Autor Thema: Altrocker  (Gelesen 4440 mal)

Offline cephalus

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Altrocker
« am: 05.01.2024 08:23 »
Gestern hat mir ein mittlerweile ehemaliger Kollege,  der sich zum Jahresende mit 67 in der Ruhestand verabschiedet hat, erzählt, dass er in seinem Leben mehrere kurze Rockphasen hatte.

Das erste Mal am Gymnasium, als er ca. 15 war.
Damals schon, wie auch die anderen Male, als Provokation.
Er trug eine Woche lang verschiedene Röcke, er erhielt einen Verweis, wurde zum Direktor zitiert und auch seine Eltern wurden in die Schule gebeten.  Er hatte wohl ein paar Konflikte mit zwei Lehrern und das war seine Antwort.

Während seines Studiums in den 70ern hat er wohl auch ein paar Mal Rock getragen und damit absichtlich auch für manche Diskussionen gesorgt.

Auch eine "nervige" Partnerin hat er mittels Rock entsorgt, ein paar Jahre später: Er brachte es irgendwie nicht fertig,  sich von ihr zu trennen und griff immer wieder zuhause zum Rock. Damit konnte sie  nicht umgehen,  was er genau wusste, und als er bei ihren Freunden im Rock auftauchte machte sie Schluss und er war erleichtert.

Auf meine Frage wie er es jetzt hielte, meinte er, er müsse gerade gegen nichts rebellieren, und ausserdem würde ein Rock an einem Mann wohl auch keinen mehr interessieren.

Einfach so, weil bequem und abwechslungsreich  - darauf sei er noch nicht gekommen.  Aber im Sommer, warum nicht...


Offline Silkman

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Antw:Altrocker
« Antwort #1 am: 05.01.2024 23:09 »
Haha, Dein Exkollege gefällt mir :-)

Und vielleicht entdeckt er für sich ja jetzt das Rocktragen-einfach-so, zumindest hat er sicher keine Scheu im Rock gleich raus zu gehen...

Offline MAS

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Antw:Altrocker
« Antwort #2 am: 06.01.2024 08:49 »
Tja, was die einen sich wünschen, ohne negativ aufzufallen einen Rock tragen zu können, ist dem Ex-Kollegen zu langweilig ;)

LG, Micha
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Online GregorM

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« Antwort #3 am: 06.01.2024 18:26 »

Auf meine Frage wie er es jetzt hielte, meinte er, er müsse gerade gegen nichts rebellieren, und ausserdem würde ein Rock an einem Mann wohl auch keinen mehr interessieren.


Genau wie ich es sehe. Zur Provokation dient ein Rock schlecht, und ob einer einen trägt, ist anderen gleichgültig.

Könnte das der Grund sein, warum Röcke auch im Rockmodeforum weitgehend durch Kleider ersezt worden sind? Geht es hier ums Rebellieren und Provozieren?
Gruß
Gregor


Offline JJSW

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Antw:Altrocker
« Antwort #4 am: 06.01.2024 18:34 »
Hallo Cephalus
Wär doch schön, wenn er nach all den rebellischen Zeiten nächstem Sommer den Rock einfach als bequemes und luftiges Kleidungsstück neu entdeckt.
Laßt Euch nicht von Zweifeln plagen
und genießt das Röcketragen

Offline cephalus

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Antw:Altrocker
« Antwort #5 am: 06.01.2024 20:29 »

Könnte das der Grund sein, warum Röcke auch im Rockmodeforum weitgehend durch Kleider ersezt worden sind? Geht es hier ums Rebellieren und Provozieren?

Ich glaube eher nicht, weil Kleider auch nicht anders aufgenommen werden als Röcke.

Ausserdem habe ich nicht das Gefühl, dass Röcke ersetzt werden, aber gut ich habe keine Statistik gemacht. Für mich ist lediglich die kategorische Ablehnung von Kleidern,  die hier früher vorherrschte, zurückgegangen.

