Autor Thema: Der Rock im Spiegel  (Gelesen 4041 mal)

Offline Rockmusiker

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Der Rock im Spiegel
« am: 16.06.2012 15:34 »
Ich bin ja nun schon seit einiger Zeit dabei und Röcke gehören nach wie vor nicht zu meiner regelmäßigen öffentlichen Alltagskleidung. Zum einen liegt das wohl auch daran, daß ich mich in der Freizeit vor allem zu hause oder auf dem Fahrrad befinde, aber ich habe auch ein paar Mechanismen in meinem Denken und Fühlen entdeckt, die mich zurückhalten.

Der wichtigste Faktor ist vermutlich das Selbstbild. Mit der üblichen Kleidung habe ich eine schlafwandlerische Sicherheit entwickelt, ich verlasse mich einfach darauf, daß das, was ich trage, zu mir paßt und "vernünftig" aussieht. Bei Röcken bin ich auf den Spiegel angewiesen und das macht die Sache ungemein kompliziert! Wenn ich lange genug überlege, steht mir eigentlich überhaupt kein Rock. Manche sind offensichtlich falsch, das ist vermutlich realitätsnah, bei anderen finde ich erst später ein Problem. Würde ich allerdings meine Alltagskleidung genauso minutiös begutachten, könnte ich das Haus vermutlich überhaupt nicht verlassen. Im Prinzip müßte ich also meine Zeit vor dem Spiegel auf das notwendige Maß reduzieren und mich dann darauf verlassen, daß es mit meiner Kleidung kein Problem gibt. Aber was ist ein Problem und was nicht?

Ich nehme mir jetzt mal ein paar Fotos von mir aus der Galerie vor:

http://www.rockmode.de/index.php?action=gallery;sa=view;id=627
Das gefällt mir eigentlich sehr gut, nur das T-Shirt spannt über dem Bauch, müßte ich rausziehen. Wenn ich mir das Bild lange genug ansehe, finde ich die Strümpfe zu kurz. Entweder bis unters Knie oder halt Socken. Die Strümpfe waren eh nur ein Test, dieser Rock ist tatsächlich recht unproblematisch.

http://www.rockmode.de/index.php?action=gallery;sa=view;id=868
Der gleiche Rock, diesmal mit Leggings und leichten unauffälligen Schuhen. Grundsätzlich kein Problem. Wenn ich genauer hinsehe, fällt mir natürlich auf, daß die Haut an den Knien leicht durchscheint, außerdem haben die Leggings einen leichten Glanz. Dazu noch etwas buntere Sneakers, und ich bin nicht mehr zufrieden.

http://www.rockmode.de/index.php?action=gallery;sa=view;id=625
Auf dem Bild ist es schwer, etwas störendes zu finden. Leider habe ich einen leichten Bauchansatz, da sieht es immer besser aus, wenn das Oberteil frei fällt, dafür kann natürlich der Rock nichts. Aufgrund der Proportionen Oberkörper/Unterkörper habe ich aber immer das Problem, passende - nicht zu lange - Oberteile zu finden. Was man hier nicht sieht, ist ein seitlicher Bogen, den ich mit meinen männlichen Hüften nicht ausfüllen kann. Aber ich war eben beim Schneider und der wird das Problem beheben.

So, drei Beispiele, wie man sich einen Rock "vermiesen" kann. Es sind nicht ganz subjektive Gründe, aber ob die tatsächlich ausreichen, um ein Outfit abzulehnen? Ich denke nicht, jedenfalls nicht für den Alltagsgebrauch. Aber es ist nun mal so, daß Rock für mich etwas besonderes ist, da bin ich halt kritischer. Es ist übrigens nicht so, daß ich in den obigen Outfits nicht auf die Straße gehen würde, aber ausgerechnet dann, wenn ich mich mal freue, im Rock rauszugehen, fallen mir solche Kleinigkeiten auf und ich fange an, daran herumzudoktern. Dabei verliere ich entweder viel Zeit, bin manchmal am Ende total frustriert oder ich greife schlicht und einfach zur Hose.

