(Fett-Hervorhebung durch mich.)
Das, lieber Holger, liest sich für mich widersprüchlich. Kannst Du das klären?
LG, Micha
(Fett-Hervorhebung durch mich)
So widersprüchlich liest sich das fett hervorgehobene bei Holger gar nicht.
So wie ich das herauslese, siedelt Holger Homosexualität nicht in der Genetik, sondern in der Epigenetik an.
Bei dieser Darstellung steht er allerdings im Widerspruch zu Dir, da Du in Deinem Tatort-Beitrag vorhin genau das in der Genetik ansiedelst.
Wobei sich das dann bei Holger so liest, als ob die Epigenetik auch ein unwiderstehlicher Beitrag zur Lebensführung eines Lebewesens liefern würde.
Naja, er untermauert auch noch: "Dazu gehören die charakterlichen Grundzüge, sowie die sexuelle Orientierung. Deswegen helfen auch keine Therapien gegen das Schwulsein."
Da regen sich in mir Widersprüche. Denn es gab sehr wohl Therapien - oder Umerziehungsmassnahmen oder wie man das auch bezeichnen möchte -, die tatsächlich den gewünschten Erfolg erzielten. Ist so ähnlich wie die Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, die man auch erfolgreich austreiben kann. Hängt auch zusammen mit dem, was Du, Micha, in Deinem "Tatort-Beitrag" vorhin mehrfach anklingen hast lassen: Wie man es ausgestaltet, legt (zumindest nicht alleine) die Veranlagung fest.
Es hängt auch viel davon ab, ob man "sich beherrschen" kann. Oder beziehungsweise "beherrschen lässt" und dem von aussen angetragenen Wunsch sich unterordnen will. Und ob dabei tatsächlich jedem, der sich von solchen Maßnahmen einen Vorteil verspricht, dadurch geholfen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Für den "Therapierten" wird es zumeist auch nicht das erfreulichste Ergebnis sein.
Drum ist - übertragen betrachtet - ein Unterdrücken des Rocktragens der Familie / Frau zuliebe zwar ein Achtungserfolg der Familie / Frau. Dem so Unterdrückten aber tut das bestimmt meist nicht gut. Und ob dieses Unterdrücken wiederum der Familie / Frau guttut, bleibt weiterhin fraglich. Sich dem gewünschten Schein zu unterwerfen, ist langfristig für niemanden der Beteiligten ein Gewinn.
Und hier jetzt bei der Frage nach dem Schwulsein - oder Homosexualität generell - ist es jedenfalls für mich als Laien und nicht-direkt-Betroffener eigentlich ziemlich egal, ob die Neigung dazu nun durch die harten Vorgaben der Genetik oder durch die weichen Faktoren der Epigenetik transportiert wird. Oder durch Mutation derselben. Manche sprechen dann vielleicht auch von Gen-Defekt. Wenn es eine genetische, aber abweichende Weitergabe sein sollte, dann ist es zwar die Weitergabe nicht 1:1 von der Ursprungs-DNA oder Ursprungs-Epigenetik, das muss dann aber nicht unbedingt als ein "Defekt" oder "Fehler" gedeutet werden. Wer sagt denn, dass eine so entstandene Trisomie 21 nicht dennoch ein lebenswertes Leben hervorbringen könnte - oder darüber hinaus nicht auch eine vorteilhafte gesellschaftliche Funktion ausüben kann - genau wie Homosexualität. Wer kann sich mit welchem Recht anmaßen, das unfehlbar zu entscheiden? - Die Vererbung funktioniert nicht lückenlos 1:1 - ich habe eine Zahl von 0,03 Prozent "Ablesefehler" im Kopf. Und das nicht nur bei der Zeugung, sondern bei jeder Zellteilung. Aber das sind nicht nur Fehler, sondern auch Chancen, besser als zuvor zu funktionieren.
Oh, ich schweife ab. Mir persönlich ist es egal, ob Homosexualität durch die DNA, die Epigenetik, durch Umweltfaktoren, durch Erziehung, fördernde oder verhindernde Faktoren oder durch unbewusste oder bewusste Entscheidungen verursacht werden. Sie gibt es. Punkt.
Und so vieles andere auch.
Und für alle kurz nur noch mal zurück zu der Bedeutung der Epigenetik (diesmal aber vom 2. Level, nicht 3. Level der populärwissenschaftlichen Aufbereitung) :
"
Ein Beispiel für das epigenetische Gedächtnis ist jenes der schwangeren Holländerinnen aus dem Hungerwinter 1944/45. Dass die Frauen untergewichtige Babys zur Welt brachten, erscheint plausibel. Doch dann zeigte sich: Der Nachwuchs hatte überdurchschnittlich oft Depressionen, Übergewicht oder Schizophrenie. Erstaunlich früh bekamen die Kinder Alterskrankheiten wie Herzprobleme oder Diabetes.
Eine weitere Untersuchung belegte, dass die Söhne der "Hungerwinter-Mütter" vorwiegend übergewichtigen Nachwuchs hatten. Die Erfahrung dieser Mütter und dem daraus resultierenden Bestreben, einer Hungersnot mit dem Anlegen von Fett-Reserven vorzubeugen, wirkte sich also augenscheinlich bis in die übernächste Generation aus – und das, obwohl die Enkel doch in einer Zeit mit Nahrung im Überfluss und mit weniger Nöten gezeugt worden waren.
Die Erbsubstanz der Enkel enthielt also offenbar auch Informationen über die Lebensbedingungen der Großeltern."
Die
Quelle dieses Textes erwähnt allerdings im weiteren auch, dass diese "(über die DNA) darüber hinaus (gehende) Genetik" (Epigenetik) womöglich doch nicht vollkommen durch molekulare Vererbung transportiert wurde, sondern sich die Verhaltensmuster auch durchaus durch angelernte Mechanismen auf die nachfolgenden Generationen übertragen hat.
Timper hat im Generellen schon recht, dass das alles nicht so leicht sich voneinander trennen lässt, wie wir uns das offenbar oft wünschen.
Jedenfalls hat die menschlich hervorgebrachte Kultur auf unsere Lebensführung einen starken Einfluss, wie auch die durch Vererbung vorgefertigten Spielräume auf unsere Lebensführung starken Einfluss haben.
Ein einzelner Mensch kann keine Berge versetzen - es sei denn, er benutzt entsprechende Hilfsmittel. Und so ist alles, was uns in die Wiege gelegt wurde oder uns später antrainiert wurde, vielleicht eine Beschränkung, auf der anderen Seite aber auch eine neue Chance. Und vor allem mit der richtigen Portion Selbstbeherrschung können wir vieles Vorgegebenes auch erfüllen. - Doch wem nützt es? Wem nützt es wirklich?
Und so hätte ich den Bogen geschlagen zu dem Thema Rock am Mann. Lasst Euch nicht unterkriegen! Wem nützt es, dass Ihr auf Hosen verzichtet!?
Dumm nur, dass dieser Thread mehr zum Inhalt hat, warum es für uns in den alltäglichsten Situationen wichtig ist, zu wissen, ob wir es mit einem Mann oder einer Frau zu tun haben. Wie krieg ich dort den Bogen noch hin?
Hm: Ja, wir können uns auch antrainieren, dass uns das unwichtig erscheint. Es kann uns egal sein, ob unser Kunde Mann oder Frau ist. Aber wem nützt es?