Hallo Micha,
Das Argument, dass Männer das gleiche Recht auf Röcke, wie Frauen auf Hosen haben, hat meine Frau, die Du ja auch kennst, von anfang an unterstützt. Sie musst aber auch anfangs gegen ihre Gefühle anargumentieren, also Ratio versus Emotio.
Ja, das Problem hatte meine Frau natürlich auch. Rational gesehen ist das völlig nachvollziehbar, aber die Ration tritt eben oft in den Hintergrund, wenn die Emotionen hochkochen. Diese Gefühle sind aus meiner Sicht immer Ängste und die zu überwinden ist nicht immer einfach. Vor allem muss man das erst einmal wollen und da sind wir wieder beim ersten Punkt: Wenn ich mir selbst wichtiger bin, als mein rocktragender Partner, dann will ich meine Ängste gar nicht überwinden - ich will, dass mein Partner sich wieder so verhält, dass ich keine Angst haben muss. Da steht dann das eigene Glück gegen das des Partners und diese Entscheidung will getroffen werden. Auf der einen Seite: Ich glücklich, Partner deprimiert. In der anderen Ringecke: Partner glücklich, ich ängstlich. Rational betrachtet, ist das Verlieren von Ängsten eine positive Entwicklung, während der erste Fall Stillstand bedeutet und der Beziehung schadet.
In einem anderen Thread machte ich ja auf die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit aufmerksam. Nach dieser Theorie, die sich auf empirische Forschungen stützt, entwickeln wir unsere individuellen Gefühle sehr beeinflusst von dem, was wir als sozial erwünscht wahrnehmen. Das heißt, dass es dann eben nicht unbedingt nur die Vorstellungen der anderen sind, sondern auch unsere eigenen, da sie unsere eigenen in der Identifizierung mit denen der anderen bilden. Das ist vielfach eher emotional als rational.
Im Grunde sehe ich das auch so. Natürlich orientieren wir uns an der Erwartungshaltung der Gesellschaft, weil das der Weg des geringsten Widerstandes ist. Wir sind viele Jahre davon überzeugt, dass unsere Vorstellungen identisch mit denen der Norm sind, weil uns das so indoktriniert wurde und wir es nie hinterfragt haben. Sobald uns aber bewußt wird, dass unter diesen gesellschaftlichen Vorstellungen unsere eigenen Vorstellungen begraben wurden, wird uns klar, dass wir gar nicht wir selbst sind, sondern das, was andere gerne hätten. Alles weitere hängt dann davon ab, wie weit wir uns verbiegen mussten und ob wir damit ein Problem haben - Akzeptanz oder Rebellion.
Das zeigt sich an der Sprache: Wir kommunizieren mit einer Sprache, die wir durch Parallelisierung mit der Sprache anderer erlernt haben.
Ja. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass Sprache immer bidirektionale Kommunikation ist, die es zwingend erfordert, dass man sich auf eine Norm einigt, sonst versteht man sich nicht. Das Tragen von Röcken ist dagegen eine unidirektionale Kommunikation und selbst das nur, wenn wir es als solche benutzen. Die Kleidung ist im Grunde eher ein Signal: Wir signalisieren damit der Gesellschaft eine Gruppenzugehörigkeit (oder das Gegenteil davon) und damit auch, mit wem wir uns identifizieren und kommunizieren möchten. Es ist im Grunde ein Selektionsmechanismus, den du ja auch beschreibst.