Autor Thema: Krause Gedanken  (Gelesen 6566 mal)

triks

  • Gast
Krause Gedanken
« am: 05.11.2005 13:58 »
Einem Mädchen, das gern die Hosen ihres großen Bruders, Papas Hemd oder Opas Weste anzieht, sagt man nach, dass sie damit ihre besonders Verbunden mit ihrem großen Brüdern, Papas oder Opas zum Ausdruck bringen wollten. Dann ist sie die Bewunderin ihres idealisierten große Bruder, Papas liebe Tochter oder Opas niedliche kleine Enkelin. Nehmen wir einmal an, dass damit die Motivation der Tochter zutreffend beschrieben sei, wäre dann nicht die Motivation des Jungen nicht ebenso zu beurteilen, der gern die Röcke seiner großen Schwester, die Strumpfhosen seiner Mama oder die Schürzen seiner Oma anzieht?

Einem Mädchen, das jungenhafte Züge und Eigenschaften zeigt, wird mit Bedauern und Bewunderung attestiert, dass an ihm ein Junge verloren gegangen ist. Müsste nicht einem Jungem, der mädchenhafte Züge und Verhaltensweisen zeigt, nicht bescheinigt, dass an im ein Mädchen verloren gegangen ist? Ich habe diesen Ausspruch „an dem ist ein Mädchen verloren gegangen“ jedoch noch nie gehört. Drängt sich da nicht der Verdacht auf, dass es bei der unterschiedlichen Beurteilung der an und für sich vergleichbaren Situationen nicht um das tragen der Bekleidung des entgegen Geschlechts geht, sondern um eine ungleiche Bewertung von Frau und Mann, wobei Frau zu sein weniger wert ist, als Mann zu sein? Ist nicht ein Teil der Probleme, mit denen sich Jungen und Männer konfrontiert sehen, die gerne in Röcke, Kleider, Strumpfhosen oder Dessous schlüpfen,  die Beeinträchtigung des Selbstwertgefühl und die Geringschätzung der Anderen.

Trotz Gleichberechtigung und Emanzipation* sind wir alle sehr auf eine Trennung nach Geschlechter bedacht. Von Kindheit an verinnerlichen wir geschlechtsabhängige Rollen und lernen unsere Geschlechtszugehörigkeit durch unser Verhalten und unsere Bekleidung zum Ausdruck zu bringen. Aber welchem Zweck erfüllt diese Aufteilung nach Geschlecht und die Betonung durch die Bekleidung? Für die Suche und Auswahl eines Partners zum Ausleben des Geschlechtstriebs - mit oder ohne dem Ziel der Fortpflanzung - ist eine Differenzierung über die Bekleidung nicht zwingend erforderlich, oder?. Benötigen wir diese Differenzierung zur Ausbildung, Bestätigung und Stärkung unseres Ich? Dient es nur zur Aufrechterhaltung eines Wertsystems?

Es interessiert mich, wie ihr darüber denkt.


*) Gleichberechtigt bedeutet nicht unbedingt Gleichwertig. Bezogen auf die Bewertung von Frau und Mann hat daran auch die Emanzipation der Frauen kaum etwas geändert. Und das, obwohl die  Emanzipation der Frauen unter anderem auf den Zugewinn von Macht und Einfluss für Frauen abzielt. Die Emanzipation der Männer steckt noch in den Kinderschuhen und ein bedeutendes Hemmnis ist der Umstand, dass die Emanzipation der Männer auf dem Teilen von Macht und Einfluss mit den Frauen zielt.

Offline ckilt

  • Grünschnabel
  • Beiträge: 16
  • Geschlecht: Männlich
  • Ich liebe dieses Forum!
Re:Krause Gedanken
« Antwort #1 am: 05.11.2005 15:30 »
Genau! Dazu habe ich einen ziemlich privaten Text in der Rubrik "Welche Röcke wollt ihr" geschrieben. Ich frage mich nur, ob diese Tabus irgendwann gebrochen werden können......?!

Offline Wolfgang

  • Junior
  • **
  • Beiträge: 107
  • Geschlecht: Männlich
  • Leben und Leben lassen, solange es legal ist
Re:Krause Gedanken
« Antwort #2 am: 05.11.2005 17:34 »
Trotz Gleichberechtigung und Emanzipation sind wir alle sehr auf eine Trennung nach Geschlechter bedacht. Von Kindheit an verinnerlichen wir geschlechtsabhängige Rollen und lernen unsere Geschlechtszugehörigkeit durch unser Verhalten und unsere Bekleidung zum Ausdruck zu bringen.
Es interessiert mich, wie ihr darüber denkt.


