Ich muss mich nicht unaufhörlich auseinandersetzen mit Fragen, dass in der Gesellschaft die Akzeptanz fehlen würde. Solange ich nicht belästigt werde, ist das für mich die Toleranz der Gesellschaft.
Ich muss mich auch nicht ewig mit Fragen beschäftigen, ob die Farbe rosa weiblich besetzt ist. Ich trage kein rosa Rock, kein rosa Kleid, weil es mir an mir nicht gefällt. Punktum. Und das möglicherweise, weil ich ja so geprägt wurde, dass rosa eine weibliche Farbe ist. Aber das ist egal.
Ich muss mich nicht dauernd mit Fragen nach Weiblichkeit und Männlichkeit beschäftigen, weil ich als Mann einfach nur meine Kleiderauswahl erweitert habe, nicht weil ich mit Rock weiblicher und mit Hose männlicher erscheinen will.
Ich will einfach nichts anderes darstellen als ein Mann, der mit Rock bekleidet ist und für den das das Normalste der Welt ist. Für mich so tun, als wäre es nichts Ungewöhnliches, wenn ein Mann einen Rock trägt. Wie es eben mental für eine Frau auch was ganz Normales ist.
Ich brauche auch nicht unbedingt in den Kaufhäusern eine Trennung von Herren- und Damenabteilung. Für mich gibt es die Kleidung, die mir gefällt, die ich trage. Und das ist eine Schnittmenge aus beiden Abteilungen unter Ausschluß von großen Mengen sowohl aus Herren- wie Damenabteilung, die ich nicht berücksichtige. Ich trage keine Anzüge, aus der Herrenabteilung, weil mir das Erscheinungsbild zu männlich ist. Ich trage kein Dirndl aus der Damenabteilung, weil mir das Erscheinungsbild wiederum zu weiblich ist.
Ich hasse den Durchschnitt, wenn er da ansetzt, dass Frauen ja eine ganz andere Figur als Männer hätten und dieser Umstand dann rechtfertigen würde, dass es eine strikte Trennung zwischen Herren- und Damenabteilung gibt. Mag sein, dass Frauen eine andere Figur als Männer haben. Im Durchschnitt. Die mittlere Jahrestemperatur in Deutschland liegt bei etwa 11 Grad. Wenn ich vor ein paar Tagen bei Minus 10 Grad gebibbert hab, was nützt mir dann die Durchschnittstemperatur? Gar nichts. Er ist so nichtssagend. Und genauso findet jede Frau irgendwelche Sachen in der Herrenabteilung für sich, während ebenso jeder Mann in der Damenabteilung was für sich Passendes entdecken kann.
Ich brauche ein Bewusstsein davon, wie mein persönlicher Geschmack ist. Ein Bewusstsein, was mir gefällt, in welcher Kleidung ich mich wohl fühle. Das ist das Wichtigste. Und aus der Beobachtung von Frauen, was tragen sie an Kleidung, die mir auch für mich gefallen könnte. Wie kombinieren sie die einzelnen Kleidungsstücke miteinander? Und daraus entwickelt sich mein persönlicher Stil. Schön, wie breit und mannigfach Damenabteilungen aufgestellt sind, aber ich reduziere mich. Mich interessieren keine Kostüme, keine Dirndl, seltenst Kleider, mich interessieren keine weiblich besetzten Farben, Formen und Muster. Ich schau nach keinem rosa Rock, schau nicht nach Röcken mit deutlicher A-Linie, nach Faltenröcken, nach Röcken mit weiblichen Mustern, nach Kleidern mit Spitze. All das scheidet aus, es bleibt als Ergebnis eine kleinere Schnittmenge aus Damen- und Herrenabteilung. Diese Schnittmenge will ich für mich selbst mal unisex nennen, wohl wissend dass es meine ganz eigene Definition ist, die weit abweicht von Wikipedia und der Praxis von Kaufhäusern.
Meine favorisierten Fragen beschäftigen sich nicht mit der griechischen oder mittelalterlichen Geschichte, auf die ich sehnsuchtsvoll schaue, weil der Rock in den Zeiten ganz normales Kleidungsstück für Männer waren. Ich will mich nicht mit dem ganzen Genderkrimskrams beschäftigen, wo man vor lauter Labern das Handeln vergisst. Ich will mich lieber mit Fragen beschäftigen: was kombiniere ich wie? Welche Strumpfhose zu welchem Rock zu welchem Shirt? Welche Schuhe dazu? Welche Jacke, welcher Cardigan?
Allein durch Strumpfhose und Rock ergibt sich eine andere Silhouette als mit Hose und Shirt. Die Schuhe mal ausgenommen, sind es drei und nicht nur zwei Teile, die kombiniert und zueinander passen müssen. Hose geht ab Gürtellinie nach unten, Shirt bis zur Gürtellinie. Der Rock reicht bis oberhalb der Knie, jedenfalls bei mir, und dann kommt ein weiteres Element mit der Strumpfhose. Die Beine wirken dann schmaler, aber oberhalb der Knie ist es mit Rock breiter als mit Hose, die eine ziemlich gerade Linie nach oben bildet.
Sehr interessant finde ich dann auch Farbzusammenstellungen. Eine blaue Jeanshose, dazu ein weißes Shirt. Das Pendant? Ein schwarzer Rock, eine schwarze Strumpfhose und ein weißes Shirt. Oder man kann den Blick auf die Mitte konzentrieren. Ein schwarzer Rock, eine weinrote Strumpfhose, ein weinrotes Shirt. So kann man mit den Elementen spielen, ergänzt dann noch durch eine kurze Jacke oder einen long Cardigan, womit man durch Form, Länge und Farbe wiederum Akzente setzen kann. Der Möglichkeiten gibt es viele. Und man kann auch das eine oder andere Mal daneben liegen.
Das sind also die Dinge, an denen ich wirklich Freude gewonnen habe. Der theoretische Kram, gut und schön. Aber das ist nur ein Durchgangszimmer. Richtig spannend wird es bei den Stilfragen, was kann ich wozu kombinieren? Was passt zusammen? Was gefällt mir? Mit welcher Zusammenstellung fühle ich mich sicher? Man kann mal hier, mal dort mehr betonen. Oder auch weniger betonen. Und das einfach unter Berücksichtigung der Elemente, Formen und Farben. Für mich ist das eine ähnlich spannende Sache wie das Kochen, hier noch ein bisschen davon, dort noch ein bisschen davon und ein klein wenig davon, und am Ende hat man ein superleckeres Gericht.
Gruß Matthias