Yoshi

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Antw:Altrocker
« Antwort #6 am: 06.01.2024 20:41 »
Wirklich interessanter Bericht!

Wenn man mal zurückrechnet, kann ich mir durchaus vorstellen, wie provokativ das seinerzeit aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit hatten aber auch Frauen in Hosen dieselben Konsequenzen zu tragen, wurden zu Direktoren zitiert oder von der Arbeit heimgeschickt, um sich umzuziehen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass dein (Ex-)Kollege auch damals in den 70ern lange Haare trug, um zu provozieren und heute trägt er wahrscheinlich Kurzhaarschnittt, weil lange Haare mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert sind und keinen provokativen Charakter mehr haben.

Offline cephalus

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Antw:Altrocker
« Antwort #7 am: 06.01.2024 20:49 »
 ;)
Keine Ahnung,  ob Du mit den Haaren recht hättest,  jedenfalls trägt er jetzt seit einigen Jahren keine Haare mehr - Entscheidung der Biologie...

Offline Peter

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Antw:Altrocker
« Antwort #8 am: 06.01.2024 21:44 »
Wenn man mal zurückrechnet, kann ich mir durchaus vorstellen, wie provokativ das seinerzeit aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit hatten aber auch Frauen in Hosen dieselben Konsequenzen zu tragen, wurden zu Direktoren zitiert oder von der Arbeit heimgeschickt, um sich umzuziehen.
Also: ich musste als 16-Jähriger Anfang der 70er zum Schuldirektor, weil die Farbe und Art meiner Hose (ich hatte gelbe Stulpen unterhalb der Knie an die Levi's genäht...) missfiel....  :P
LG
Peter
Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zuruecksehnen werden.

Offline Skirtedman

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Antw:Altrocker
« Antwort #9 am: 07.01.2024 11:21 »
@Peter:  ;D




Könnte das der Grund sein, warum Röcke auch im Rockmodeforum weitgehend durch Kleider ersezt worden sind? Geht es hier ums Rebellieren und Provozieren?

Ich glaube eher nicht, weil Kleider auch nicht anders aufgenommen werden als Röcke.

Ausserdem habe ich nicht das Gefühl, dass Röcke ersetzt werden, aber gut ich habe keine Statistik gemacht. Für mich ist lediglich die kategorische Ablehnung von Kleidern,  die hier früher vorherrschte, zurückgegangen.

Sehe ich ähnlich.

Die wenigen Gehversuche in Kleidern, die ich die ersten 30 Jahre meines Rocklebens getan habe, hatten mich lange Zeit nicht wirklich überzeugt. Vor allem die Vorstellung, ein Kleid könne wegen der vorgesehenen weiblichen Oberweite an einem Mann nicht funktionieren, und überhaupt sei das eine Stufe zu viel weiblich, hatte mich lange Zeit abgehalten, ein Kleidbefürworter zu werden.

Auch haben Generationen ;) von Lebenspartnerinnen das Thema Kleid an mir völlig abgelehnt (pro forma, also absolut nur theoretisch, nie praktisch erprobt). Ausser meine zuletzt geknüpfte Lebensabschnittspartnerschaft gab mir sehr viel Unterstützung beim Tragen von Kleidern, ja, sie mochte es sogar lieber an mir als Röcke; hatten wir uns nicht zuletzt auch kennengelernt, als ich ein Kleid trug.

In der Single-Phase vor meiner letzten festen Freundin hatte ich das Thema Kleid neu für mich - und diesmal erfolgreich - entdeckt und entwickelt.

Da ist aber keine Spur von Protest dabei. Wie die eifrigen Mitleser wohl schon längst wissen werden, war es das Winterhalbjahr, was mich dazu geführt hat, als ich keine Lust mehr hatte, wie 30 Winter zuvor, immer nur strumpfhosenlos winterwarme lange, steife Röcke zu tragen. Da kamen besonders Sweatkleider bzw. Strickkleider in kürzeren Längen wie gerufen.

