Micha, im Grunde ja. Mehr Mitgefühl, Empathie und Suchen nach den systematischen, und daher auch emotionalen Gemeinsamkeiten wäre in allen Lebensbereichen sinnvoll.
Und auch die Erkenntnis, dass man selbst das Zentrum des Universums ist. Und dass das jeder so empfindet. Insofern gibt es soviele Zentren des Universums. Und keiner kann sagen, dass er das richtigere Zentrum ist. Insofern sind wir doch alle gleich und jeder andere in dieser Welt will letztlich dasselbe wie ich. Z.B. Anerkennung. Und so wie ich sie für mich proklamiere, steht sie jedem anderen ebenso zu.
Mit dieser Erkenntnis ist das Auskommen miteinander viel schöner, ja macht sogar mehr Spaß, als die Anerkennung alleine mir anzuerkennen. Oder Du Dir. Oder doppelrock sich selbst. Nur mal um Beispiele zu nennen.
Die sogenannte Rechtschreibreform war ja schon ein Schritt in die falsche Richtung. Texte sind uneindeutiger, missverständlicher und beliebiger geworden. Einziger Vorteil ist -ss nach kurzem Vokal wie bei "dass", -ß nach langem Vokal weiterhin wie bei "Fuß". Der Rest gehört in die Tonne der Geschichte. Man hat es auch nur mit den Schulkindern als Geisel durchbekommen. Freiwillig hätte diese Sprachverhunzung kaum einer befürwortet. Zumindest keiner, der die Sprache mindestens einigermaßen gut beherrscht. Die Leute, die die bisherige Form nicht beherrschten, schreiben jetzt anders falsch. Geholfen hat es ihnen nicht.
...
... Ist wohl was dran an 600:1.
Ja, doppelrock, bei diesen Worten von Dir muss ich Dir wirklich mal überwiegend Recht geben. Wobei Dein erwähnter 'einziger Vorteil' mit dem Doppel-s und dem Eszett ja allenfalls einen minimalen Vorteil brachte. Die Zahl derer, die die Bedeutungsunterschiede zwischen 'das' und 'dass' noch nicht verinnerlicht haben, ist auch mit dem Austausch von Eszett durch Doppel-s nicht zurückgegangen.
Und ja, dieses '600:1' - da mag was dran sein. 600 Unterstützer auf einen Betroffen*inn'er. - Jedenfalls, was das dritte Geschlecht 'divers' angeht, das ja jüngst erst de jura geschaffen wurde, um Menschen mit uneindeutigen (besonders) biologischen Zuordnungen einen geschützten gesellschaftlichen Stellenwert einzuräumen.
Ich denke, dieser Thread bezieht sich ja aber längst nicht nur auf die juristisch fokussierten 'Diversen', sondern auch auf diejenigen, die sich mit dieser Kategorie identifizieren können (um nicht zu sagen 'da dranhängen'), obwohl sie ursprünglich gar nicht damit gemeint waren. Und überhaupt - es steht in der Threadüberschrift - es geht um alle, die sich nicht mit 'männlich' oder 'weiblich' vollständig angesprochen fühlen. - Und die Breite in diesem 'Spektrum dazwischen' und ebenso die Breite der Gesellschaft verbindet nun das 'Gendern' der Sprache genau mit all denjenigen, die sich mit den Kategorien 'männlich' oder 'weiblich' nicht abgeholt fühlen.
Je mehr davon in den Medien und in der Gesellschaft die Sprache ist, desto mehr Menschen trauen sich auch, ausserhalb der Binarität sich zu verorten. Und: je mehr davon in den Medien und der Gesellschaft die Sprache ist, desto mehr kann das
Bewusstsein für die 'Menschen dazwischen' in der Gesellschaft wachsen; die Empathie zu ihnen kann wachsen, und die Unterstützung von den Nichtbetroffenen für die Betroffenen kann wachsen.
Aber andererseits: je mehr davon in den Medien und der Gesellschaft die Sprache ist, desto mehr wird eben auch dafür 'geworben', sich anders zu verorten. Das Letztgenannte ist es ja, was in einigen Politiksystemen z.B. im östlicheren Europa so gefürchtet wird.
