Heute hatte ich meinen letzten Arbeitstag in der Kita und seit meinem letzten Bericht hier, hatte sich einiges getan. Ich möchte euch ein Update geben und versuche mich kurz zu halten, was nicht einfach ist.
Vorletzte Woche kam ich mit einem Vater ins Gespräch, der sich über andere Eltern aufregte. Dann plauderte er aus dem Nähkästchen, dass es, seitdem ich in der Kita arbeite, Vorbehalte gibt. Es sind einige Familien, die sehr übel über mich reden. Er und einige andere Familien haben mich immer verteidigt. Meine Gegner möchten im Allgemeinen nicht, dass Männer in der Kita arbeiten, weil sie Angst haben, dass wir ihre Kinder anfassen würden und im Speziellen haben sie noch Angst bei mir, dass ich ihre Kinder homosexuell mache, weil ich Rock und Nagellack trage. Vor allem in der Anfangszeit wurde wohl sehr krass in der Whatsappgruppe über mich gelästert. Das deckt sich mit den Beschwerden bei den Kolleg*innen über mich und den distanzierten Verhaltensweisen mir gegenüber.
Meine Leitung kam in der Zwischenzeit nach längerem krankheitsbedingtem Ausfall wieder in die Kita. Im Gegensatz zu der anderen Leitung (wir haben eine Doppelleitung), die es nicht wirklich ernst nahm, war sie schockiert und es ging ihr sehr nahe, wie man mich hier behandelt hatte. Offene Anfeindungen gab es nie, denn es geschah alles hintenrum oder durch passiv-aggressives Verhalten mir gegenüber. Meine Leitung war enttäuscht und hätte nicht gedacht, dass das Ausmaß so groß ist. Wir haben dann auch gemeinsam einen Aushang formuliert, indem wir im ersten Absatz die Gründe für meine Kündigung offen und direkt, aber in sehr fairer Weise darstellten und im zweiten Absatz noch Dankesworte formulierten. Der Träger hatte uns allerdings verboten dieses Schreiben aufzuhängen und ich vermute, dass sie Angst vor negativen Reaktionen haben, wenn dieses Schreiben die Runde macht. In einem Telefonat mit der Fachberatung erklärte diese mir, dass der erste Teil ein schlechtes Bild von mir aufzeigt, weil ich ja ein positives Bild bei den Eltern hätte und ich die Elternschaft angreifen würde. Ich dürfte nur den Teil mit den Dankesworten aufhängen. Das habe ich abgelehnt und meinte, dass ich dann gar nichts aufhängen möchte. Ich betonte, dass die Eltern sowieso Bescheid wissen, auch ohne meine Information, weil mich bereits einige Eltern auf diesen Umstand angesprochen haben. Zudem sagte ich ihr: "Auch wenn ich es nicht thematisiere, wissen es alle. Ich wurde schon häufiger angesprochen und ich erfahre immer mehr Bruchstücke von den Eltern. Das Thema lässt sich nicht totschweigen und unter den Teppich kehren." Die haben eine Täter-Opfer-Umkehr daraus gemacht. Man bat mich, das mit den Röcken und Nagellack nicht zu thematisieren, weil es unfair gegenüber den Eltern wäre und man solche Vorurteile nicht ändern kann. Die Menschen wären halt so, wie sie sind. Für Pädagogen fand ich das eine ziemlich fatale Einstellung.
Es haben sich heute viele Eltern bei mir verabschiedet und es waren viele dabei, die sehr traurig, teilweise auch wütend waren. Viele standen hinter mir, aber konnten meine Entscheidung auch vollkommen nachvollziehen. Einige waren geschockt, dass es wirklich Leute in einer Großstadt wie Frankfurt gibt, die so massive Probleme damit haben. Sie haben mich bestärkt, dass ich mich nicht unterkriegen lassen soll und sich sehr positiv über meine Arbeit geäußert. Für viele war ich der Lieblingserzieher und sehr beliebt für meine Art. Übrigens haben sich auch Familien verabschiedet, die gegen mich Stimmung gemacht haben und das war sehr heuchlerisch, wie sie ihr "Bedauern" ausdrückten. Ihre Kinder hingegen trauerten wirklich, weil sie mich sehr gerne mochten, manche haben sogar geweint.
Im Team haben viele geweint und waren fix und fertig. Es gab neben positiven Äußerungen zu meiner Arbeit, auch sehr positives Feedback zu meinem Style. Viele finden es unfair wie der Träger mit mir umging. Die Eltern sind die eine Sache, aber diese Vertuschungsaktion und Täter-Opfer-Umkehr des Trägers eine ganz andere Sache. Eigentlich müssten sie mich vor Diskriminierung schützen und für einen sozialen Beruf wie meinen ist das wirklich eine Schande. Einige Mitarbeiter haben nun auch gekündigt und weitere stehen auch kurz davor. Das hat natürlich mehrere Gründe, aber meine Situation hat viele schockiert und spielt in der Entscheidungsfindung mit rein. Vor allem meine männlichen Kollegen haben Angst, dass sie nicht unterstützt werden, wenn Vorwürfe erhoben werden.
Meine Leitung hat sich vieles notiert und es wird im neuen Jahr einen Elternabend geben, bei dem thematisiert wird, wie hier mit Mitarbeitern, vor allem den männlichen, umgegangen wird. Sie möchte klar Stellung beziehen und sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen. Für mich kommt es zwar zu spät, weil es für mich kein Zurück mehr gibt, aber es ist auch ganz gut, dass mein Fortgehen Konsequenzen nach sich zieht. Hierzu wird es einen Themenelternabend geben, um das Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz aufzuarbeiten.
Heute haben die Kinder übrigens ihre Weihnachtsgeschenke der Kita ausgepackt. Meine Leitung hat einen ganzen Stapel an Büchern bestellt. Die Kinderbücher haben Diskriminierung als Thema. Ein Buch handelt von einem Wiesel, das wegen seiner bunten Kleidung gehänselt wird, ein anderes thematisiert ein Kind mit lesbischen Eltern, ein weiteres einen Jungen, der gerne Meerjungfrau spielt und ein weiteres behandelt einen Jungen, der gerne im rosa Tutu in die Kita geht. Das waren bestimmt so sieben oder acht Bücher, die Diskriminierung thematisieren. Meine Leitung sagte zu mir: "Wir haben das bitter nötig. Das muss unbedingt aufgearbeitet werden."
Ich kann euch sagen, dass die letzte Zeit sehr anstrengend für mich war und heute war ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich war ich traurig, weil ich das Team mag, mir die Kinder ans Herz gewachsen sind und viele Familien wirklich toll sind. Das positive Feedback, die traurigen Gesichter, die vielen Geschenke und das ausgedrückte Bedauern, haben mich wirklich gerührt. Es fällt aber auch ein unglaublicher Druck von mir und eine Erleichterung macht sich breit. Ich versuche die positiven Erfahrungen mitzunehmen und mich davon leiten zu lassen. Die Menschen mit positiven Vibes, werde ich weiterhin im Herzen tragen. Die negativen Erfahrungen hingegen werden mich nur umso stärker machen und davon lasse ich mich nicht unterkriegen. Ich mache weiter und stehe zu mir. Meine Pädagogik, meine positive Art Menschen zu begegnen und mein Lebensentwurf sind so richtig, wie sie sind. Ich bin so stolz auf mich, was ich geleistet habe und ich finde mich einfach nur cool. Zu meinen Röcken und meinem Nagellack kann ich auch nur eins sagen: Ich liebe es viel zu sehr, als dass ich damit aufhören würde.