Hi Triks,

über dieses Thematik sind schon reihenweise Bücher geschrieben worden. Bezüglich des Männerrockes sehe ich deshalb drei Argumentationssäulen.

1. Die Säule mit den persönlichen Argumenten wie schönes Tragegefühl, Bequemlichkeit, mal was anderes, usw.

2. Die Säule der Gleichberechtigung: Was einer Frau zusteht, steht auch einem Mann zu, und umgekehrt (einzig biologische Argumente lassen Unterschiede zu, solche gibt es aber beim Rock nicht).

3. Die Weiterentwicklung der Gesellschaft.  Es ist meines Erachtens nach längst Zeit, dass sich die Männer (damit meine ich nicht einzelne, sondern die Gesellschaftsschicht) auch mal positive Eigenschaften des weiblichen Wesens aneignen.
Das geht aber nur, wenn das auch akzeptiert wird. Und hier liegt m.E. das Problem, das gelöst werden muss. Solange wie die Frauen z.B. Röcke am Mann (meist nur am eigenen, ist auch schon interessant)ablehnen, solange wie männliche Machos meinen, sie seien etwas besseres als Frauen, wird sich für diese Menschen nichts ändern.  

Der Rock am Mann ist ein Schritt für die Gleichberechtigung der Frau. Er ist gleichzeitig ein Schritt für den Mann, mit der vorhandenen Frauenpower, die uns droht zu überrennen, fertig zu werden.

Liebe Grüße aus Bayern

Wolfgang


Zitat Adenauer: Ich bin wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...

Offline ElBuitre

  • Junior
  • **
  • Beiträge: 217
  • Geschlecht: Männlich
Re:Krause Gedanken
« Antwort #3 am: 05.11.2005 18:09 »
Hallo,

Eigentlich ist mir diese Diskussion im Moment fast zu anstrengend... trotdem ein kleiner Beitrag:
Ich sehe diese Aufteilung der Kleidung nach Geschlecht z.B. im Kleinkindalter schon wieder stark unterwandert. Eine Nachbarin von mir kriegt immer wieder zu hören, was für ein forsches kleines Mädel sie da hat. Aber es ist ein kleiner Junge, etwas längere Haare zwar, jedoch durch seine Kleidung eigentlich ganz klar zu "orten", dächte man: Dunkelbraune Cordhosen, Jeansjacke, keine pink-farbenen TShirts etc.
Da geht es doch schon wieder los mit dieser Ungleichbehandlung. Eine Mutter darf selbstverständlich ihr kleines Mädel in "rustikale" Klamotten stecken, aber wehe eine Mutter oder gar ein Vater traute sich, seinem 3-jährigen Sohn ein Kleid anzuziehen und ihn so im Kindergarten morgens abzuliefern, da wird wohl sofort das "zuständige Amt" auf den Plan gerufen!

Der Rock am Mann ist ein Schritt für die Gleichberechtigung der Frau. Er ist gleichzeitig ein Schritt für den Mann, mit der vorhandenen Frauenpower, die uns droht zu überrennen, fertig zu werden.
Wolfgang, dieser Auspruch gehört ohne Zweifel in die "Hall of Fame" der Signaturen. Bravo!

Grüsse, El Buitre


Offline Ferdi

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 996
  • Geschlecht: Männlich
  • "Schade dass ich am Hintern keine Augen habe"
    • Emanzipation ist keine Einbahnstrasse
Re:Krause Gedanken
« Antwort #4 am: 05.11.2005 19:14 »
Hallo triks!

MAS hat sich damit auch schon sehr intensiv auseinander gesetzt. Er meint, dass ein Mann, der Röcke, Feinstrumpfhosen und andere den Frauen zugeordnete Kleidung trägt, sich selbst abwertet, während eine Frau, die die ursprünglich exklusiv für Männer vorgesehene Kleidung (Hose, Anzug) trägt, sich aufwertet. Das hat ganz eindeutig damit zu tun, dass auch heute noch, trotz aller Aufklärung und Gleichberechtigung, die Frau als niedriger stehend als der Mann angesehen wird. Belegt wird das dadurch, wie viele Völker heute noch  mit ihren Frauen umgehen. Bei uns ist zwar die Würde des Menschen unantastbar und das wurde auch so ins Grundgesetz geschrieben, aber unter der Oberfläche ist auch bei uns noch eine Geringschätzung der Frau vorhanden. Dabei ist eine Frau doch genau wie der Mann ein Mensch! Kein besserer, aber auch kein schlechterer.

