Autor Thema: Der Sommerferienlesetipp für Rocker  (Gelesen 4313 mal)

Offline Holger Haehle

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Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« am: 26.06.2017 13:02 »
Sommerferien sind ein guter Grund vielen Freuden nachzugehen. Ganz oben steht für einen Rocker natürlich die erste Dr. Heizer Regel: Rock an und an die frische Luft. Wenn man dann an der frischen Luft ist, ob unter Palmen auf Mallorca, zwischen Dünen auf Sylt, oder an irgendeinem anderen sommerlauschigen Plätzchen, dann ist Lesen sehr willkommen.

Mein Tipp für diesen Sommer: „Sapiens – Eine kurze Geschichte der Menschheit“, von Yuval Noah Harari. Das Buch ist mittlerweile ein weltweiter Bestseller geworden, weil es die Menscheitsgeschichte kausal mit viel Biologie und Psychologie bis in unseren Alltag hinein erzählt. Endlich versteht man, warum sich unsere Geschichte so und nicht anders entwickelt hat. Unser Denken, unser Empfinden, unser Glaube und unsere Hoffnungen sind das Ergebnis von prägenden Einflüssen die teilweise sehr weit zurückreichen. Wir erfahren von Neandertalergenen in unserem Erbgut, warum die Entstehung von Weltreichen anfangs nur mit Religion und später mit Ideologie funktionierte und warum die Geschwindigkeit der Entwicklung unserer geistigen Fähigkeiten die biologische Evolution soweit überholt hat, dass sie den Lebensraum Erde zu zerstören drohen.

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So ganz nebenbei erklärt das Buch viele Zusammenhänge zu Themen, über die hier im Forum immer wieder gestritten wird. Es geht um den Unterschied von biologischem und kulturellem Geschlecht, um die Funktion von Macht im Patriarchat und Matriarchat für die Hierarchie der Geschlechter, um die Ästhetik der Mode für die Festschreibung von Geschlechterrollen usw. (siehe Fotobeispiel)

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Interessant sind auch die Ausführungen zur Konfliktentstehung, weil man das auch im Forum wiederfinden kann, wenn die Beteiligten und Streithähne mehr zu wissen glauben als ihre beschränkten und subjektiven eigenen Erfahrungen hergeben. Hierzu gibt es im Forum zahlreiche Beispiele. Wie oft wurde im Forum über den effeminierten barocken Adel gestritten. Nur, war der nicht verweiblicht. Wir empfinden das so aus der Perspektive unserer Prägungen des 21. Jahrhunderts, ohne uns mit den Prägungen des 17./18. Jahrhunderts vertraut zu machen. Der Autor, der viele Quellen studiert hat, stellt fest: auch Ludwig XIV. war keineswegs ein weiblicher Mann, sondern ein brutaler Supermacho und Sexist. High Heels, Pettycoat Breeches, kurze Röcke und Seidenstrümpfe unterstrichen männliche Standesprivilegien. Sie waren keine Zeichen von Weiblichkeit. Das änderte sich erst nach der Franz. Revolution. Diese Veränderungen sind weiterhin strukturell in den westlichen Gesellschaften verankert. Sie bestimmen unsere aktuellen Konventionen. Und deshalb entsteht der falsche Blick auf eine Zeit vor unserer Zeit.

Schön, wenn man mit Quellen belegt Gewissheit bekommt und sich weiteres Streiten erledigt. Lesen weitet unseren Horizont und hilft so die eigenen Vorurteile aus der Welt zuschaffen.





Offline MAS

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #1 am: 26.06.2017 15:43 »
Wobei aber auch der Autor ein Kind unserer Zeit ist und seine Art der Geschichtsbetrachtung die folge eine zeittypischen Prägung ist. Das versteht man, wenn man Bücher zur Geschichte der Geschichtswissenschaft liest. Die sind natürlich auch wieder von Autoren geschrieben, die Kinder ihrer jeweiligen Zeit sind, usw. usf.

