Autor Thema: Wahn oder Wahnsinn  (Gelesen 9151 mal)

Offline Matthias

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Wahn oder Wahnsinn
« am: 13.03.2007 03:58 »
Hallo allerseits,

eine vielleicht provokative Ãœberschrift.
Immer wieder lese ich, wir sind keine Frauen und möchten auch keine sein, deshalb sind wir Männer und sind Männer.
 Aber Rock tragen möchten wir!!

Gefragt ist hier nicht primär der Rock am Mann, sondern warum der Rock gerne am Mann wäre...

Frauen tragen doch auch Hosen.

Grüße
Matthias
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JuergenB

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #1 am: 13.03.2007 10:42 »
Immer wieder lese ich, wir sind keine Frauen und möchten auch keine sein, deshalb sind wir Männer und sind Männer.
 Aber Rock tragen möchten wir!!

Hallo Matthias,

schön mal wieder von Dir zu lesen!

Abgesehen von der Ãœberschrift: ich trage Rock weil ich Mann bin! Nein, ich brauche keine Hose, keine Protzkarre oder ähnliche vermeintliche Insignien der Männlichkeit (vermeintlich, weil sie genauso auch von Frauen genutzt werden), um eigene Defizite zu verschleiern. Wer das nötig hat, der tut mir leid.

Ein Wahn ist demzufolge eher, in diesen vermeintlichen Insignien die eigene Männlichkeit zu begründen.

Gruß
Jürgen

Offline Ferdi

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #2 am: 13.03.2007 13:47 »
Hallo zusammen!

"Aber Rock tragen möchten wir!" schreibt Matthias. Und ich sage immer wieder: Dann lasst es uns doch tun! Dass Frauen Hosen tragen ist zwar gut und schön, aber das ist für mich kein Grund. Ich trage Röcke, weil sie mir gefallen, weil ich mir selbst darin gefalle und mich stolz und wohl fühle. Das ist für mich der alles entscheidende Grund. Verhaltensweisen anderer Menschen haben auf mein eigenes Verhalten keinerlei Einfluß.

Die Hose ist in erster Linie ein Zweckkleidungsstück, ähnlich wie z. B. ein Arbeitskittel. Sie wird getragen, weil man in ihr bestimmte Arbeiten besser ausführen kann, z. B. unter ein Auto zu kriechen oder auf eine Leiter zu steigen, um ein Dach zu reparieren.

Ein Rock ist für mich eher ein Kleidungsstück der Schönheit und des Wohlfühlens, ein Kleidungsstück, das enorm schöne Trageeigenschaften hat, das Sinnlichkeit vermittelt, zum Beispiel wenn der Sommerwind sanft um die Oberschenkel streicht oder wenn sich diese beim Gehen leicht aneinander reiben. Mit einem Rock kann man sich schön und interessant kleiden, man kann viel mehr kombinieren, weil es so viel mehr Arten und Formen von Röcken gibt wie bei den Hosen. Röcke sind vielfältig, Hosen sind einfältig. Röcke sind für Mann und Frau einfach schöne Kleidungsstücke. Dabei kann und soll es für die beiden Geschlechter ruhig Unterschiede im Design oder in der Farbgebung geben. Es darf aber nicht sein, dass diese ganze Kategorie "Rock" grundsätzlich und komplett für das männliche Geschlecht tabuisiert wird, während die Kleidungsvielfalt für das weibliche Geschlecht eine Selbstverständlichkeit darstellt. Dabei wird ein mit Stolz und Selbstbewußtsein nonchalant getragener Rock von den feinen Antennen der Damenwelt durchaus als Zeichen männlicher Stärke empfunden. So erklärt es sich, dass die Mehrheit der Frauen von rocktragenden Männern irgendwie beeindruckt ist und die Daumen hebt. Ich erlebe das immer und immer wieder.

Obwohl jeder das Recht hat zu tragen was er will, tragen so wenig Männer Röcke. Weil sie sich nicht dafür interessieren, sie haben ganz andere Interessen. Und diejenigen, die es doch mal gerne ausprobieren möchten, haben einfach nur die total irrationale und unbegründbare Angst, sie wären dann keine richtigen Männer. Männer haben vielfach das schon fast fetischistische Bedürfnis, äußere Fassaden der Männlichkeitsdarstellung zu benutzen. Ihnen ist einfach nicht klar zu machen, dass Mann sein nicht davon abhängt, ob sie Hosen, Anzüge oder Röcke tragen. Sie sind nicht sie selbst sondern brauchen diese "Hologramme", um der Umwelt etwas vorzuspiegeln, was ihnen anscheinend fehlt: Selbstbewußtsein.

