Die Wahrheitsgehalt einer Nachricht steigt, mit zunehmender Übereinstimmung zum eigenem Standpunkt. Was davon abweicht, sind eben nur Narrative. Dies gilt für "Mainstream" und "Alternative" Medien. Es lebe die Subjektivtät.
Hi Jürgen,
das klingt gut. Du beschreibst das, was beim Empfänger der Nachricht als Wahrheitsgehalt einer Nachricht empfunden wird. Ja, klar, da ist beim Empfänger der Nachricht ganz klar Subjektivität im Spiel, was er aus der Nachricht macht. Spätestens, wenn er die Nachricht als Information weitergibt, entsteht sowas wie ein Narrativ.
Die ganze Sache ist aber viel komplexer - man könnte ein ganzes Buch darüber philosophieren, gibt es bestimmt schon etliche.
Was zum Beispiel ist denn Wahrheit? Hatten wir hier schon oft diskutiert, will ich nicht jetzt vertiefen. Die Sache mit der Wahrheit beginnt ja schon schwierig zu werden, wenn 2 Beobachter einer (nicht politisch gemeinten) Partei das selbe Erlebnis wiedergeben sollen, z.B.: Unfall, Fahrer, Beifahrer. Alleine Fahrer und Beifahrer werden schon zwei verschiedene Wahrheiten, zwei verschiedene Ansichten wiedergeben. Und zwar 'Ansichten' nicht zuletzt im wahrsten Sinne des Wortes.
Jürgen, Du bringst das Wort 'Nachricht' ins Spiel. Was ist eine Nachricht? Nehmen wir eine Nachricht in einer Nachrichtensendung. Bevor sie bei uns als Empfänger ankommt, ist ja schon viel vorausgegangen.
Grob gesagt, ist eine Nachricht die Schilderung eines Sachverhaltes. Bevor die Schilderung zu einer Nachricht werden kann, geht zumeist ein Ereignis voraus. Meistens ist der geschilderte Sachverhalt sogar selbst das Ereignis. Oder das Ereignis war die Entdeckung eines Sachverhaltes, der sich entweder geändert hat, oder erstmals als Sachverhalt erkannt worden ist. Der wird dann für wert gehalten, geschildert / verbreitet zu werden. Eine Nachricht entsteht.
Wie kommt die Nachricht zu Dir? Entweder es vermittelt ein eher unbetroffener, also eher neutraler Nachrichtenüberbringer (z.B. Nachrichtensprecher) Dir diese Nachricht. Oder jemand, der diese Nachricht formuliert hat überbringt sie Dir (z.B. Reporter).
Die Nachricht selber ist fast immer die Verkürzung eines Sachverhaltes, denn die gesamten Umstände, die zu der Nachricht führten, wären viel zu umfangreich, um sie in der Kürze einer als informativer Mitteilung gedachten Nachricht in vollständigem Umfang wiederzugeben.
Bevor die Nachricht formuliert wird, kommt es darauf an, ob nur eine reine Beobachtung (z.B. Explosion in Stadt X, Leute laufen aufgeschreckt weg) zugrunde liegt, oder ob weitere Menschen mit ihren Schilderungen, Ansichten, Erfahrungen dazu befragt wurden und zur Formulierung der Nachricht herangezogen wurden. Wieviel unterschiedliche Schilderungen wurden gehört, wieviel unterschiedliche Schilderungen wurden mit einbezogen bei der Formulierung der Nachricht? Lässt gar der Schöpfer der Formulierung zu, alle ihm vorliegenden Informationen in die Nachricht einfließen zu lassen?
Wenn man über all diese Punkte nachdenkt, so ist es schwierig, einen absoluten Wahrheitsgehalt einer Nachricht definieren zu können.
Menschen, die als Nachrichtenersteller arbeiten, haben zum Teil langjährige Ausbildungen durchlaufen. Sie wurden geschult darin, Nachrichten zu erstellen, die möglich wenig Raum für Subjektivität zulassen. Die eigene Subjektivität des Nachrichtenformulierers bleibt natürlich nie ganz aussen vor. Er ist auch nur ein Mensch. Stellt er sein Wissen zu den Dingen, die er als Nachrichten vermitteln möchte/soll, auf eine breitere Informationsbasis, so steigt die Chance, die eigene Subjektivität etwas zurücknehmen zu können.