LG, Micha
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Offline Holger Haehle

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #2 am: 26.06.2017 16:31 »
Lieber Micha,

ein Autor kann maximal auf der Höhe seiner Zeit sein. Je größer die Zahl der Generationen ist, auf die er zurückblicken kann, um sie mit seiner Generation abzugleichen, desto umfassender ist die Qualität der Gesamtaufnahme. Da dieser Autor keine eigenen Untersuchungen, sondern eine Metaanalyse präsentiert, die Quellen unterschiedlichster Art und Alters einbindet, erhalten wir das bestmögliche Ergebnis, das diese Fachwissenschaft heute leisten kann. Und das ist weit mehr, als uns die Geschichtsbücher in der Schule gelehrt haben.  Da die meisten von uns schon seit Jahrzehnten der Schule entwachsen sind, wäre ein Update für die meisten von uns enorm wissenserweiternd. Aber sicher werden nachfolgende Generationen noch mehr wissen, um eine noch genauere Analyse anzubieten. Willst du darauf warten, denn die übernächste Generation wird noch schlauer sein?

Offline Luan

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #3 am: 26.06.2017 16:52 »
Ich habe in meinen Urlaub zwei Bücher des derzeitigen Mainzer Stadtschreibers Abbas Khider gelesen. Ich hatte den Autor kürzlich bei "seiner Antrittsvorlesung" als Mainzer Stadtschreiber im Gutenberg Museum kennen gelernt.

Der Autor stammt aus dem Iran und lebt mittlerweile in Berlin. Er hat den Literaturpreis der Stadt Mainz (Stadtschreiber 2017) gewonnen. In seinen Büchern beschreibt er sein Leben im Iran und die Wirren/Stationen seiner Flucht nach Deutschland.

Die Bücher sind zwar irgendwie "beklemmend", aber da ich den Autor bei der Lesung als sehr lebensfroh erlebt habe, ahnte ich, was mich den Büchern erwarten würde.
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Offline MAS

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #4 am: 26.06.2017 17:47 »
Lieber Micha,

ein Autor kann maximal auf der Höhe seiner Zeit sein. Je größer die Zahl der Generationen ist, auf die er zurückblicken kann, um sie mit seiner Generation abzugleichen, desto umfassender ist die Qualität der Gesamtaufnahme. Da dieser Autor keine eigenen Untersuchungen, sondern eine Metaanalyse präsentiert, die Quellen unterschiedlichster Art und Alters einbindet, erhalten wir das bestmögliche Ergebnis, das diese Fachwissenschaft heute leisten kann. Und das ist weit mehr, als uns die Geschichtsbücher in der Schule gelehrt haben.  Da die meisten von uns schon seit Jahrzehnten der Schule entwachsen sind, wäre ein Update für die meisten von uns enorm wissenserweiternd. Aber sicher werden nachfolgende Generationen noch mehr wissen, um eine noch genauere Analyse anzubieten. Willst du darauf warten, denn die übernächste Generation wird noch schlauer sein?

Lieber Holger,

ich will die Qualität nicht gering reden. Aber ganz so einfach ist es nicht. Auch in den Wissenschaften gibt es Moden. Will ein Wissenschaftler Karriere machen, muss er sich diesen entweder anpassen oder es sehr gut verstehen, Alternativen zu verkaufen. So enthält eine Metastudie aus unserm Jahrzehnt nocht nur 100 Jahre mehr Forschung und Wissen als eine von vor 100 Jahren, sondern auch die Auswahl dessen, was als Berichtenswert erachtet wird, hat sich geändert.  So war für die Historiker vor 100 Jahren der Inhalt einer Abfallgrube uninteressant, denn sie waren daran interessiert, die Taten "großer Männer" (und ab und zu Frauen) zu erforschen und nicht das Alltagsleben der "kleinen Leute". Heute sieht man Geschichte weniger als Ergebnis großer Taten Einzelner, denn als Ergebnis wirtschaftlicher Strukturen usw. Neu hinzu kommt jetzt die biologische Gen-Forschung, die wieder andere Perspektiven aufwirft. Das Problem ist aber, dass kein Forscher, auch kein Meta-Forscher, alle Perspektiven gleichermaßen im Blick haben kann. Ältere Wissenschafts-Moden geraten so ins Hintertrteffen und was sie an guten Ergebnissen ervorgebracht haben, wird gering geachtet. Dabei ergänzen sie sich meines Erachtens am besten.

