Autor Thema: Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!  (Gelesen 2472 mal)

Offline Skirtedman

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Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« am: 27.02.2024 08:50 »
Hallo, ich bin auch etwas gestoßen, das mir bisher völlig fremd war:

EURYTHMIE

Vom Wort her war mir das schon bekannt. "Tanze Deinen Namen!", ist ja ein berühmtes Sprachbild, was in manchen Kreisen durchaus für Belustigung sorgen kann und oft in einem eher abfälligen Zusammenhang für Waldorf-Schulen verwendet wird.

Wer mehr über Eurythmie erfahren will, sei Wikipedia empfohlen. Was man dort aber nicht erfährt, dafür hier nun in meinem Beitrag,
dass im Zusammenhang mit Eurythmie es nicht unüblich ist, dass Jungs und Mädchen gleichermaßen in oftmals identischen Kleidern gehüllt sind. Oder auch Männer.

Eines gleich vorweg: Oft tragen die Kleidträger noch eine Hose drunter, bzw. die Kleider verkümmern zu unförmigen Kitteln und werden nur noch symbolisch über Alltagskleidern getragen. Hier zunächst solche Beispiele:

Walldorfschule Elmshorn
Eurythmie in ägyptischer Oase
Eurythmie im Kindergarten
Walldorfschule Heidelberg

Doch es gibt ganz viele Beispiele, wo Jungs bzw. Männer dieselben oder fast dieselben Kleider und Übergewänder tragen wie Mädchen und Frauen.
Da sieht man manchmal, dass statt einem Eurythmiekleid dann weite Hosen aus demselben Stoff getragen werden, oft ist es sogar gemischt, der eine Hosen, der andere Kleid. Und oft sieht man eindeutig, dass das Kleid dann auch ohne die identitätsstiftende Hose untendrunter getragen wird, also das Kleid tatsächlich als Kleid im reinen Sinne des Begriffes. Es folgen jetzt etliche Links hierzu:

(die Google-Links darunter dienen hauptsächlich für den visuellen Überblick auch der weiteren angezeigten Bilder, nicht unbedingt, um durch Anklicken das dort zwingend weiter zu vertiefen - ihr werdet sehen, was ich meine)

Waldorfschule Chiemgau
12. Klasse Kleinmachnow
Walldorfschule in den Mainauen
Innpuls
Rudolf-Steiner-Schule Bochum
Eurythmie-Diplom für Erwachsene, Berlin - Bild groß
Eurythmie-Ensemble Stuttgart
Eurythmeum Stuttgart

Eurythmie ist übrigens ein ganz normales Schulfach an Waldorfschulen, mit wohl zumeist 2 Wochenstunden.

Und Videos habe ich auch für einen erweiterten Eindruck gefunden:
12. Klasse Kleinmachnow
Abschluss Bachelor-Studiengang Eurythmie NRW
Abschluss Eurythmeum Schweiz (Basel-Land)
(und von da Bild mit interessanten weissen Kleidern, bzw. Webseite mit weiteren Bildern)
(dort ist am 22. März 2024 Trimester-Abschluss mit den Studierenden - wohl eine öffentliche Veranstaltung)

Also anhand der Beschriftung zu den Links seht Ihr, dass man das auch studieren kann.
Man studiert also etwas, was einem ganz regulär zum Tragen von Kleidern befähigt.

Und zum Abschluß noch einen Einblick in die Bezugsquellen von Eurythmiekleidern bzw. -kitteln:
Mühltal im hessischen Odenwald
Eurythmiekleider für Kinder aus Landsberg am Lech
Bestellformular für Dein persönlich angepasstes Eurythmiekleid aus Berlin

Offline JJSW

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #1 am: 27.02.2024 09:16 »
Ja, ist mir auch ziemlich fremd.
Immerhin gibts Bunte Kittelkleider.
Die weißen Kleider sind auch ganz ok.

Die Links guck ich mir am Abend mal an.

Aber die im unterm Link zu findemden Video gezeigten Tanzkleider gefallen mir noch besser 😊

https://www.rockmode.de/index.php?topic=7850.0

Grüßle
Jürgen
Laßt Euch nicht von Zweifeln plagen
und genießt das Röcketragen

Offline cephalus

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #2 am: 27.02.2024 09:38 »
Was es alles gibt.  ::)
Offensichtlich scheint der Wille zum reinen Kleid mit steigender Ambition und Professionalität zu steigen.