Daher fordere ich alle auf, die selbstbewusst sind und Röcke selbstverständlich tragen, dies so oft wie möglich zu tun, um der Umwelt zu zeigen, dass man als Mann auch Röcke (und andere ungewohnte Kleidung) tragen kann, ohne sein eigenes Männerbild zu verlieren. Nur so wird die Umwelt allmählich von dem Trugschluß wegkommen, rocktragende Männer seien in Wirklichkeit Möchtegern-Frauen oder schwul oder wollen eine Geschlechtsumwandlung anstreben.

Für hosenanzugtragende Ministerinnen und Bundeskanzlerinnen scheint es diese Vorurteile nicht zu geben. Warum eigentlich nicht?

Wenn ich in den Männerrockforen lese, wie sehr sich manche Männer damit rumquälen, weil sie so wahnsinnig gerne auch Röcke tragen wollen, es aber mangels Willensstärke einfach nicht schaffen, dann erfüllt mich das mit Traurigkeit. Diese Männer tun mir einfach leid.

Gruss,
Ferdi
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Offline nasenbaer

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #3 am: 21.03.2007 08:13 »
Das Mann mit soetwas im Krankenhaus aneckt, ist gelinde gesagt, ein Witz. Die sahen überhaupt nicht weiblich aus, nicht vom Muster oder der Farbe oder sonstetwas.

Da kommen wir doch langsam auf den Punkt!

Eigentlich geht es nämlich gar nicht darum, ob Kleidung weiblich oder männlich aussieht, es reicht schon, wenn jemand, so wie er/sie gekleidet ist, ungewöhnlich aussieht!

Das geht übrigens Frauen letztlich ganz genau so!

Der Unterschied ist vermutlich eben nur der, daß Frauen sich nicht davon beirren lassen, wenn ihr Äußeres nicht jedem/jeder gefällt! Sie richten sich weniger nach dem, was andere davon halten und mehr danach, wie sie sich (selbst) damit fühlen!

Genau dieser Unterschied ist wohl auch in den meisten Fällen maßgeblich daran Schuld, daß Männer sich eher nicht trauen Röcke zu tragen oder sich sonst wie ungewöhnlich zu kleiden. Es ist weniger die Angst, weiblich zu wirken, als viel mehr die allgemeine Sorge vor den (möglichen) Reaktionen von anderen Menschen und die Tatsache, daß diese (möglichen/befürchteten) Reaktionen überbewertet und wichtiger genommen werden, als die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und das eigene Wohlbefinden!

Das ist zumindest meine persönliche Meinung dazu.
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Offline nasenbaer

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #4 am: 21.03.2007 11:48 »
Ich glaube nämlich überhaupt nicht, daß sich Frauen mehr danach richten, wie sie sich selbst damit fühlen.
Die setzen ihre Kleidung doch auch zweckmäßig ein, wenn sie jemanden beeindrucken, gefallen ... wollen oder sich dichtmachen.

Ist das jetzt wirklich ein Widerspruch?

Zum einen sollte man den Zusammenhang berücksichtigen und dann das Wort "mehr" nicht vernachlässigen!

Das Wort mehr besagt ja, daß sie ihrer eigenen Einschätzung einen höheren Wert beimessen, aber es besagt nicht, daß sie dabei die Reaktionen und Meinungen anderer vollkommen ignorieren!

In dem Zusammenhang wie ich diese Aussage gemacht habe, widerspricht sie Deiner Aussage keineswegs. Auch wenn Frauen ihre Kleidung zweckmäßig einsetzen, z.B. um andere zu beeindrucken, so verfolgen sie doch auch damit IHRE Ziele und nicht die anderer! Und wenn sie dann andere tatsächlich beeindrucken konnten, dann fühlen SIE SELBST sich gut dabei. Diese Aspekte, die eigenen Gefühle bzw. das eigene Wohlbefinden, spielen für Frauen üblicherweise eine deutlich größere Rolle als für Männer.