In den Ausbildungen werden Massstäbe vermittelt, wie möglichst 'objektiver' Journalismus erfolgen kann. Viele Medien, die die Nachrichtenübermittlung bis zu Dir ja erst ermöglichen, versuchen sich, an diesen Massstäben zu orientieren, um eine gewisse Glaubwürdigkeit erzeugen zu können, um als Nachrichtenübermittler überhaupt allgemein anerkannt zu werden.
Und genau hier unterscheidet das eine ganze Reihe von Medien deutlich voneinander, die Du, Jürgen, als 'Mainstream-Medien' und 'Alternative Medien' kategorisiert hast. Ganz so leicht lassen sich viele Medien nicht in die eine oder andere Kategorie einordnen, viele Medien wiederum doch. Nicht zuletzt sind die 'öffentlich-rechtlichen Medien' in ihrer Struktur ja bewusst so ausgelegt, um diesen Massstäben am sichersten gerecht zu werden. Drum werden diese eben durch eine Vielfalt von Meinungs- und Interessenträgern durch verschiedene Gremien kontrolliert, um eben dieser Vielfalt Rechnung tragen zu können. Andere Medien orientieren sich daran zum Teil, einige andere (vor allem oft 'Alternative Medien') eben überhaupt nicht.
Natürlich ist nicht jede einzelne Nachricht, die durch die öffentlich-rechtlichen Medien verbreitet wird, durch all diese Gremien oder überhaupt irgendein Gremium gelaufen. Sind aber wiederholte Einseitigkeiten aufgefallen, so werden Nachrichtenersteller, andere Mitarbeiter, Redaktionen, Resortleiter, Intendanzen dementsprechend auf ein nachvollziehbares Mass an Ausgewogenheit hingewiesen oder langfristig nicht mehr weiter beschäftigt. Das Beruhigende ist, dass in den 'öffentlich-rechtlichen Medien', die ja auch zum 'Mainstream' hinzugezählt werden, eben eine Vielfalt von verschiedenen Interessen eingebunden sind, die sich alle gegenseitig auf die Finger schauen müssen, und somit die Macht der Einflussnahme Einzelner sehr viel zuverlässiger unterbunden ist als in jeglich anderen Medienhäusern.
Darum ist es eher sinnvoll, über die Seriosität einer Nachricht nachzudenken als über den Wahrheitsgehalt.
Letztlich ist eine Nachricht eben eine Verkürzung eines Sachverhaltes. Die persönliche Einordnung dieser Nachricht unterliegt natürlich dem Empfänger dieser Nachricht. Auch hier ist es sinnvoll, verschiedene Quellen bzw. Einzelinformationen zu dieser einen Nachricht hinzuzuziehen, um zu einer eigenen Meinungsbildung hierzu zu gelangen.
Eine Nachricht sollte also am besten immer nur ein Baustein sein, um selbst zu einer Meinung und zu einem eigenen Narrativ zu gelangen.
Nebenbei, Jürgen, ging es hier im Thread ja nicht nur um eine Nachricht, sondern um einen ganzen TV-Bericht. Das heisst, da greift die Verkürzung längst nicht so extrem. Da sollte also Raum sein, verschiedene Aspekte in diesem Bericht mit einzubeziehen, damit der Rezipient des Berichts selbst eine Meinung dazu bilden kann.
Aber ja, eine einzelne Sendung selbst in den Öffentlich-Rechtlichen ist nicht immer per se ausgewogen - und muss es nicht unbedingt sein. Auch hier gilt wieder für jeden, der sich informiert, dass er solch einen TV-Bericht nicht als die einzig ultimativ geltende Wahrheit auffasst, sondern sich zu diesem Themenkomplex auch noch andere Quellen mit einbezieht, um sich ein eigenes, persönliches Bild zu verschaffen und eine Meinung dazu zu bilden.
Und ja, Jürgen, an dieser Stelle sind wir nun wieder da, was Du so schön treffend zusammengefasst hast. Wir selbst bestimmen, wie eng wir unsere Blase ziehen, um eigenständig mitdenken oder gar mitreden zu wollen.