Offline Holger Haehle

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #3 am: 27.02.2024 12:51 »
Mich erinnern die Kleider sehr an Smocks, die vielerorts bis in die 50er Jahre, in katholischen Internaten sogar bis in die 60er Jahre, verbreitet waren. Das waren Überkleider, die Kinder über der normalen Kleidung  zu deren Schutz trugen. Vom Schnitt und Design her entsprachen diese Smocks, die im Deutschen auch Kittel oder Hemdkittel genannt wurden, der zeitgenössischen weiblichen Kleidermode.

Das erste Foto zeigt ein Beispiel einer US-amerikanischen Siedlerfamilie, deren Sohn und Töchter bei der Arbeit auf einer Farm alle den gleichen Smock über der eigentlichen Kleidung tragen. Das zweite Foto zeigt eine Schulklasse, wahrscheinlich aus dem französisch besetzten Algerien.

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Offline Skirtedman

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #4 am: 27.02.2024 14:33 »
Das erinnert mich aber mehr an das, was ich heute vom Schuljungen in Süditalien geschrieben habe:
https://www.rockmode.de/index.php?topic=2304.msg188985#msg188985
(zum Rocktragen im Ausland)

Die Eurythmiekittel haben eher was mit dem Hessenkittel zu tun.
Und die Eurythmiekleider für Männlein wie Weiblein erinnern mich eher an schlichte mittelalterliche Burgfräuleinkleider aus feinem Material.

Edit: P.S.: diese Smocks mit mehr oder weniger Alltagskleidern drunter kenne ich aus eigener Anschauung noch aus Ende 80er/Anfang 90er in Frankreich in den Städten, und zumindest vor knapp 20 Jahren noch vereinzelt im ländlichen Raum in Italien. In Frankreich waren die schwarz für die Jungs und dunkelblau für die Mädels; in Italien kenne ich sie entweder in Schwarz oder in einem Crèmeweiss für beiderlei Menschenkategorien einheitlich.

Offline Holger Haehle

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #5 am: 27.02.2024 15:31 »
Wenn du schon Italien ansprichst. Diese beiden Bilder sind von italienischen Dorfschulen aus den 50er Jahren.
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Und das ist aus einem franz. Katalog. Offiziell wurden Smocks in Frankreich in den 60er jahren gegen den Widerstand vieler Eltern abgeschafft.
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Online MAS

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #6 am: 27.02.2024 16:28 »
"Eurythmie" war mir schon ein Begriff, ohne mich näher damit befasst zu haben. Mir Kleidern hatte ich es aber nicht in Verbindung gebracht.

Aber die Bilder gefallen mir!

LG, Micha
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Offline Albis

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #7 am: 27.02.2024 22:14 »
Ich lese zum ersten Mal von Eurythmie. Wenn ich ehrlich bin, kann ich nach dem Lesen des Wikipedia-Artikels damit nichts anfangen. Bzw. ich suche immer noch nachdem tieferen Sinn, den die Eurythmie in meinen Augen ja haben müsste, wenn sie von Klasse 1 bis 12 unterrichtet wird. Wenn es nur eine Kunstform ist, sehe ich keinen Unterschied zu anderen Tänzen oder Ballett. Offensichtlich bin ich ein Kulturbanause. Aber wenn alle, die sich damit beschäftigen, glücklich sind, mögen sie weitermachen.

Dass die Tänzer dabei Kleider tragen, ist natürlich ein sehr positiver Nebeneffekt.  :)

LG, Albis

Offline chris-s

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #8 am: 01.03.2024 17:10 »
Also –als ehemaliger Waldorfschüler mit Eurythmie-Erfahrung will ich ein wenig zur Allgemeinbildung hier und heute beitragen:  ;D

Eurythmie ist – wie vieles in der Anthroposophie – von der Jugendbewegung und dem Jugendstil am Anfang des 20. Jhds. inspiriert. Rudolf Steiner hat dem Ganzen mit einer esoterischen Weltanschauung noch einen Rahmen gegeben.

