Lieber Holger,
klar sind die Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit Konstrukte unseres Geistes. Allerdings nicht individuell willkürlich, sondern sozial vermittelt. Das gleiche gilt für unsere Sprache. Mit dem Klangder Muttersprache verbinden wir andere Gefühle als mit den Klängen fremder Sprachen. So kontextabhängig das ist, so wirklich ist doch zugleich.
Wenn man darüber reflektiert oder auch, wenn man achtsam in sich hineinhorcht, kann man sich von sozialen Konstrukten ein wenig emanzipieren.
Nichts Kulturelles ist biologisch so festgelegt, dass es eindeutig einander zuzuordnen wäre. Wenn man Musik hört, gibt es psychosomatissche Wikngunen aufgrund der Töne, Rhythmen, Harmonien usw., und es gibt die Wirkung der Assoziationen, wenn wir bei bestimmen Liedern oder Stücke an bestimmte Dinge denken und sie auch fühlen. Das ist auch wirklich.
So kann ich z.B. einen Kilt, einen Dudelsack und einen Whisky miteinander zu eine schottischen Bedeutung kombiieren, bei der nichts austauschbar ist. Und so ist es auch mit einem leichten Sommerrock, einem Blumenmuster und lackierten Nägeln. Das erste ist schottisch, das zweite ist weiblich, von beidem kann man angezogen oder abgestoßen, fasziniert oder gelangweilt werden. Man kann auch völlig unberührt davon sein. Will man das aber nur auf Biologie reduzieren, geht Kultur verloren. Denn Kultur besteht nicht nur aus Biologie. Es kann auch das erste weiblich und das zweite schottisch sein. Doch kommen diese Assoziationen seltener.
Es ist nicht so, dass ich das Harte der Männerrolle nicht mag, sondern ich mag nur nicht, wenn Mann darauf reduziert und dazu verpflichtet wird. Ich finde, die Rollenvorstellungen beider und aller Geschlechter düften weder zementiert, noch auf Biologie rezuziert werden, sondern dürfen sich bewegen, ändern, anpassen, behaupten und immer wieder neu ausgehandelt werden. Ich liebe die Vielfalt!
Und wenn Mann es genießt, sich etwas weiblich und Frau, sich etwas männlich zu fühlen, wenn er*sie bestimmte Kleidung trägt, soll man es ihnen verbieten, nur weil man sich mit denselben Kleidungsstücken auch ganz anders fühlen kann? Gibt es hier erlaubte und verbotene Gefühle?
Ich liebe z.B. meine Frau und möchte meine Liebe auch nicht auf biologische Funktionen reduziert haben, wenngleich sie sich z.T. dadurch erklären lässt.