Provozieren wollte ich ohnehin nie. Naja. Kaum. Das Thema Muster, Blümchen, typisch weiblich besetzte Signale wie helle Sachen, Glitzer, Rosa, etc., ja da ist manchmal eine Spur Provozieren dabei - oder jedenfalls das trotzige Zeigen, dass sowas ein Mann auch kann!  ;)

Yoshi

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Antw:Altrocker
« Antwort #10 am: 07.01.2024 12:00 »
Mir wurde auch schon unterstellt von einem Supervisor, dass ich Röcke und Nagellack in der Kita trage, um zu provozieren. Ich habe mich in diesem Augenblick missverstanden gefühlt und habe ihm auch gesagt: "Es ist jetzt nicht so, dass ich mir morgens einen Rock anziehe und mir dabei denke: 'Wen könntest du denn heute damit ärgern?'" Aufgrund meiner Erfahrungen bezüglich meiner letzten Arbeitsstelle musste ich doch über einiges nachdenken in den letzten Tagen, u. a. über das Provozieren.

Es kommt natürlich auf die Interpretation an, was man mit "Provokation" meint. Ich möchte natürlich nicht auffallen, Leute verärgern, wütende Reaktionen hervorrufen, Grenzen austesten, Mitmenschen schockieren oder ähnliches. Worin ich aber beipflichten würde, dass ich Denkanstöße "provozieren", oder milder ausgedrückt anregen möchte. Mich freut es, wenn ich die Fragezeichen im Gesicht des Betrachters sehe und man das Rattern im Kopf regelrecht erkennen kann. Wenn ich dadurch ein Hinterfragen von Gendernormen und Modekonventionen "provozieren" konnte, vielleicht sogar Vorbehalte und Vorurteile abbauen konnte, dann ist das doch eine gute Sache. Es kommt auch nicht selten vor, dass ich sehr angeregte Gespräche durch meinen Kleidungsstil entwickeln konnte. Das ist mir die "Provokation" wert.

Ich kann auch nicht abstreiten, dass ich gerne provokativ bin und provokative Kunst mag. Für mich ist Provokation aber nutzlos, wenn es rein um des Provozieren willens ist, denn dann hat es für mich etwas von einem trotzigen Kleinkind, das (negative) Aufmerksamkeit erheischen möchte. Ich befürworte Provokation, die ein Ziel verfolgt und zum Nachdenken anregt. Ich würde es mal als "progressive" oder "diskursive" Provokation bezeichnen. Ein US-amerikanischer Vater meinte mal zu mir: "You are a freedom fighter!" Und ja, ich finde, das passt ganz gut. In erster Linie trage ich zwar Röcke aus Komfort- und Ästhetikgründen, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mein Erscheinungsbild unfreiwillig zum Politikum gemacht wird. Es ist auch irgendwie schon ein politisches Statement, das ich damit ausdrücke, weil meine Werte, u. a. Emanzipation, Gleichberechtigung, Freiheit oder Individualismus, anhand von Röcken und Nagellack nonkonformistisch symbolisiert werden.

Offline high4all

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Antw:Altrocker
« Antwort #11 am: 07.01.2024 12:14 »
Und weil allzu viele Menschen Angst davor haben, andere Menschen zu provozieren, laufen so viele Leute uniformiert herum (Jeans, T-Shirt und Turnschuhe). Im vorauseilenden Gehorsam.

Schon die "falsche" Farbe einer Jeans kann provozieren. Oder, oder, oder...
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Offline Skirtedman

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Antw:Altrocker
« Antwort #12 am: 07.01.2024 12:27 »
Danke, Yoshi, für Deinen wertvollen Beitrag.

Einer meiner Gedankensplitter zielt auch in diese Richtung.

Zuvor will ich aber noch mal ergänzend mich äussern zu Gregors Vermutung "Kleid statt Rock tragen = provozieren wollen".

