Was das Thema Ratsch und Tratsch betrifft, habe ich mir noch nie die geringsten Gedanken darüber gemacht, ebenso wenig wie meine Frau.
Wer sollte denn über mich reden? Warum? Mit wem? Über was? Und was hätte das für Auswirkungen?
Klar wird der eine oder andere Passant zu seiner Begleitung sagen: "Der trägt einen Rock/Kleid/...", aber erstens ist es wirklich so, zweitens bekomme ich es nicht mit.
Was bedeutet Gerede, Ratsch und Tratsch, dass es für manche zum Schreckgespenst werden kann?
Hallo Cephalus,
Deinen Gedankenansatz zu diesem Thema finde ich gut. Denn wer Angst vor Ratsch und Tratsch hat, sollte auch mal darüber nachdenken, wovor er/sie eigentlich Angst hat.
Aber auch der Ansatz von Gregor, bestimmte Dinge umzusetzen, um in seiner Komfortzone angekommen zu sein, aber nicht alles umzusetzen, was man gerne täte, finde ich im Grundsatz auch gut. Er bezog das mehr im Umgang innerhalb der Partnerschaft, im Sinne von, was geht und was geht nur mit aufziehenden Beeinträchtigungen der Partnerschaft.
Ich denke, mit diesem Ansatz bewegt man sich auch in jene Zone hinein, in der Gerede, Ratsch und Tratsch zu einem Thema werden könnte. Ist das Ziel ausserhalb dieser Zone, dann denke ich, dass die meisten - und ich auch - dann sich freier in ihrer Kleidungswahl entfalten. Vielleicht bewusst, vielleicht aber auch unbewusst.
Dieses Sich-Zurücknehmen in der Ratsch- und Tratsch-Zone (kurz mal RTZ) stellt natürlich dar einen vorauseilenden Gehorsam einer konservativ-spießig gedachten Gruppe gegenüber. Und bewegt man sich räumlich innerhalb dieser Gruppe, so lässt sich natürlich schwer vermitteln, dass sein eigenes Erscheinungsbild ja eigentlich bereits ein Kompromiss ist. Ein Kompromiss, den zwar niemand aus der Gruppe aktiv eingefordert hat. Dennoch wird es vermutlich uns dadurch leichter fallen, in der RTZ eine Art Anerkennung und Verständnis zu gewinnen, als wenn wir "den Bogen überspannt" hätten.
Gerade in der RTZ ist es vermutlich ähnlich, wie es mit uns bestellt war, als wir keinen Bock mehr auf das Hosendiktat hatten. Ein inneres Zermürben, zwischen dem, was man nicht mehr möchte oder nicht erträgt, und dem, was die Umwelt möchte/erwartet und erträgt - ein langsames stetiges Erkennen und Lernen. Das heisst, wir müssen der RTZ zugestehen, dass sie auch ihre Zeit braucht, bis sie uns zumindest in Ansätzen anerkennt, wie wir sind.
Da die RTZ ein großer Komplex mit vielen Beteiligten ist, wird man nie alle Angehörigen dieser Zone gleichermassen zeitlich wie auch inhaltlich erreichen. Es werden immer noch genügend Restbestände derjenigen geben, die genügend Potential einer Nachrede entwickeln können. Mit diesem Restmass eines gesellschaftlichen Druckes müssen wir lernen umzugehen. Und sei es die Tante Erna, die es einfach nicht verstehen will - oder kann.
Das Schreckgespenst der Nachrede - und ich will noch nicht mal von übler Nachrede sprechen - ist, dass man es nicht kontrollieren kann, dass man sich nicht erklären/verteidigen kann. Dann werden Interpretationen zu Wahrheiten verdichtet, und Realitäten geschaffen, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Die Konsequenz kann sein, dass viele Leute aus der RTZ sich von einem abwenden oder auch alleine schon Partner, Kinder, Verwandte deswegen ächten. Das ist das Schreckgespenst von Gerede, Ratsch und Tratsch.
Wenn man es geschickt anstellt, so wird man feststellen, dass einige dieser Leute, die sich so verhalten, einem ohnehin egal sind, wenn sie das täten. Ausserdem kann man versuchen, die anderen mit seinen selbst gefühlten "Wahrheiten" zu überzeugen. Am besten ist, sich auch weiterhin als aufgeschlossenen Menschen, der sympathisch und freundlich ist, in dieser RTZ zu zeigen. Und da ist es gut, sich auch in der RTZ zu bewegen, die RTZ nicht zu meiden sondern zu suchen. Sich dem Gerede mit seiner eigenen Ausstrahlung gegenüber zu stellen.
Hilfreich ist da der Gregor´sche Ansatz, indem man sich mit seinen gerne gelebten Freiheiten ein wenig zurückhält und einen vorauseilenden Gehorsam in Form von mit sich selbst ausgemachten Kompromissen den Bogen (zunächst) nicht überspannt. Dann sind die Interpretationsspielräume auch ein wenig kleiner und das Gerede ufert vielleicht nicht allzu sehr in unkontrollierte Dimensionen aus und die üblen Nachredner von heute sind vielleicht eher wieder in den Bereich der Tatsachen morgen zurückzuholen als wenn man dem Gerede Tür und Tor für die wildesten Spekulationen eröffnet.
Selig ist der, der entweder keine RTZ hat, oder der auf das Gerede grundsätzlich pfeifen kann. Denn, ist der Ruf erst einmal ruiniert, dann hat man wirklich alle Freiheiten. Vielleicht aber dann auch keine Unterstützer mehr.