Woran mag das liegen? Die Zeiten, wo der Mann als Kraftmeier für Nahrungsbeschaffung in den Urwäldern und als Beschützer der Frauen und Kinder zuständig war, sind doch längst vorbei. Meiner Ansicht nach liegt ein anderer Grund vor. Die moderne, emanzipierte und unabhängige Frau hat einen gewaltigen Einfluss auf den Mann, und zwar über seinen erheblich stärker ausgeprägten Sexualtrieb. Auch der moderne, anzugtragende Yuppie mit der schwarzen Aktentasche verspürt starkes Verlangen zur Kopulation, wenn er eine erotisch aufreizende, aber unabhängige und emanzipierte Frau sieht. Eine ganz natürliche Reaktion auf das, was er sieht. Umgekehrt ist das aber nicht so. Die Frau sitzt hier am längeren Hebel und ist Herr des Geschehens. In Urzeiten wurde das dadurch kompensiert, dass der Mann die Frau und ihre Sexualität kontrollieren konnte, weil er der "Patriarch", das Gesetz selbst war. Das ersterwähnte ist bestehen geblieben, das zweiterwähnte ist durch die Emanzipation der Frau verschwunden. Der Ausweg wird männlicherseits in dem Versuch gesehen, die Frau gesellschaftlich niederzumachen, sie schlecht zu reden.

Da Kleidung immer noch geschlechtsspezifische Symbolik hat und da der Rock jahrhundertelang als typisches Frauenkleidungsstück gesehen wurde, wird ein Mann, der einen Rock trägt, als jemand empfunden, der sich freiwillig im Status abwertet. Das wird von vielen seiner Geschlechtsgenossen nicht verstanden, sie legen es als Schwäche aus und kommen daher auf solche Ideen wie "Weichei", "homosexuell" und ähnliche falsche Schlüsse.  Umgekehrt werten sich Frauen durch das Hosentragen symbolisch auf, weil sie das Symbol der Männlichkeit tragen. Man kann das m. E. ohne weiteres mit der Sitte bei kannibalistischen Naturvölkern vergleichen, die die Körper ihrer im Kampf getöteten Feinde verspeisten, weil sie allen Ernstes der Meinung waren, sie würden sich die Stärke ihrer Feinde auf diese Weise einverleiben und dadurch ihre eigenen Kräfte verstärken. Warum wohl zeigt sich die designierte Kanzlerin A. Merkel immer in so streng steril-männlich wirkenden Hosenanzügen? Sie meint, durch das Tragen dieser betont männlichenKleidung die männliche Stärke und Durchsetzungskraft auf sich zu ziehen, die sie vermeintlich braucht, um dieses Amt ausfüllen zu können. Eine moderne Art von Voodoo-Fetischismus? Diese Frage sei ironischerweise mal hier gestellt.

Welche Auswege bieten sich an? Diese Denkweisen aus der Welt  schaffen, das können wir nicht. Andererseits können und wollen wir auch nicht warten, bis diese archaischen Denkweisen durch Zeitablauf verwittert sind. Denn dann leben wir alle nicht mehr und haben nichts mehr davon. Der einzige Weg lautet: "Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott"! Das heisst eigenes Selbstvertrauen aufzubauen, das aus einem selbst heraus wächst und nicht darauf angewiesen ist, auf andere herabzusehen. Wer selbstbewußt ist, kann nämlich ohne weiteres andere Menschen auf seiner gesellschaftlichen Stufe respektieren und trotzdem und gerade deswegen sein Ding durchziehen. Wir müssen uns unabhängig machen von diesen überholten Denkweisen anderer. Das können wir sofort, da brauchen wir nicht jahrhundertelang zu warten. Und wir können die süßen Früchte sofort ernten und geniessen.

Und ganz wichtig: wir müssen die Frauen als gleichwertige Menschen annehmen und respektieren, dann läuft auch der derzeitige Vulgärfeminismus dworkin´scher und solanas´scher Prägung regelrecht ins leere Vakuum.

Wer nicht weiss, was ich damit gemeint habe, der google mal nach "Andrea Dworkin" und "Valerie Solanas". Vorsicht! Nur was für starke Nerven.

So, und nun rein in die schönen Röcke und raus unter die Menschen.

Gruss,
Ferdi
Freiheit heißt, sich von anderen unterscheiden zu dürfen.

triks

  • Gast
Re:Krause Gedanken
« Antwort #5 am: 06.11.2005 07:58 »
Wenn ich mir vergegenwärtige, wie wenig Lebenszeit statistisch gesehen Menschen auf Sexualität verwendet, dann zweifel ich an Aussagen, wie der Mann habe im Vergleich zur Frau einen erheblich stärker ausgeprägten Sexualtrieb und würde sein unerfülltes Sexualleben durch Unterdrückung oder Geringschätzung der Frau kompensieren, wenn diese ihm nicht zu Willen ist.