Und ja, die Theorie, 'ein Bewusstsein für Lebensaspekte (z.B. spezieller zwischenmenschlicher Umgang miteinander) bilde sich die Gestaltung der Sprache' ist eine Theorie. Ihr kann man aber auch eine andere Theorie gegenüberstellen: Ein bewussterer Umgang mit Sprache und den tieferen Bedeutungen. Dann nämlich braucht man nur das Bewusstsein zum Sinngehalt der Sprache ändern bzw. das Bewusstsein, menschlich miteinander umzugehen, und dann bedarf es nicht einer gezielten Umgestaltung der Sprache.
Was ist denn bedeutsam, wenn von 'den Rechtsanwälten' die Sprache ist, ob diese nun alle männlich sind, alle weiblich, alle divers, oder auch nur eine Person davon männlich, weiblich oder divers ist? Bei 'die Rechtsanwälte' kommt es doch nur auf die Funktion bzw. die Befähigungen an, nicht auf das Geschlecht. Mir ist es doch auch egal, ob die Rechtsanwälte alle graue Haare haben, oder ob da auch jemand rote Haare hat oder blond ist.
Und wenn ich 'mir einen Rechtsanwalt nehme', dann kommt es in dieser Formulierung doch ebenso nur auf die berufliche Funktion an, nicht auf die Haarfarbe, die Schuhgröße oder auf den dritten Buchstaben des Vornamens.
Insofern - auch wenn ich schon viel über ein konstruiertes Utrum für das Deutsch nachgedacht habe - unterstütze ich auch jene hier von einigen mehrfach geäusserten Gedanken, zu appellieren, dass der Gebrauch der deutschen Sprache mit historisch gewachsener 'patriarchaler Struktur' eben längst nicht mehr die scheinbare ausgrenzende Funktion erfüllt, weil in unserer Lebenswirklichkeit die ursprünglich enger gezogenen Rollenerwartungen sich viel breiter entwickelt haben und eben zeitgleich auch der Bedeutungsbezug der gewachsenen Wörter genauso breiter geworden ist.
Es wäre doch an der Zeit zu lernen, dass jeder so leben soll, wie er es für richtig empfindet, oder sie oder es. Das Wort 'jeder' bezieht sich doch auch auf 'männlich', 'weiblich', 'dazwischen'. Jeder soll so leben, wie es für sich für richtig empfunden wird. Es ist an der Zeit zu lernen, dass es mir nicht wehtut, wenn jemand so lebt, wie es mir persönlich nicht gefällt. Ich lebe ja auch so, wie nicht jedem es gefallen wird.
Dann ist es auch egal, wie die geschlechtliche Zusammensetzung ist beim Gebrauch von 'die Rechtsanwälte' oder wer genau dahintersteht in der Funktion 'des Rechtsanwalts'. Und immer dann, wenn es mal nicht egal sein sollte, dann kann man das doch mit den gewachsenen Funktionen der Sprache ausdrücken:
'die männlichen Rechtsanwälte', 'der männliche Arzt'
'die weiblichen Rechtsanwälte', 'die Bäckerin'
'die Rechtsanwälte mit dem diversen Geschlecht', 'der diverse Metzger'
und nach diesen einfachen Regeln ist einfach Klarheit, wer wann gemeint ist, und bei
'die Bäcker', 'die Ärzte', 'die Rechtsanwälte', 'die Bürger' ist klar, dass eben alle gemeint sind ohne Ansehen von Geschlecht, Haarfarbe, Schuhgröße.
Und im Singular ebenso, sobald im Satzumfeld klar ist, dass es um eine bestimmte Person geht, und dann kann auch eben konkret 'die Ärztin' formuliert werden oder es wird klar, dass 'der Arzt' definitiv in diesem Sinnzusammenhang tatsächlich sich dann auf einen konkreten Mann bezieht.
Einzig eine Bewusstseinsverlagerung wäre nötig, keine Sprachneuformulierung.
Und wer es nicht schafft, den modernen Bedeutungsgehalt zu verinnerlichen, und sich in die gewachsene Sprache einklagen möchte, der regt mich im Gegenzug an, mich mit gewachsenen Sprachmechanismen auch nicht mehr identifizieren zu wollen.
Dann fühle ich mich als Mann mit 'die Männer' auch nicht mehr abgeholt.
Dann fühle ich mich auch nicht mehr angesprochen, wenn mich jemand mit 'Sie' anredet.
Beides Beispiele, die ich jahrzehntelang über mich habe ergehen lassen, ohne zu klagen!