Lieber Chris,
es könnte womöglich sein, dass der junge Mann eine Intention hatte. Manche Männer zeigen sich gerne gentleman-like, nicht weil sie Gentlemen sind, sondern weil sie eine Frau beeindrucken wollen. Sie täuschen Nettigkeiten vor, um die Frau zu manipulieren, um sie letztendlich ins Bett zu kriegen.
Ich vermute, dass er dich von hinten als eine sexy Frau wahrgenommen hat, was durch Minirock und Heels getriggert wurde. Als er dann realisierte, dass das Objekt seine Begierde ein Mann war, auf den er "unberechtigterweise" horny war, ist das ein Schutzreflex vor sich selbst, aber auch vor den Freunden, dass er nicht schwul ist. Die Geilheit schwankte dadurch schnell in Ekel und Wut um.
Das ist eine Erfahrung, die ich schon oft von Transfrauen oder Drag Queens gehört habe. Sie wurden hofiert und man flirtete heiß mit ihnen, solange man dachte, sie wären "echte" Frauen, aber sobald das aufflog, bekamen sie Aggression und Hass zu spüren, im schlimmsten Fall sogar Gewalterfahrungen.
Wärst du eine Frau gewesen, würde es mich nicht wundern, wenn du jetzt erzählt hättest, dass er dich auf chauvinistische Art angebaggert hätte. Dann wäre die Cappy für ihn ein guter Grund gewesen, um dich an zu flirten.
Was natürlich auch sein kann, dass er selber schwul ist und das verheimlicht. Schwule Männer mit Migrationshintergrund haben es oft noch schwerer, weil es in ihrem familiären Kreise kultur- und religionsbedingt nicht nur verpönt, sondern sogar als Sünde angesehen wird, wodurch die Ehre der Familie beschmutzt wird. Diese jungen Männer geben sich dann bewusst stereotyp männlich und spielen die Rolle des harten Kerles, um nicht "aufzufliegen". Sie beschimpfen Schwule, um von der eigenen Homosexualität abzulenken.
Schwule Männer haben mir schon erzählt, dass sie von Migranten beleidigt wurden und die im Nachhinein zu ihnen kamen, um Sex mit ihnen zu wollen. Natürlich wollten sie nicht, dass das dann die Freunde erfahren.
Solche (heimlich) schwulen Männer sind oft neidisch, weil andere das ausleben, was ihnen selbst verwehrt bleibt und entwickeln dadurch einen Hass, der aber ein nach außen projizierter Selbsthass ist. Bei vielen queerfeindlichen Straftaten hat sich im Nachhinein sogar herausgestellt, dass der Täter selbst (heimlich) queer war.
Mittlerweile machen mich solche Verhaltensweisen eher stutzig, weil solch aggressive Reaktionen einen tieferen Grund zu haben scheinen. Vielleicht war eines meiner Erklärungsversuche auch bei deiner Situation der Fall und trifft auf den jungen Südländer zu.