Männer stellen dagegen nur allzu oft die pragmatischen Gesichtspunkte und (vermeintliche) Notwendigkeiten in den Mittelpunkt ihrer Ãœberlegungen und tun dabei nicht selten Dinge, mit denen sie sich eigentlich unwohl fühlen, weil sie glauben, daß es so von ihnen erwartet wird. Selbstverständlich merken sie gegebenfalls auch, daß sie sich unwohl fühlen, sie richten sich aber weniger nach ihren eigenen Bedürfnissen als vielmehr nach den Erwartungen, denen sie sich (vermeintlich) gegenüber sehen.

Für beide spielen die verschiedensten Dinge eine Rolle, aber sie schenken ihnen jeweils unterschiedlich viel Bedeutung. Das ist der Unterschied den ich meine.

Um es nochmal überspitzt zu formulieren könnte man stark vereinfacht sagen:

Frauen denken: "...weil ich es so möchte..."

und Männer denken: "...weil es von mir so erwartet wird..."

Selbstverständlich kann man das nicht so pauschal verallgemeinern, aber in der Tendenz erlebe ich es schon so.
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Offline Ferdi

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #5 am: 21.03.2007 15:06 »
Hallo Ihr!

In einem Feministinnenforum habe ich mal gelesen: "Frauen werden als Frauen geboren, Männer werden zu Männern gemacht".

Das bedeutet für mich, dass Frauen einfach zufrieden sind mit dem, was sie sind. Männer hingegen sind erst dann zufrieden, wenn sie zu Männern gemacht werden, mit anderen Worten, solange sie nicht gewisse Männlichkeitsrituale absolviert haben, sind sie mit ihrem Mann-Sein unzufrieden. Dazu gehören die Ãœbernahme gewisser Verhaltensweisen (Dominanz, Empathielosigkeit) und auch die Ãœberbetonung gewisser Äußerlichkeiten. Ein General ist erst ein General in der entsprechenden Uniform, ein Vorstandsvorsitzender eines Heuschreckenschwarms ist das erst dann, wenn er einen entsprechenden Anzug trägt, usw. usw.

Für mich ist das eine besondere Form des Fetischismus. Männlichkeitsfetischismus! Mehr scheinen als sein!

Frauen haben das nicht nötig, die fühlen sich einfach weiblich, auch dann, wenn sie Hosenanzüge und Krawatten tragen. Die haben keine Probleme mit ihrer Kleidung. Die sind selbstbewußt und stellen daher in meinen Augen das stärkere Geschlecht dar.

Männer hingegen zelebrieren Anpassungsrituale und bauen Hologramme auf. Dadurch sind sie in Wirklichkeit oft todunglücklich, weil sie sich in diesen Schablonen und Cocons wie eingesperrt fühlen, ohne das bewusst zu wissen. Keiner hat das intensiver erlebt als ich. Mir wurde durch den Einstieg ins Rocktragen schlagartig klar, welche neuen Räume der Selbstzufriedenheit und des Wohlfühlens sich mir geöffnet haben. Meine Röcke gehören zu mir, sie sind Ausdruck meiner Zufriedenheit, ich bin stolz darauf, sie zu tragen und die Umgebung damit positiv zu beeinflussen. Den meisten Männern entgeht das, weil sie es einfach nicht wissen.

Die Männerrockforen sind ein wichtiges Mittel, diese Informationen nach aussen in die Umwelt zu transportieren.

Gruss,
Ferdi
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Offline Ferdi

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #6 am: 21.03.2007 22:14 »
Lieber Picture!

Zitat
Ich glaube es gibt beides, Männlichkeitsrituale und Weiblichkeitsrituale. Neben dem Männlichkeitsfetischismus gibt es ja auch den Weiblichkeitswahn. Beide sind gleichermaßen sich selbst entfremdet durch die Rollenerwartungen und den vorauseilenden Gehorsam allenthalben, diese zu erfüllen.

Das mag sein, gibt es wirklich, aber ich glaube, da gibt es einen Unterschied. Frauen können sich diesen Ritualen hingeben, müssen es aber nicht. Eines dieser Rituale ist der Schlankheitswahn und auch ein gewisser Klamottenfetischismus. Das kann man sehr gut in Frauenmodeforen erkennen. Aber Frauen, die sich diesem nicht hingeben, und das sind wohl die meisten, fühlen sich auf jeden Fall dennoch als Frau, als weiblich.

