Hallo Franco,
es ist richtig, dass die Norweger manchmal in Tracht gehen, und dann meistens Frauen, aber meines besten Wissens nach nur, wenn es etwas ganz Besonderes zu feiern gibt, Hochzeiten, Jubiläen und so was. Es ist wohl mit Teilen von Österreich und Deutschland (Bayern) zu vergleichen (Lederhose, Dirndl). Oder wie die meisten Schotten ihren Kilt verwenden.
Und kein Wunder, dass der Bunad, wie die Tracht in Norwegen heißt, nicht im Alltag verwendet wird. Für Frauen kostet so ein Ding zwischen 15.000 und 28.500 NKR = 2.000-3.700 EUR. Männer bezahlen 16.000-17.000 NKR oder 2.100-2.300 EUR für den Spaß, Kinder nur die Hälfte. Hat man einen gut erhaltenen Bunad, und er nicht mehr passt, kann man ihn gegen 4.000 NKR umtauschen:
http://norskebunadstradisjoner.com/home/welcome.htmlIch habe zwei Norwegerinnen in der nahen Familie und habe den Bunad nur zweimal gesehen, einmal bei einer großen Hochzeit, wo die Hälfe der Gäste Norweger und Norwegerinnen waren – die Braut war Norwegerin (und nicht im Bunad) - und einmal an einer privaten Feier. In beiden Fällen war nur eine Frau im Bunad da.
In den Straßen von Oslo ist es deshalb auch kein normales Erlebnis, Frauen in Tracht zu sehen. Bist du sicher, dass du nicht am 17. Mai dort warst? Da feiert man den Nationaltag, und dann gibt es überall Frauen in Bunad, wobei doch die wenigsten Norwegerinnen diese Kleidung besitzen (wie in Schottland, wo nur eine Minderheit der Männer einen Kilt besitzt).
Mit Mitgliedschaft der EU oder nicht hat es kaum was zu tun. Die Norweger (keine Mitgliedschaft) haben immer auf Traditionen Wert gelegt. Bei uns haben wir es auch nicht vor 1972 getan. Hier müssen wir um die hundert Jahre zurück, und dann nur auf dem Lande.
Persönlich würde ich es auch als einen ernsten Rückschritt betrachten, kämen Nationalitätsgefühle wieder in Kurs. Mit den Folgen solcher haben wir in Europa genug gelitten (und nicht nur im 20. Jahrhundert).
Gruß
Gregor