen. Diese Bäume breiten sich inzwischen überall dominant aus und verdrängen die andere spärliche Vegetation - überall, nicht nur an Hängen. Ein Problem für die Bauern: Sobald eine Ziege einen Baum anknabbert, wehrt der Baum sich, indem er unappetitlich bitter wird. Aber alle anderen Bäume im Umkreis werden sozial verbunden auch bitter!! Und da mit diesen Bäumen nichts anderes mehr wächst: ein Riesenproblem!
Bäume und andere Pflanzen sind mehr als nur vegetierender Stumpfsinn.
Aber da brauchen wir noch, bis wir das selbst pflanzlichen Lebewesen zugestehen können.