Hingegen brauchen die meisten Männer ihre Symbole, sei es als Kleidung, sei es in Form von anderen Gegenständen wie supergroße schnelle Autos oder Motorräder oder in Form von dicken Bankkonten. Ohne dieses fühlen sich Männer nicht mehr männlich. Erst recht nicht, wenn sie einen Rock anziehen sollen. Dann heisst es schnell "unmännlich - bäääh - weibisch". Warum haben denn die Frauen keine Probleme mit männlicher Kleidung, die Männer umgekehrt jedoch sehr? Diese Ungleichbewertung stört mich so sehr. Hierzu passt die Meldung von Bussard über das berockte Kindergartenkind im Parsimonyforum wie die Faust aufs Auge.

Ich bin froh und glücklich, dass ich auf den ganzen Zirkus nicht angewiesen bin, ich fühle mich in meinen Röcken so wohl, kann man kaum beschreiben. Es ist einfach schön zu leben und sich so authentisch ohne Verstellung nach aussen zu geben. Eine gewisse geheimnisvolle Aura, die sich durch die ungewohnte Optik ergibt, verstärkt das ganze Wohlfühlen noch.

Liebe Grüsse,
Ferdi

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Offline Dieter

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #7 am: 22.03.2007 06:21 »


Hingegen brauchen die meisten Männer ihre Symbole, sei es als Kleidung, sei es in Form von anderen Gegenständen wie supergroße schnelle Autos oder Motorräder oder in Form von dicken Bankkonten. Ohne dieses fühlen sich Männer nicht mehr männlich.Liebe Grüsse,
Ferdi

Mit Verlaub, das ist Quatsch. Wie viele Männer kennst Du, die dicke Autos und Motorräder fahren?
Ich habe zur Zeit neben meinen Alltagsfahrzeugen zwei Roadster und zwei Motorräder UND ich trage Röcke. Was nun?

Und natürlich kenne ich viele aus dieser Szene. Da ist nicht einer darunter, der das macht, damit er sein Mannsein unterstreichen kann, das sind alles Leute, die damit Spass haben wollen, oft nur für sich alleine, ähnlich wie Du mit den Röcken.
Wen dieses Vorurteil zutreffen mag, dann vielleicht in der Tiefer-Breiter-Lauter-Szene, da die viel mehr mit Selbstdarstellung und Außenwirkung zu tun hat, aber selbst da gibt es genug, die mehr am Basteln und Schrauben Spass haben als damit, das Ergebnis auf den Ringen in Köln zu präsentieren.
Ich denke, gerade wir sollten bei der Beurteilung der Marotten anderer Leute zurückhaltend sein, schliesslich sitzen wir in einem ganz besonderen Glashaus.

Gruß

Dieter

der heute in die Stadt muss, warm angezogen im Kilted Skired, gefütterter Lederjacke, Lederstiefel und ohne Roadster, da es gerade schneit. Vielleicht sieht man sich, ich werde bei Bouvier nach Büchern stöbern.

Offline cephalus

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #8 am: 22.03.2007 19:00 »
Hallo Picture, Hallo Ferdi,
mir sind die Bewertungen der männlichen Insignien auch zu pauschal, auch wenn ich gerne dicke Motorräder fahre, hat das für mich nichts mit Männlichkeit zu tun, sondern einfach nur mit Spaß, mal abgesehen davon, dass es meiner Freundin mindestens ebenso viel Spass macht, auch wenn sie aufgrund der Körpergröße besser mit einem etwas leichteren Modell vorlieb nimmt.

Ich glaube nicht an die Thesen, daß diese Fragen vom Geschlecht abhängen. Meines Erachtens sind es Ãœberbleibsel, die in der Moderne nicht mehr standhalten können, sich auflösen.

Schon das starre Festhalten daran während der Zeit des Totalitarismus war rückwärtsgewand, weil diese Ãœberbleibsel schon damals ins Wanken gerieten. Heute werden auch diese letzten Reste aufgebrochen.

Aber, auch wenn die männlichen Statussymbole teilweise auf dem Rückzug sind, denke ich nicht dass sie ihre Bedeutung kurz- oder mittelfristig verlieren und jetzt die letzten Reste dieser Denkstrukturen aufgebrochen werden.
Ich habe eher den Eindruck, die Gesellschaft spaltet sich in ihen Ansichten: Für die eine Hälfte soll alles bleiben wie es ist, lieber geht sie einen Schritt in Richtung Vergangenheit um sich in der trügerischen Sicherheit des Bewährten zu wähnen, die andere sucht und beschreitet neue Wege wobei das gegenseitige Unverständniss immer weiter zunimmt.

