Moin zusammen!
Ich kann es sehr gut verstehen, wenn jemand, wie in der Thread-Überschrift formuliert, aufgrund eigener negativer Erfahrungen mit real existierender, ihm vorgeschriebener und aufgezwungener Religion, auch das aus den Angeln heben will, worauf sich diese Religionsaufzwinger berufen, z.B eben die Bibel oder den Koran oder was auch immer.
Aber auch dann sollte man sehen, dass es Gläubige gibt, die zu ihrem Gauben stehen, ihn aber niemandem aufzwingen wollen. Leute, die wie Hajo ein Liebesverhältnis zu der Quelle ihres Glaubens haben. Für den einen ist es die Bibel, für einen anderen von mir aus auch Grimms Märchen oder Rilkes Gedichte.
Man kann religionsneutral wissenschaftlich beschreiben, wie solche Schriften entstanden sind, welche Rezeptionsgeschichte sie haben, wozu sie alles benutzt wurden, wen sie zu was inspiriert haben usw. usf. Wenn man das neutral macht, dürfte es niemandem zu nahe gehen, aber durchaus jeden zum Nachdenken anregen. Der bisherige Tutor meines Grundkurses Religionswissenschaft, ein gläubiger Christ pfingstlerischer Konfession, trennt für sich den wissenschaftlichen vom gläubigen Zugang zur Bibel. Er meint, beide Zugänge gingen von unterschiedlichen Axiomen und Prämissen aus und benutzten so unterschiedliche Methoden und visierten vor allem auch unterschiedliche Ziele an. Da muss jeder so seinen Weg finden, aufkommende Widersprüche zu verarbeiten.
Wichtig für ein friedliches Miteinanderleben von Menschen mit verschiedenen Zugängen, Erfahrungen, Axiomen und so eben auch Glaubensinhalten ist meines Erachtens:
- seinen subjektiven Standpunkt vertreten, ohne die subjektiven Standpunkte anderer zu verurteilen
- wissenschaftliche Forschungen entweder religionsneutral betreiben oder das Interesse, aus dem heraus man sie betreibt, offen legen und transparent arbeiten
- als Gläubiger gerne vom eigenen Glauben reden, aber nicht meinen, man könnte aus der Perspektive des eigenen Glaubens über andere Glaubensinhalte und -zugänge ein treffendes Urteil fällen (ah, das ist ja nochmal der erste Punkt, nur anderes formuliert)
- im Dialog mit Andersgläubigen versuchen, diese und ihre Zugänge zu verstehen und was man nicht versteht, einfach mal stehen lassen.
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LG,
Micha