Es gibt auch eine besondere Art zu sprechen, die sog. Sprachgestaltung, die sehr getragen und betont Texte, v.a. Gedichte intoniert. Entstanden einst im Wiener Burgtheater, aber bald wieder fallen gelassen. (Die sprechen da heute wieder ganz normal)  ;) Von Steiner, der ja Österreicher war, aufgegriffen und zu einer Kunstform entwickelt.

Eurythmie ist eine vom Tanz / Ballett inspirierte Bewegungskunst

In der Waldorfschule ist es normales Schulfach. Allerdings werden die Eurythmie-Kleider nicht während des Eurythmie-Unterrichts, sondern nur bei öffentlichen Aufführungen getragen. In jeder Waldorfschule gibt es mehrmals im Jahr sog. Monatsfeiern, bei denen von den einzelnen Klassen Themen aus dem gesamten Unterricht (u.a. Eurythmie) dargestellt werden. Von den oberen Klassen werden dann auch mal Eurythmie-Kleider getragen. In den unteren Klassen ist dies nicht üblich.

Zur Jugendbewegung am Anfang des 20. Jhds. gibt es u.a. diese Bücher:

https://www.amazon.de/gp/product/B071R9P39W/ref=kinw_myk_ro_title
https://www.amazon.de/gp/product/B0779LVHJV/ref=kinw_myk_ro_title

Offline Zwurg

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #9 am: 01.03.2024 17:57 »
Ich arbeite in einer Anthroposophischen Einrichtung. Für unsere Betreuten gibt es auch ein Eurythmie Angebot.
Also nach der Philosophie von Rudolf Steiner.
Von Kleidern dabei habe ich noch nie etwas mitbekommen.

Soweit ich weiß ist es oft ein Morgentanz, bevor die Bewohner in ihre Werkstätten gehen.

Da ich mich mit den eher weltlichen Dingen in der technischen Verwaltung beschäftigte, bekomme ich von den anthroposophischenDingen eher wenig mit.
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Offline Zwurg

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #10 am: 01.03.2024 18:17 »
in 3 Jahren die ich dort arbeite habe ich noch nie getanzt, obwohl Tanz zu Weihnachtsfeiern usw. offenbar die Regel.

Allerdings hat mir die Musiktherapeutin angeboten, mir Gitarre beizubringen und ich gehe wenn sie eine Stunde  für mich frei hat.
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Online MAS

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #11 am: 01.03.2024 23:16 »
Also –als ehemaliger Waldorfschüler mit Eurythmie-Erfahrung will ich ein wenig zur Allgemeinbildung hier und heute beitragen:  ;D

Eurythmie ist – wie vieles in der Anthroposophie – von der Jugendbewegung und dem Jugendstil am Anfang des 20. Jhds. inspiriert. Rudolf Steiner hat dem Ganzen mit einer esoterischen Weltanschauung noch einen Rahmen gegeben.

Es gibt auch eine besondere Art zu sprechen, die sog. Sprachgestaltung, die sehr getragen und betont Texte, v.a. Gedichte intoniert. Entstanden einst im Wiener Burgtheater, aber bald wieder fallen gelassen. (Die sprechen da heute wieder ganz normal)  ;) Von Steiner, der ja Österreicher war, aufgegriffen und zu einer Kunstform entwickelt.

Eurythmie ist eine vom Tanz / Ballett inspirierte Bewegungskunst

In der Waldorfschule ist es normales Schulfach. Allerdings werden die Eurythmie-Kleider nicht während des Eurythmie-Unterrichts, sondern nur bei öffentlichen Aufführungen getragen. In jeder Waldorfschule gibt es mehrmals im Jahr sog. Monatsfeiern, bei denen von den einzelnen Klassen Themen aus dem gesamten Unterricht (u.a. Eurythmie) dargestellt werden. Von den oberen Klassen werden dann auch mal Eurythmie-Kleider getragen. In den unteren Klassen ist dies nicht üblich.