Was das Verstehen der anderen betrifft kann ich mich auch nicht aussen vor lassen, mir will es nicht in den Kopf, wenn Menschen immer Angst vor Veränderung und Neuem haben, auch wenn ich die Tatsache klar erkenne.

So gesehen ist es eigentlich normal, wenn die andere Seite mich auch nicht versteht - einen Ausweg aus diesem Dilemma kann ich nicht erkennen, bestenfals das typische bayerische Lebensmotto "Leben und leben lassen".

Viele Grüße
Cephalus

JuergenB

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #9 am: 22.03.2007 22:03 »
Hallo Leute,

genauso wie es unter den rocktragenden Männern sicherlich auch sexuell motivierte gibt, so findet sich unter den Fahrern dicker Autos oder dicker Motorräder oder anderer als Statussymbol tauglichen Gegenstände sicherlich auch einige, die das genau dafür, also als Potenzersatz, brauchen. In beiden Fällen wird das vermutlich nur ein Bruchteil sein. Die einzig wahre Pauschalaussage ist wie immer, dass Pauschalaussagen immer falsch sind.

Man kann sie aber erkennen, die Männer die das brauchen. So ging ich mal in einen McD, auf dessen Parkplatz sich die örtliche Jugend traf um mit ihren aufgemotzten Kisten zu protzen. Als der großkotzigste von denen mich mit Rock sah und zu lästern begann, sagte ich während ich auf den übergroßen Auspuff seines alten Golf zeigte: "Was Du da unter Deiner Klapperkiste hängen hast, das hab ich unterm Rock. Ich hab meine Potenz hier, und Du brauchst als Ersatz dafür Dein Auto. Ja und?" Seine Kinnlade fiel noch schneller zu Boden als der Auspuff von der alten Karre abrosten konnte.

Gruß
Jürgen

Offline Libertarian

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #10 am: 08.09.2007 13:08 »
Hi alle,

unglaublich, welch interessante Aussagen und Meinungen hier in diesem Forum zu lesen sind... seit Tagen bin ich nur am Staunen (in positiver Hinsicht!).

Zum Thema "Wahn" - und da muss ich gleich mal ein Stück von mir selbst outen: Ich war sehr lange Zeitsoldat der Bundeswehr (bin übrigens gern Soldat gewesen). Was mir aber in dem zu meiner Zeit noch reinem Männerverein immer wieder auffiel - und das war es, was mich letztlich aus dem Haufen rausgetrieben hat, war der unkritische Männlichkeitswahn, quer durch alle Dienstgradgruppen, praktiziert von allen sozialen Schichten, nicht obwohl, sondern vielleicht WEIL
 1. es ein Männerverein war/ist, wo Männer nach vermeintlich "Männlichem" suchen - in Wahrheit aber die Nähe eben zu Männern suchen (Homophilie)
 2. notwendig uniforme Homogenität herrscht, die dem Einzelnen nicht nur das Nachdenken über Individualität erübrigt, sondern diese kreative Fähigkeit bei vielen mit der Zeit sogar verschütten lässt
und 3. banalerweise keine FRAUEN  anwesend waren, auf die man(n) sich hätte einstellen müssen: Eine latente Frauenflucht, weil diese zuvor "männliche" Territorien eroberten? (Denkt mal an die Biedermeierzeit, wie sehr es gerade anders war, Männer und Frauen wollten unbedingt zusammen sein!) - wo ist dieses Zusammenseinwollen hingekommen?

Viele Rituale, die ich (nur) unter (kasernierten) Männern beim Bund erlebte (und zum Teil ja selbst mitgemacht habe), wie Kampfsaufen, Rumbrüllen, ostentative körperliche Belastungen bis und über die Schmerzgrenze hinaus (um ihrer Ostentation willen!), überbetonte Selbstkontrolle, "Revier-" und "Hahnenkämpfe", strenges Leben in Hackordnung usw., sind FOLGEN bestimmter sozialer Bedingungen, nicht deren Voraussetzung.

Nun, inzwischen mag vielleicht das eine oder andere beim Bund besser geworden sein, nicht zuletzt durch die Öffnung für Frauen. Was hat das mit dem Thema "Mann im Rock" zu tun?