Viele Unterschiede der Geschlechter sind übernommene Vorurteile oder haben etwas von selbst erfüllenden Prophezeiungen, beispielsweise den Märchen von den Frauen, die alle schlecht einparken, und den Männern, die alle nicht zuhören. In diese Kategorie fällt auch der angeblich stärker ausgeprägte Sexualtrieb und die Fixierung auf äußere Reize beim Mannes. Tatsächlich lassen sich die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf die unterschiedlichen Rollen bei der Reproduktion und der daraus resultierenden körperlichen Ausprägung reduzieren.

Eine entfesselte Frau ist genauso unberechenbar und bedrohlich, wie ein Mann der einen Rock anzieht. Nur, in beiden Fällen fühlt sich vor allem der männliche Teil der Bevölkerung verunsichert und bedroht. Als Mann einen Rock anzuziehen hilft, die eigenen Ängste und Vorurteile zu überwinden und das eigenen Männerbild einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Ob mir das in der Konfrontation mit emanzipierten Frauen hilft, hängt mehr davon ab, wie Selbstbewusst ich bin, welches Männerbild ich habe und welche Vorstellungen die Frauen hinsichtlich eines emanzipierten Mannes haben.

Offline ElBuitre

  • Junior
  • **
  • Beiträge: 217
  • Geschlecht: Männlich
Re:Krause Gedanken
« Antwort #6 am: 06.11.2005 15:34 »
Wenn ich mir vergegenwärtige, wie wenig Lebenszeit statistisch gesehen Menschen auf Sexualität verwendet, dann zweifel ich an Aussagen, wie der Mann habe im Vergleich zur Frau einen erheblich stärker ausgeprägten Sexualtrieb und würde sein unerfülltes Sexualleben durch Unterdrückung oder Geringschätzung der Frau kompensieren, wenn diese ihm nicht zu Willen ist.
... oder er führt Kriege...

Hallo triks,
Ich glaube man darf einen ganz wichtigen Faktor in der Diskussion um Sex- und Gewalttrieb bei Männern nicht unterschätzen: Das Testosteron! Die Auswirkungen eines hohen Testosteronspiegels hat ein amerikanischer Forscher gnadenlos auf den Punkt gebracht: "Kill it or fuck it!". Im Atrium diskutierten wir gerade über diese Thematik (Thread, vorher evtl. Ansichtsoptionen setzen). Die Auswirkungen des Testosterons gehen sogar soweit, dass wenn dessen Produktion im prä-natalen Zustand nicht erfolgt, es völlig egal ist ob man männliche (XY) oder weibliche (XX) "Grundprogramierung" hat. Zum Beispiel ist die Schauspielerin Jamie Lee Curtis ohne Zweifel in jeder Hinsicht Frau, aber genetisch XY, also männlich. Oder noch ein Quote von einer Frau, die Testosteron-Spritzen bekam: "I can't stop thinking about sex. Please, can't you make this stop?"

Grüsse, El Buitre

Offline karber

  • Junior
  • **
  • Beiträge: 193
  • Geschlecht: Männlich
  • Ein Rock ist toll, darin fühlst du dich wohl!
Re:Krause Gedanken
« Antwort #7 am: 07.11.2005 20:51 »
Verhaltensweisen

Irgenwie kommt es da schon durch, männliches versus weibliches Verhalten. Irgendwie stimmt es auch. Z.B. kenne ich eine Reihe Männer, die sich beim Pinkeln nie und nimmer aufs Brett setzen würden, denn das ist ja 'weibisch'. Sie spritzen lieber ihren Urin im ganzen Raum herum, wahrscheinlich stammt diese Sitte noch aus Zeiten, wo das 'Markieren' des eigenen Bereiches notwendig war.

Auch bei Friedrich Torber ist nachzulesen, wie es (vor nicht so langer Zeit noch war) um die Statusrollen stand. Zwei seiner Aussprüche seien hier genannt:
Alles was ein Mann schöner ist, als ein Aff, ist Luxus, und weiter: eine Magd muss nur so schön sein, dass die Pferde nicht scheuen.

Männer, echte Männer, können und sollen Röcke tragen!

Gruß Karl

triks

  • Gast
Noch mehr krause Gedanken
« Antwort #8 am: 09.11.2005 00:05 »
Wenn Frauen heutzutage ihren Mann stehen, dann sollten Männer doch auch ihre Frau stehen können. Ich vermute, von sich zu behaupten "ich stehe meine Frau" würde den meißten Männern schwer fallen.


 

SMF 2.0.19 | SMF © 2020, Simple Machines | Bedingungen und Regeln

go up