Zur Jugendbewegung am Anfang des 20. Jhds. gibt es u.a. diese Bücher:

https://www.amazon.de/gp/product/B071R9P39W/ref=kinw_myk_ro_title
https://www.amazon.de/gp/product/B0779LVHJV/ref=kinw_myk_ro_title

Danke, lieber Chris. Das ist schon faszinierend zu sehen, wie damals experimentiert wurde. Es ging m.W. im I. Wk. unter. In der Weimarer Republik lebte es teilweise wieder auf, um im III. Reich teils instrumentalisiert und gleichgeschaltet, teils verboten zu werden. Dann ging es erst ab den 1970ern wieder weiter. So ungefähr zumindest.

Hermann Hesse stand der Bewegung übrigens nahe, hat darüber aber auch ironische Geschichten geschrieben.

LG, Micha
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Offline Skirtedman

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #12 am: 04.03.2024 15:20 »
Danke, Chris-s und Zwurg,

für diese Einblicke. Ich hatte schon gedacht, dass wir auch in unseren Reihen Menschen haben mit anthroposophischer Erfahrung.

Seltsamerweise hat eine Freundin, die mit den höchsten Kreisen der Waldorfschulen zusammenarbeitet, mir davon noch nie etwas erzählt. Sie weiss sehr wohl, dass ich Röcke und inzwischen Kleider trage; wir waren auch schon zusammen im Urlaub - zwar eher durch Zufall (unsere Urlaube überschnitten sich ein paar Tage), aber das im gleichen Hotel und sogar in benachbarten Zimmern, deren Zwischentür sich öffnen ließ. Sie müsste es eigentlich wissen, dass solche Informationen mich sehr interessieren; aber davon gesagt hat sie noch keinen Deut. Vielleicht, weil es von Schule zu Schule unterschiedlich intensiv gehandhabt wird. Vielleicht, weil der Einsatz der Kleider wirklich auf seltenste Gelegenheiten einschränkt ist.

Dennoch finde ich es erstaunlich, dass es in unserer linientreuen Hosenzeit solcherlei Initiativen gibt, in denen Jungs oder Männer - halt wohl leider nur in Ausnahmesituationen, aber trotzdem - nahezu feenhaft wie zarte Frauen eingekleidet werden.

Offline Zwurg

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #13 am: 04.03.2024 18:20 »
Dennoch finde ich es erstaunlich, dass es in unserer linientreuen Hosenzeit solcherlei Initiativen gibt, in denen Jungs oder Männer - halt wohl leider nur in Ausnahmesituationen, aber trotzdem - nahezu feenhaft wie zarte Frauen eingekleidet werden.
Rudolf Steiner und seine Mitstreiter wollten ein neues Menschenbild etablieren, weg von dem Menschen als arbeitenden Funktionsträger, hin zu einem neuen Humanismus, in der der Mensch und auch seine spirituellen Bedürfnisse, seine spirtuelle Gestalt im Mittelpunkt stehen.
Da geht es auch um Kontakt zu höheren Sphären. Vielleicht zu einer energetischen Welt die, uns ausser der stofflich fassbaren Welt umgibt.(Ich denke da ist ja auch etwas dran, ich habe irgendwo einmal gelesen, dass über 90% der physikalischen Welt, um uns herum mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar sind. Und ich glaube auch zur Entstehungszeit der Anthroposophie gab es ja auch die ersten ernsthaften Theorien zu Atomen und Subatomaren Teilchen, Quantenphysik, und auch Versuche diese Theorien zu beweisen. Diese Versuche führetn ja auch zu  nachvollziehbaren Beweisen, die unser heutiges Verständnis prägen.)
Ich kenne das Werk von Steiner nicht wirklich, er hat endlos Bücher geschrieben. Bei uns in der Einrichtung gibt es einen riesigen Bücherschrank, voll von seinen Werken. Ich könnte sie ausleihen, bin mir aber nicht sicher wo ich anfangen sollte, und ob ich sie wirklich verstehen könnte. Ich sollte mir einmal Rat holen und etwas anfangen.
Von daher denke ich, dass eben die profanen  Kleidungsgtücke von Anfang des 20. Jahrhundert nicht geeignet waren, um sich tänzerisch in höhere Sphären zu begeben.
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Offline Yoshi

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #14 am: 04.03.2024 19:23 »
Ich bin kein Waldorfpädagogikexperte, aber so umstritten wie Steiners anthroposophisches Weltbild (esoterisch, teils rassistisch) auch ist, so revolutionär war sein Konzept für die damalige Zeit. Von Steiner weiß ich, dass er auch diese strikte "männlich-weiblich"-Dichotomie ablehnte. Für ihn war es beispielsweise ebenso wichtig, dass Jungs mit Puppen spielen wie die Mädchen. Im Allgemeinen glaubte er, dass Mädchen und Jungen sich ihr Geschlecht und ihre Sexualität selbst "auswählen" und bis zum 7. Lebensalter einen "menschlichen Charakter" im Sinne von "geschlechtsunabhängig" hätten.