Aber ich möchte Deinen Literaturtipp nicht herunterreden. Ich hatte das Buch mal in Händen und es mir vorgenommen zu kaufen, nachdem ich die Ausstellung dazu gesehen habe. Sicher werde ich es noch tun, zumal ich vorhabe, so etwas mal für die Menschheitsrelgionsgeschichte zu schreiben. Na ja, ich möchte nicht über ungelegte Eier reden. Wenn ich mal groß bin ...  ;)

LG, Micha

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #5 am: 26.06.2017 17:53 »
Ich habe in meinen Urlaub zwei Bücher des derzeitigen Mainzer Stadtschreibers Abbas Khider gelesen. Ich hatte den Autor kürzlich bei "seiner Antrittsvorlesung" als Mainzer Stadtschreiber im Gutenberg Museum kennen gelernt.

Der Autor stammt aus dem Iran und lebt mittlerweile in Berlin. Er hat den Literaturpreis der Stadt Mainz (Stadtschreiber 2017) gewonnen. In seinen Büchern beschreibt er sein Leben im Iran und die Wirren/Stationen seiner Flucht nach Deutschland.

Die Bücher sind zwar irgendwie "beklemmend", aber da ich den Autor bei der Lesung als sehr lebensfroh erlebt habe, ahnte ich, was mich den Büchern erwarten würde.

Lieber Luan,

vor zwei Jahren habe ich mal fünf Bücher über iranische Zeitgeschichte gelesen, teils von iranischen, teils von deutschen Autoren. Ja, die waren auch beklemmend, aber führten einem gut vor Augen, wie "die Iraner" so ticken, wie ihre antiwestliche Haltung entstand, wie es zur Islamischen Revolution kam, und welchen Terror diese wieder hervorbrachte, wie demokratsche Kräfte heute um Reform und Fortschritt ringen usw.

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #6 am: 27.06.2017 17:50 »
Lieber Micha,

alte Moden verlieren ihren Erkenntniswert nicht durch neue Ergebnisse. So vernachlässigt die Physik nicht Isaak Newton, weil Einstein und Konsorten uns ein weitergehenderes Weltbild vermitteln können.  Das neue baut auf dem alten. So wächst der Wissensberg.  Homosexualität und Umweltprobleme wurden von früheren Forschergenerationen ignoriert. Ich sehe es als Bereicherung, wenn das kulturhistorische Spektrum an Weite gewinnt und Yoval Noah Harari Fragen beantwortet, die der Mensch des 21. Jahrhunderts nun mal hat.

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Re: Der Sommerferienlesetipp für Rocker
« Antwort #7 am: 27.06.2017 22:04 »
Lieber Micha,

alte Moden verlieren ihren Erkenntniswert nicht durch neue Ergebnisse. So vernachlässigt die Physik nicht Isaak Newton, weil Einstein und Konsorten uns ein weitergehenderes Weltbild vermitteln können.  Das neue baut auf dem alten. So wächst der Wissensberg.  Homosexualität und Umweltprobleme wurden von früheren Forschergenerationen ignoriert. Ich sehe es als Bereicherung, wenn das kulturhistorische Spektrum an Weite gewinnt und Yoval Noah Harari Fragen beantwortet, die der Mensch des 21. Jahrhunderts nun mal hat.

Dann sind die Physiker vielleicht klüger als die Historiker, lieber Holger. Was ich so von Historikern höre, werden Vertreter anderer Moden einfach verschwiegen.

Ich sehe es auch als Bereicherung.

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