Ich glaube nicht, daß ich an diesem Mechanismus tatsächlich etwas ändern kann, aber es gibt ja Lösungen. Ich muß halt hinnehmen, daß die Auswahl an Röcken und Kombinationen beschränkt sind und lernen, was aus meinem Kleiderschrank zusammenpaßt. Ich darf auch nicht vergessen, daß ich mich im Kombinieren von Hosen seit rund 40 Jahren geübt habe, während ich an Röcken ja erst ungefähr zwei Jahre interessiert bin.

Tatsache ist aber, daß ich nach bestandenem Spiegeltest kein Problem habe, öffentlich Rock zu tragen. Aber jeder kleine Fehler macht mich nervös. Inzwischen vermute ich allerdings, daß diese "kleinen Fehler" garnicht so klein sind und daß ich die einfach vermeiden sollte.

Offline tirkk

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Re: Der Rock im Spiegel
« Antwort #1 am: 16.06.2012 19:29 »
Hallo Rockmusiker!  Tatsache ist doch, das man sich in Hosen nicht immer wieder vor dem Spiegel stellt, dreht und es für passend oder unpassend hält. Wenn ich einen Rock anziehe, sieht das aber ganz anders aus. Da muß alles passen. Schließlich wird man da auch des Öfteren genau von den Mitmenschen unt er die Lupe genommen. In Hosen fällt es doch gar nicht auf, wenn mal was nicht zu 100% zusammenpasst. Aber ich denke, wir Männer machen uns da viel zu viel Gedanken. Beobachte doch mal die Frauen in der Stadt. Da sind doch unmöglich gekleidete Gestalten dabei. So würde ich nicht mal nachts zum Mülleimer gehen.

LG smart-rocker,
der immer öfter im Rock unterwegs ist. Neuerdings auch beim Radfahren.
Männlich ist, sich auch im Rock wohl zu fühlen. Ich nehme mir die Freiheit, ANDERS zu sein!

Offline Rockmusiker

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Re: Der Rock im Spiegel
« Antwort #2 am: 17.06.2012 01:25 »
Ich denke nicht, daß einen andere genauer mustern, wenn man als Mann einen Rock trägt. Ich glaube sogar, daß das Gegenteil der Fall ist. Fremde sehen vermutlich in erster Linie "Mann im Rock" und vermutlich noch, wie gepflegt man ist. Auf Details achtet man nur, wenn sie sehr stark hervorstechen - den Rock zähle ich allerdings nicht zu den Details.

Ein Gesamtbild kann durchaus auch mit kleinen Fehlern noch stimmig wirken, dazu gehört ja nicht nur die Kleidung sondern auch die Person darin, bzw. das, was man beim ersten Eindruck als die Persönlichkeit erkennt.

Mir ist es im Spiegel nur wichtig, daß ich mich selbst sehe und keinen Fremden oder ein verfremdetes ich. Natürlich liegt der Ursprung des Eindrucks oft in Details und deren Wirkung muß man erstmal kennenlernen. Wie gesagt, mit Hosen kenne ich mich bestens aus. Einen Spiegel benötige ich nur für neue Hosen oder wenn ich mich mal besonders anziehe, z.b. Anzug. Ich denke, es ist auch kein Zufall, daß Frauen beim Ankleiden mehr Zeit vor dem Spiegel verbringen, denn die haben ja viel öfter komplett andere Outfits zu meistern, heute Bluse, morgen Tunika, übermorgen Tank Top, und dann mal mit Hose und mal mit Rock. Daß sowohl Frauen wie auch Männer unter Geschmacksverwirrung leiden können, hat damit überhaupt nichts zu tun, es gibt sogar Menschen, denen ihr Äußeres völlig egal ist.

Offline cephalus

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Re: Der Rock im Spiegel
« Antwort #3 am: 17.06.2012 08:51 »
Hallo Rockmusiker,

wenn ich mir deine Zeilen so durchlese, habe ich nicht das Gefühl, dass du bei den Röcken weniger Übung hast als bei den Hosen und sich weniger mögliche  Kombinationen ergeben.
Für deine Zweifel sehe ich  nur den Grund, dass du vermutlich unsicherer bist und daher kritischer und dir in deinem Kopf ein präziseres Bild deiner Erscheinung zurechtgelegt hast, als du es mit einer Hose jemals tun würdest.