Ich könnte mir das tragen von Kleidern damit erklären, was wir in der Pädagogik "ästhetische Wahrnehmung" nennen. Dabei bedeutet "ästhetisch" nicht im umgangssprachlichen Sinne von "schön", denn das wäre die Kallistik, sondern es leitet sich von der griechischen Bedeutung ab. Es beschreibt demnach "sinnliche Wahrnehmung" mit allen Sinnen. Ein Kleid ermöglicht eine ganz andere sinnliche Erfahrung als eine Hose. Womöglich sollen bei Steiner nicht nur die "natürlichen" Sinne angesprochen werden, sondern bestimmt auch "übernatürliche" Sinne, aber dazu kenne ich mich zu wenig aus.

Online Lars

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #15 am: 04.03.2024 19:40 »
Ich staune immer wieder, wie schnell hier etwas als rassistisch bewertet wird ...
Schützen die Grünen die Natur?
Oder müssen wir die Natur vor den Grünen schützen?

Offline Yoshi

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #16 am: 04.03.2024 20:06 »
Ich staune immer wieder, wie schnell hier etwas als rassistisch bewertet wird ...

Steiners Reinkarnationskonzept beinhaltet die Wiedergeburt in verschiedenen Rassen. Er teilte sogenannte "Wurzelrassen" genetisch ein anhand von fünf Hautfarben, wovon die "Weißen Europäer" natürlich die beste spirituelle und intellektuelle Menschheitsentwicklung hatte. Die anderen Hautfarben sind alle schlechter gestellt, "rote Indianer" sind "vergreist" und eine "absterbende" Rasse, "Neger" sind "kindisch", "naiv" und "triebgesteuert". Die anderen beiden "Wurzelrassen" "gelbe Ostasiaten" und "braune Malayen" sind ebenfalls "primitive" Völker in seinen Augen und nicht "arisch" wie die "Weißen Europäer". Darüberhinaus bezeichnete er das Judentum als einen "Fehler in der Weltgeschichte". Auf Steiners Rassenlehre beriefen sich übrigens auch einige Nazis, vor allem diejenigen, die einen Hang zur Esoterik und zum Okkultismus hatten.

In meinen Augen alles Andere als ein "vorschneller" Rassismusvorwurf, sondern lupenreiner Rassismus der übelsten Sorte! Bitte vorher informieren, bevor man irgendwelche Behauptungen aufstellt.

Edit: Es gibt mehrere Veröffentlichungen von Waldorfeinrichtungen, die sich dezidiert von Steiners rassistischem Gedankengut distanzieren. Nichtsdestotrotz hat dieser Mann viele gute Reformen in die Pädagogik eingebracht, die ohne ihn undenkbar gewesen wären.

Online Lars

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #17 am: 04.03.2024 20:52 »
O.K. - ich werde mich dann wohl doch etwas eingehender damit befassen bei Gelegenheit.
Schützen die Grünen die Natur?
Oder müssen wir die Natur vor den Grünen schützen?

Offline Zwurg

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« Antwort #18 am: 04.03.2024 21:39 »
Ohne Steiner verteidigen zu wollen: Man muss die Zeit beachten in der er lebte.
Er ist 1861 geboren und starb 1925.
Er hat sein Leben in Österreich und Deutschland verbracht. Ich bezweifle dass er viele Menschen anderer Rassen zu Gesicht bekam.
Der Kolonialismus der europäischen Nationen, mit den damit verbundenen Vorurteilen und Meinungen war noch in vollem Gang.
Er wird sich also wahrscheinlich der vorherrschenden Ansichtsweise angeschlossen haben.
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Online MAS

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #19 am: 04.03.2024 22:35 »
Ein Problem sehe ich darin, dass Steiner von seinen Anhänger:innen nicht nur als Vordenker in Sachen Pädagogik gesehen wird, sondern eher wie ein Heilsbringer. Auch wenn Anthroposph:innen die Anthroposophie nicht als Religion ansehen, sondern als Wissenschaft, behandeln wir in der Religionswissenschaft sie dennoch als Religion.

