Hallo Skirt,
gerne beantworte ich Deine Frage:
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Zurück zu Deiner Frage Masin…
Worum geht es Dir ganz persönlich?
Bei meiner Frage war eigentlich die Verwunderung der Hintergrund, den in der deutschen Wikipedia frei verfügbaren Inhalt zum Thema 'Männerrock' auf einer russischen Seite gespiegelt zu sehen. Ich bin generell skeptisch, was das Spiegeln von Wikipedia-Inhalten angeht --hat sowas Parasitäres: keine eigenen Inhalte, also nimmt man frei verfügbare--, aber bei russischen Seiten bin ich doppelt skeptisch. Dass dann dieser Spiegel verlinkt wurde anstelle des Originals, hat mich eben verwundert.
Sollte Deine Frage auf meine Motivation nach unkonventioneller Mode abzielen, so habe ich das hier schon an verschiedenen Stellen erwähnt. Zusammenfassen lässt es sich mit Emanzipation im ursprünglichsten Sinne: Freiheit von Fremdbestimmung, solange niemand anderes Schaden nimmt. Modisch lässt sich das verstehen, dass es nicht angehen kann, als Mann Dinge untersagt oder missbilligt zu bekommen, die bei einer Frau keine Probleme darstellen. Ich orientiere mich dabei also weiterhin an der allgemein akzeptierten Moral: Nackt umherzulaufen, tut zwar auch niemandem weh, gilt aber als moralisch zumindest fragwürdig -- und Frauen tun es ja auch nicht, wenn auch manches mal nicht sonderlich viel fehlt ;-). Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechtes mit annähernd derselben Statur auch dieselben Sachen tragen können sollten. Brüste und Penis sollten da kein Hinderungsgrund sein, sind sie aber oftmals.
Ich bin Ästhet, erwarte also, dass nicht einfach alles munter angezogen wird, sondern in einen ansehnlichen Kontext gebracht wird. Spitze und wild wuchernder Vollbart passen in meinen Augen nicht sonderlich zusammen. Genauso albern finde ich zarte Mädchen in Flecktarnsachen oder mit Holzfällerhemden. Es mag passende Zusammenstellungen geben, dafür braucht es aber eine geschickte Hand oder sehr viel Glück. Männern, so muss man leider feststellen, mangelt es oft an der notwendigen Erfahrung, was nicht verwundert: Während der Pubertät blättern die Mädels in ihren Mode- und Pop-Zeitschriften und lassen sich davon inspirieren, und die Jungens treiben Sport oder zocken Videospiele. Dabei versuchen die Jungens immer möglichst cool, hart, 'männlich' rüberzukommen und ihre Geschlechtsgenossen schlecht aussehen zu lassen.
Wenn ich mir die Männer auf der Straße anschaue, dann wählen sie immer so einen furchtbaren praktischen und unaufwendigen Stil: Kurzhaarschnitt (oftmals bis auf die Kopfhaut), robuste und charakterlose Kleidung. Das gilt dann als 'männlich'. Da ist kein Anspruch mehr hinter, außer möglichst 'unweiblich' daherzukommen: Nur nicht den Eindruck erwecken, man sei an seinem Äußeren und dessen Verbesserung interessiert oder man würde sich 'schmücken' wollen ('schmücken' ist hierbei im weitesten Sinne gemeint: Sich mit schönen und aufmerksamkeitsweckenden, ansonsten aber wohl funktionsfreien Dingen auszustatten. Dafür ist es aber notwendig, eine Vorstellung vom Konzept 'Schönheit' entwickelt zu haben, was den meisten Männern komplett abgeht).
Generell stelle ich die vorherrschende Vorstellung der Konzepte 'männlich' und 'weiblich' infrage, die eigentlich nur Ersatzbegriffe für die tatsächlich zugrundeliegenden Attribute sind:
- verletzlich (den Körper präsentierend)
- und geschützt (die Körperform verhüllend),
- sowie aristokratisch (sich selbst als etwas Bewundernswertes auffassend und darstellend),
- bürgerlich (Demut, Bescheidenheit und Fleiß darstellend)
- und proletarisch/bäuerlich (sich auf Funktionalität (auch die des Körpers) beschränkend)
Will eine Frau als 'weiblich' wahrgenommen werden, so wird sie darauf achten, immer ein wenig verletzlicher (kürzere Ärmel, mehr Bein, tieferer Ausschnitt) und aristokratischer (Kosmetika, Schmuck, Frisur) zu wirken als die Männer in ihrem Umfeld. Will ein Mann als 'männlich' wahrgenommen werden, so wird er immer geschützter (zugeknöpfter) und bürgerlicher (schlichter) oder proletarischer (funktionaler) wirken wollen als die Frauen in der Umgebung. Erkennbar, dass ich mit meiner Hypothese näher dran bin an der Wirklichkeit als die 'männlich'-'weiblich'-Achse, ist es daran, dass sich im Showbusiness auch heute noch die männlichen Vertreter aristokratischer Mittel und Stile bedienen können, ohne dass sie Kritik erregen. Im Showbusiness geht es um Aufmerksamkeit -- mit einer der Gründe, warum Schauspieler und Gaukler früher am Hofe zwar als Dienstleister willkommen, als Menschen aber abgelehnt wurden: Sie maßten sich Dinge an, die ihrem Stand nicht entsprachen, eben Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was ein Privileg des Adels war.
Man kann jetzt noch drüber nachdenken, wie denn die Verbindung zwischen der christlichen Marienverehrung und der allgemein verankerten Frauenbewunderung ist, die nämlich die Eroberung der aristokratischen Stilmittel seitens der Frauen erklären kann. Auch der pietistische Exportschlager des demütigen Fleißes spiegelt sich in der konventionellen Männerkleidung wider, ebenso die funktionale Arbeitskleidung der industriellen Lohnsklaven. Aber jetzt ist erstmal genug geschrieben.
LG
Masin