Die Kinder werden mich jedenfalls vermissen. Ich bin sehr beliebt und viele nennen mich ihren "Lieblingserzieher". Wenn ich morgens ankomme, stürmen die Kinder auf mich los, um mich zu umarmen. Die Kolleg*innen sagen, dass die Kinder einen wertvollen Erzieher verlieren werden. Ich glaube, da werden viele Kinder sehr traurig sein, aber auch viele Eltern, weil ich sehr geschätzt werde und denen auch vieles nicht passt, was die Problemfamilien machen. In den vergangenen Monaten haben auch einige Eltern ihre Kinder bei Kitas mit privatem Träger angemeldet, weil sie lieber Geld bezahlen, als weiterhin bei uns zu bleiben. Wir hatten sogar vier Familien, die diesen Stadtteil verlassen haben. Trotz Gentrifizierung ist das halt immer noch eine Art Ghetto.
Ich bin selbstbewusst und psychisch stabil, sodass mich das nicht umhauen wird, aber Silkman hat Recht, ich stehe kurz vor dem Burnout und muss die Reißleine ziehen, um mich selbst zu schützen. Zudem muss ich auch erstmal die Freude am Beruf wiederentdecken. Ich habe schon einige Einrichtungen herausgesucht, die in liberaleren Stadtteilen sind und deren Träger offen sind für Diversität. Zwar bin ich nicht queer, weil ich weder schwul noch trans bin, aber ich merke aufgrund meines Äußeren, wie queerfeindlich einige Menschen in unserer Gesellschaft noch sind. Ich will nicht wissen, wie eine Transfrau in meiner Kita behandelt werden würde, wenn bei mir schon ein Rock und Nagellack für Ressentiments ausreichen. Wir sind noch weit davon entfernt, dass LGBTQ gleichgestellt ist mit der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. Deswegen sei hier allen Forenmitgliedern gesagt, die gerne gegen LGBTQ und Gender wettern: Wer von euch glaubt, dass ihr als heterosexuelle Männer im Rock nichts damit zu tun habt, dann irrt ihr euch gewaltig! Queere Rechte und Genderrechte sind auch unsere Rechte!
Ich mache mir auch Sorgen um einen Jungen in meiner Gruppe. Er trägt gerne Elsa-Kleid und Glitzernagellack. Seine Eltern lieben mich und er erzählt Zuhause nur von mir. Hoffentlich wird er nicht so angefeindet wie ich. Ich bin ein selbstbewusster Erwachsener und kann damit umgehen, aber er ist noch ein kleiner Junge, den das nachhaltig negativ beeinträchtigen kann. Außerdem macht mir die lesbische Familie mit ihrer Tochter Sorgen, wie sie in Zukunft behandelt werden, wenn sie von der Krabbelstube in den Kindergarten rüberwechseln.