Darüber hatten wir mal ine Diskussion im Goetheanum, der Zentrale der Anthroposphie in der Schweiz. Zwei Wissenschaftsverständnisse standen gegeneinander, das anthroposphische und das akademische. Es lang eine unangenehme Stimmung in der Luft, als ich mich meldete. Der angespannte Anthroposoph nahm mich dran. Ich zeigte auf den riesigen Kronleuchter an der Decke und fragte: "Wie wechselt man da eigentlich die Glühbirnen aus?" Kurzes Stocken aller Anwesenden, dann ein Lachen, die Spannung war aus der Luft, der Anthroposoph sagte, da komme man von oben dran durch eine Luke in der Decke.

Aber ich bin kein Fachmann für die Anthroposophie. Aber schaut mal nach Helmut Zander. Der forscht über ihn.

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Offline Yoshi

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #20 am: 04.03.2024 23:17 »
Man muss halt immer differenzieren.
Ich muss als Erzieher Steiners anthroposophische Ansichten nicht teilen, aber kann in seinen pädagogischen Ansätzen durchaus Positives finden.
Michael wird als Religionswissenschaftler auch nicht Martin Luthers antijudaistische Aussagen befürworten, aber seinen Reformationsgedanken würdigen.
Ebenso muss ein Musikwissenschaftler nicht Richard Wagners Antisemitismus gutheißen, wenn er seine Opern schätzt.

Online MAS

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« Antwort #21 am: 04.03.2024 23:53 »
Genau so sehe ich es auch.

Wobei ich als Religionswissenschaftler eigentlich ja sogar so neutral sein sollte, dass ich über Luthers Reformansätze nicht beurteilen darf, sondern sie ganz neutral beschreiben und analysieren soll. Also das ist zumindest offizielles Selbstkonzept des Faches.

LG, Micha
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Offline Skirtedman

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« Antwort #22 am: 05.03.2024 04:21 »
Ohne Steiner verteidigen zu wollen: Man muss die Zeit beachten in der er lebte.
Er ist 1861 geboren und starb 1925.
Er hat sein Leben in Österreich und Deutschland verbracht. ...
Der Kolonialismus der europäischen Nationen, mit den damit verbundenen Vorurteilen und Meinungen war noch in vollem Gang.
Er wird sich also wahrscheinlich der vorherrschenden Ansichtsweise angeschlossen haben.

Ganz richtig. Das waren auch meine Gedanken.

Dabei kam Deutschland ja gerade erst zum Zuge, auch eine kleine Kolonialmacht zu werden. Das nicht ganz uneigennützige Denken, einer überlegenen Herrenrasse anzugehören, hatte in dieser Zeit ja gerade, nun also auch in Deutschland Konjunktur.

Fast schon ein bisschen spät und fast schon ein bisschen aus der Zeit gefallen, trieben das ja dann die Nazis auf die Spitze.

Aber Hand aufs Herz, selbst heute sitzt dieses Gefühl, zumindest kulturell und zivilisatorisch den anderen Weltregionen überlegen zu sein, noch den Europäern tief verankert in ihrem Denken. Nicht zuletzt auch die Errungenschaft der Demokratie nährt dieses Gefühl. Erst allmählich lassen verschiedene Schockwellen weltwirtschaftlicher Verlagerungen dieses Gefühl angstbesetzt zerbröckeln.

Offline Luan

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Antw:Jungs und Männer in Kleidern: Eurythmie!
« Antwort #23 am: 05.03.2024 22:38 »
Ich komme immer, wenn ich einen guten Freund in der Pfalz besuche, auch immer an einer Waldorfschule vorbei. Allerdings immer nur zu Zeiten, wo es offenbar keinen mehr Unterricht gibt. Ich habe daher noch keine Eurythmirenden dort gesehen.
Gib deine Ideale nicht auf! Ohne sie bist du wohl noch, aber du lebst nicht mehr. (Mark Twain)


 

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