Die Unterscheidung zwischen "kultureller Vorstufe" und "ordentlicher Kultur (nach wissenschaftlicher Definition)" und deren Grenzziehung halte ich durchaus für diskussionswürdig - allerdings an anderer Stelle.
Deinen letzten Sätzen kann ich auf Anhieb weitgehend zustimmen:
Unser Bedürfnis Menschen nach Geschlecht zu trennen, ist das Ergebnis einer entsprechenden kulturellen Gesellschaftsordnung, die in uns durch Sozialisierung inhärent geworden ist, und deswegen Widerstand leistet auch wenn die Gesellschaft im Wandel ist. Das ist soziologisch gesprochen ein strukturelles Phänomen.
Da wären wir beim eigentlichen Thema wieder. Jedoch Deine Hinführung zum Thema beinhaltet für mich Widersprüche:
Jetzt der Bogen zum Ursprungsthema. Die Geschlechter unterschiedlich zu markieren ist eine soziokulturelle Entscheidung und erfordert die Konstruktion eines kulturellen Geschlechts (Gender). Ergo, ohne Kultur kein Gender.
Ja, das Ursprungsthema berührt auf jeden Fall auch Gender. Aber die Schlußfolgerung, dass ohne Kultur kein Gender gäbe, erschließt sich mir nicht. Ebenso auch nicht, dass Gender einzig eine soziokulturelle Entscheidung sei.
Und selbst im Tierreich, wo man nun am ehesten übereinstimmend unterstellen kann, dass Erscheinungsformen nicht das Ergebnis soziokultureller Entscheidungen sein werden, sind sehr häufig - fast überall - die Geschlechter unterschiedlich markiert. Und das sogar ganz ohne Gender.
Die körperliche Unterscheidung zwischen Mann und Frau beim Menschen wird mit Sicherheit auch nicht einzig das Ergebnis kultureller Bemühungen sein. Der statistisch durchschnittlich abweichende Körperbau eines Mannes vom Körperbau einer Frau mag auch kulturellen Faktoren unterliegen (Stichwort: Muckibude, nur mal als Beispiel), wird aber nicht einzig durch kulturelle Leistungen festgelegt sein (primäre Geschlechtsorgane z.B.).
Mann und Frau sind bei allen Gleichheitsbestrebungen in der Tat unterschiedlich. Und das auch schon ganz ohne Einbeziehung von gender-bedingten Unterschieden.
Warum aber - und das ist die Kernfrage - ist in vielen sozialen Interaktionen zwischen uns Menschen, wie zum Beispiel in der Warteschlange beim Metzger, wo es in der Begegnung und der Zweckerfüllung keinerlei Rolle spielt, ob jemand Mann oder Frau ist, dennoch legen wir dabei sehr oft Wert auf die Feststellung, ob nun jemand Mann oder Frau ist. Beim Metzger zum Beispiel: "Der Herr war vor Ihnen in der Reihe!"
Was macht - um Deine Wort zu benutzen, Holger - die "entsprechende kulturelle Gesellschaftsordnung" aus? Welcher, vielleicht auch überkommene, Wert steckt dahinter?
Das wäre wichtig zu ergründen. Finde ich.