Vielleicht soviel, das wir nach wie vor in einer überaus maskulinen, ja uniformen Gesellschaft leben, eine Gesellschaft, die unter einer inneren "Flucht" leidet, eine Gesellschaft, die Abweichungen schon unausgesprochen "sanktioniert". So ist es eine beinahe natürliche Erscheinungen, dass SCHON selbst jene, die als "Mann" überhaupt mal wagen auch nur daran zu DENKEN, mal Rock oder Kilt oder andere ungewöhnliche Kleidungsstücke zu tragen, eine innere "Blockade" verspüren, sich für "schräg" oder gar "falsch" halten. Da ist aber nichts "Falsches"!

Ja, es gibt einen Männlichkeitswahn, den ich bescheuert finde. AM besten beobachten kann man es bei vielen eher "konservativen" Schwulen, die ALLES daran setzen, einem (vielleicht sexuell bedingten) "männlichen" Idealbild zu entsprechen (extreme Form vielleicht die Homo-Skins), und überhaupt, die sich oft selbst ghettoisieren ("Szene", die sich dann etwa auf CSD's mangels Außenwahrnehmung öffentlich"entladen"). Beweis: Meiner Erfahrung nach würden die meisten Schwulen NIEMALS auf die Idee kommen, Rock zu tragen... SCHLUSS ALSO MIT DEM MÄNNLICHKEITSWAHN!

Rockträger halte ich für die Avantgarde einer ent-maskulinisierten, ja ent-militarisierten Gesellschaft. Wenn es mehr Männer im Rock oder Kleid usw. geben würde, würden Frauen aufhören zu glauben, sich müssten sich "emanzipieren". Männer im Rock sind das größte Geschenk, was man(n) derzeit dem weiblichen Teil unserer Gesellschaft machen kann.

Gruß
L., der einfach mal drauflosphilosophiert... ;-)
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Offline Luan

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #11 am: 08.09.2007 13:54 »
Hallo Libertarian,

toller Beitrag! Viele Thesen, die Du angesprochen hast, würde ich glatt auch "unterschreiben".

Auch ich war für eine längere Zeit bei der Bundeswehr -- das ist jetzt schon gut 12 Jahre her -- und habe dort auch das eine oder andere der erwähnten "Rituale" miterlebt. Aber da bin ich auch der Ansicht, dass das eine oder andere "Ritual" bei den unterschiedlichen Teilstreitkräften bzw. "den Gattungen" innerhalb dieser Teilstreitkräften mehr oder minder stark ausgeprägt ist.

Ich bin inzwischen auch der Ansicht, dass vieles einfacher wäre, wenn die Menschen als Menschen wahrgenommen würden und nicht ausschließlich als "Männchen oder Weibchen" sowie die vielen Schubladen in die Menschen dann zusätzlich noch "reingesteckt" werden.

Ich freue mich schon auf weitere "philosophisch angehauchte" Beiträge von Dir.

Magix
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Offline Rockfan-ol

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #12 am: 08.09.2007 17:00 »
@liberitan

ein sehr gut geschriebener beitrag.

lg rockfan-ol

Offline Matthias

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #13 am: 08.09.2007 17:07 »
Männer im Rock sind das größte Geschenk, was man(n) derzeit dem weiblichen Teil unserer Gesellschaft machen kann.

Diesen Satz finde ich besonders interessant. Von der Seite habe ich das noch gar nicht betrachtet.
Im Bezug auf die gesellschaftliche Gleichheit der Geschlechter ist das wirklich so.

Gruß
Matthias
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Offline Libertarian

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Re:Wahn oder Wahnsinn
« Antwort #14 am: 08.09.2007 19:16 »
Danke für das Lob  :D

Gesellschaftliche Gleichheit.. ja, das ist es - der Gleichschritt ist es, der mich nicht nur nervt, sondern Sorgen macht...

Auf der anderen Seite (jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten): Die Leute da draußen sind auch furchtbar berechenbar! Ich arbeite heute als Unternehmensberater, Schwerpunkt Marketing, und ich kann sagen, dass die Leute tatsächlich sehr vorhersehbar reagieren... ein Grund auch, weswegen unsere scheißverdammten PolitiX sooo leichtes Spiel haben, uns zu manipulieren, zu dressieren...
So. Und jetzt kommst du als Mann im Rock daher...  ;) Das geht mal gar nicht...

Gruß
L.
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