Es geht auch nicht darum, wie andere die Details sehen, sondern darum, dass du genau deinen Vorstellungen entsprichst  - nur dann fühlst du dich sicher und wagst dich unter die Menschen.

Was die davon halten ist erstmal sekundär, erst wenn ein entsprechendes Feedback kommt, ändert man evtl. das (gewünschte) Selbstbild.

Und manchmal erwartet man etwas anderes im Spiegel, ohne genau sagen zu können was und wieso und ist unzufrieden, wie ich gerade mit meiner eben zusammengenadelten Neukreation.

Zu deinen Bildern: In sich stimmig finde ich alle, nur das schwarze gefällt mir…

Cephalus


Offline Rockmusiker

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Re: Der Rock im Spiegel
« Antwort #4 am: 18.06.2012 21:59 »
cephalus: Mein Image in Hosen ist seit langem fertig, ich kenne viele Variationsmöglichkeiten und brauche keinen Spiegel, um das zu kontrollieren. Jetzt schraube ich daran, ein entsprechendes Image im Rock aufzubauen. Wenn ich Rock trage, bin ich ja keine andere Person, und wenn mich jemand sieht, soll er, sobald er über den Rock hinweggekommen ist, wieder den ganz normalen "Rockmusiker" sehen, den er schon vorher kannte, vielleicht in einem anderen Licht, aber immer noch das Original.

Wenn ich ein neues Musikstück einstudiert habe, bin ich damit auch noch lange nicht fertig. Es gilt dann, das Stück genauer zu begreifen und das, was ich verstanden habe, ans Publikum zu liefern. Das ist der zweitgrößte Spaß beim Musik machen (der größte ist natürlich das Auftreten). Dieser Prozeß ist den Ankleideversuchen vorm Spiegel sehr ähnlich, allerdings kann er auch im Kopf ablaufen, man braucht weder Instrument noch Spiegel. Wenn ich damit beginne, ist das Stück absolut aufführungsreif und ich habe keine Probleme damit, es so "unfertig" vorzuspielen. Aber es fehlt halt die Rafinesse und deswegen lasse ich das Stück noch lange nicht in Ruhe. Mit Röcken ist es genauso, ich habe kein Problem, mit einem "unfertigen" Outfit auf die Straße zu gehen. Manchmal zögere ich mit dem Rock, weil es ein Rock ist und öffentlich Rock zu tragen für mich absolut noch kein Alltag ist. Aber das ist ein ganz anderes Thema, was nicht hierher gehört. Darüber gibt es im Forum genügend andere Diskussionen.

Offline hirti

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Re: Der Rock im Spiegel
« Antwort #5 am: 20.06.2012 09:47 »
Hallo Rockmusiker!

Interessante Überlegungen!
Dass dir öfter mal ein Problemfall aus dem Spiegel entgegenguckt liegt meiner Meinung nach daran, dass man mit Rock viele Möglichkeiten zusätzlich hat, etwas richtig oder falsch zu machen.
Trag ich eine Jeans, so passen so gut wie alle Schuhe dazu. Die Socken sind wurscht, sieht man eh nicht. Und je nach Grad an Eleganz den ich erreichen will, variiere ich von Muskelshirt bis Hemd mit Krawatte.

Im Rock gibts aber einfach mehr das man einerseits falsch machen, mit dem man aber auch andererseits auch glänzen kann. Ich meine, da braucht es auch einfach Übung um Sicherheit zu erlangen. Meine schwarzen Sneakers finde ich nur mit Sneakersocken cool zum Rock - dafür passen sie aber zu fast jedem Rock und zu etlichen Kleidern gut. Über einen Bleistiftrock kann man einfach kein weites Oberteil ziehen.
So ergeben sich Dinge die man abhaken kann weil sie nicht gefallen - es ergeben sich aber auch Kombinationen die gut passen und wenn man die mal hat, dann kann man in den Schrank greifen und hat ein tolles Rock Outfit zur Hand.

Nur bis dahin bedarf es vieler selbstkritischer Blicke in den Spiegel, aber auch ein wenig Mut, mal mit einem Fehlgriff auf der Straße zu erscheinen.

lg, Hirti


 

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