Ich kann mir denken, dass jeder von uns, der
- mit Selbstbewusstsein Rock in der Öffentlichkeit trägt  und
- dazu stehen kann, dass der Rock am eigenen Leib eigentlich ein Damenrock ist,
vermutlich ganz automatisch sich in den Lauf der Dinge mit einklinkt.

Und der Lauf der Dinge ist, dass in manchen Bekleidungsgeschäften es kaum bis gar keine Röcke mehr zu kaufen gibt.
Als Indikator möchte ich nur mal die beiden Online-Shops von C&A und Asos heranziehen:
Anzahl der angebotenen Röcke bzw. Kleider:
C&A online 111 : 302
Asos 5.747 : 23.582

Seit etwa 10, vielleicht 15 Jahren ist die Anzahl der angebotenen Röcke im Verhältnis zu Kleidern stark rückläufig.

Jeder Mann, den ich oben charakterisiert habe, wird bei seinem jahrelangen Rockleben irgendwann mit dem Thema Kleid berührt werden. Ganz ohne Willen, damit zu rebellieren.

Auch wenn ich schrieb:

Provozieren wollte ich ohnehin nie. Naja. Kaum. Das Thema Muster, Blümchen, typisch weiblich besetzte Signale wie helle Sachen, Glitzer, Rosa, etc., ja da ist manchmal eine Spur Provozieren dabei - oder jedenfalls das trotzige Zeigen, dass sowas ein Mann auch kann!  ;)

Ich habe mir zwischenzeitlich noch einmal Gedanken gemacht.
Unter einem Aspekt stimmt das nicht vollständig. (Und das zielt in die Richtung, was Yoshi inzwischen auch geschrieben hat.)

Rocktragen als solches ist Provokation. Besser: Rebellion.

Denn, wer nicht Rock trägt, begehrt nicht auf, eine andere Kleidung sich zu wünschen, als die von der Gesellschaft verordneten Hosen.

Jeder, der Rock trägt, rebelliert in diesem Sinne: "Immer nur Hosen? Nicht mit mir!"
Insofern muss mein "Provozieren wollte ich ohnehin noch nie" in diesem Sinne etwas relativiert werden.

Vielleicht kann dieses Pflänzchen Provokation in dem Ex-Kollegen (Altrocker) von Cephalus derart keimen, dass er (Altrocker) wieder mal Lust bekommt, auf diese Weise zu provozieren. Und somit die Nachteile des ewigen Hosentragens für sich entdecken kann.

Edit: Ganz recht, Hajo!  :)

Offline hirti

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« Antwort #13 am: 08.01.2024 08:02 »
Ich finde den Einleitungsbeitrag recht witzig.
Rock als Mittel zu provozieren und dann kein Interesse daran zu haben wenn es nix zu provozieren gibt, das ist doch spannend und recht konträr zu meiner Lust an Röcken.

Ohne Frage nutze ich meine Röcke auch um zu provozieren. Ich erfreue mich an den fragenden, irritierten, manchmal abweisenden Gesichtern. Und - wie von Gregor richtig vermutet - nutze ich Kleider durchaus wenn ich von diesen Reaktionen noch etwas mehr hervorrufen möchte.
Oft trage ich Rock und Kleid aber auch einfach, weil ich mich darum sehr wohlfühle und das besondere oder das besonders freie Tragegefühl genieße. Da bin ich dann recht unterschiedlich zu dem zu Beginn angesprochenen Altrocker.

Offline Rockie

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« Antwort #14 am: 11.01.2024 21:08 »
Und weil allzu viele Menschen Angst davor haben, andere Menschen zu provozieren, laufen so viele Leute uniformiert herum (Jeans, T-Shirt und Turnschuhe). Im vorauseilenden Gehorsam.

Schon die "falsche" Farbe einer Jeans kann provozieren. Oder, oder, oder...

Ja genau so ist das! Entweder man versucht dann als Rockträger möglichst nur solche zu tragen die kaum auffallen und die "akzeptiert" werden, oder man bekommt ein so dickes Fell das es einem schnurzpiepegal ist was die Umwelt von einem hält :-)


 

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