Danke, Michael, für die umfangreiche Aufzählung der Abgrenzungsbeispiele. Diese Beispiele haben wir zwei bereits früher hier durchgenommen.
Falls mit dieser Aufzählung Deine Absicht war, eine Reaktion zu erhalten, so kann ich ergänzen, dass ich mich als Mainzer auch als Rheinhesse fühlen kann. Ebenso als Rheinland-Pfälzer, Rhein-Mainer, Südwestdeutscher, Süddeutscher, Westdeutscher, Deutscher allgemein, Europäer und Weltenbürger, mal von anderen Zuordnungen und gleichzeitig Abgrenzungen abgesehen wie z. B. Hellhäutiger, ergrauter Blonder und so. Alles, je nach Situation.
Gleichzeitig kann ich mich aber auch manchmal mit Frankfurtern solidarisieren, oder mit Karlsruhern, ja, selbst als Mainzer manchmal auch mit Wiesbadenern.
Gähn! Hatten wir auch alles schon hier im Forum durchgespielt. Gilt natürlich auch alles in Bezug auf Gruppen wie LGBTQ und meiner mir ureigenen Gruppe und so.
Identifikation ist manchmal sinnvoll und wichtig. Und Abgrenzung heisst nicht automatisch Ausgrenzung. - Hatten wir auch bereits festgestellt.
Aber so banal wie all diese Aufzählungen meinte ich es nicht.
Ich meinte ganz konkrete Lebensausgestaltungen. Wir alten Männer können mit einer Portion Selbstbewusstsein unsere Rocksäume schwingen, wir haben entscheidende Schritte unseres Lebens bereits vollzogen.
Jedoch ein junger Mann am Anfang seiner selbstbestimmten Lebensführung wird sehr viel deutlicher sich von den für uns forumsrelevanten Gruppen abgrenzen müssen und sich seiner eigenen Gruppe zugehörig zeichnen müssen, damit die Lebensträume und Lebensziele eine Chance haben können. Das gilt auch für junge Männer, für die eigene Nachkommen, gar eine eigenee Familie und trotzdem Hosenalternativen wichtig sind.
All die forumsrelevanten Gruppen, also LGBTQ usw. und die 'S' für uns Skirtwearer, auch die Hetero-'S', sind eng auch an Lebensinhalte bzw. Lebenszielen verknüpft, und klischeebehaftet sogar noch sehr viel enger.
Auch mit größter Achtung aller Gruppen gegenseitig wird es einem potentiellen Lebenspartner mit einer gemeinsamen Lebensperspektive aber nicht gleichgültig sein, wozu der zukünftige Lebenspartner sich zugehörig fühlt.
Zwei fünfzigjährigen toleranten Menschen mag das egal sein.
Zwei zwanzigjährigen Menschen mit noch vollständigen gemeinsamen Lebenszielen aber sicherlich nicht.
Hier sind deutliche Stellungnahmen und Abgrenzungen lebengestalterisch immens wichtig.
Und genau hier liegt es mir sehr am Herzen, Rock mögende junge Männer mit heterosexuellen Lebensentwürfen nicht zu entmutigen und der eigenen Lebensplanung zuliebe demzufolge sich resignierend normativ in Hosen zu kleiden.
Genau deswegen ist es mir in erster Linie immer wichtig zu signalisieren, dass es auch heterosexuelle Männer gibt, die sich freiwillig Röcke anziehen - und (bei aller Sympathie für die anderen) nicht für LGBTQ gehalten zu werden.
Sonst ist es so und wird weiterhin so bleiben, dass Röcke für Nicht-LGBTQ-Männer praktisch nur ein Ding für ältere Männer auf bereits ausgetretenen Lebensbahnen ist - oder eben klischeemässig nur ein LGTBQ-Ding ist.
Hier fallen mir die Familien von Cephalus und - ich glaube - Uckermärker ein, welche tatsächlich unserem Forums-Schwerpunkt gemäße gesellschaftlich wichtige Leuchttürme sind mit einer sehr wichtigen Signalwirkung.
Verglichen mit den Abstammungslinen der Evolution stehen diese Leuchttürme am momentanen Ende eines Mutations-/Selektions-Zweiges, der zukunftsfähig ist, sich weiterentwickeln kann.
Verglichen mit diesen Evolutionslinien sind Männer, die mit 50 oder 60 sich erstmals in Röcke trauen, auf Linien angesiedelt, die immer wieder enden, wie viele andere Evolutionsversuche endeten. Kleiner Zweig, Ende, basta. Wieder kleiner Zweig, Ende, basta.
Wir älteren Rockmänner können allenfalls den jüngeren potentiellen Lebenslinien Rückendeckung geben - ein bisschen überheblich ausgedrückt: Anhaltspunkte, ja Beispiele sein.
Das funktioniert aber nur, wenn unser Rocktragen nicht im LGBTQ-Rauschen untergeht, sondern trotz aller Sympathien zu den anderen, immer wieder auch mit den eigenen Merkmalen erkennbar ist und auch wahrgenommen wird.
Ist es mir persönlich auch egal, punktuell mit LGBTQ verwechselt zu werden, so ist aber mein Verstecken hinter LGBTQ für meinesgleichen nicht hilfreich. Das Rocktragen darf im allgemeinen Bewusstsein nicht dauerhaft auf Frauen und LGBTQ beschränkt bleiben - sonst wird das dauerhaft nichts, wovon manche von uns seit 20 Jahren innerlich sich Fortschritte erhoffen.
Zwurg, hier setze ich spätestens (eigentlich schon seit Beginn dieses 'Romans', dieser Darlegung) bei Deinem Beitrag an: Ich habe bei der Niederschrift einer von mir erdachten Science-Fiction-Geschichte damals Anfang der 80er Jahre schon erhofft, Röcke für Männer würden modern.
Ich habe Anfang der 80er diese Phantasie, diese Hoffnung auf 2004 datiert. 20 Jahre nach dieser Hoffnung, im Jahre 2004, habe ich tatsächlich täglich in Arbeit und Freizeit Röcke getragen, auch in einer potentiell zukunftsorientierten Partnerschaft mit Familienplanungsaussichten gelebt. 2004 war ich bereits über Jahre vernetzt mit anderen Rockmännern.
Innerhalb dieser 20 Jahre hatte sich auf alle Fälle in diesem Bezug viel bewegt. Aber ja, Zwurg, ausserhalb meiner/unserer Blase war 2004 das Röcketragen bei Männern nicht verbreitet.
Und jetzt, fast 20 Jahre später, gibt es deutlich gesellschaftliche Signale, die unsere Hoffnungen weiterhin bestärken können, aber nüchtern betrachtet, ist in der Tat der endgültige Durchbruch noch immer nicht wahrscheinlich.
Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf und will sie auch niemandem nehmen. Ich kann aber verstehen, dass bei einigen Resignation sich einstellen kann (von resignieren hatte ich gestern ja gerade andernorts hier im Forum schon gesprochen).
Von einer Männerrockbewegung auf einer breiten gesellschaftlichen Basis für sich und sein eigenes Leben nichts mehr zu versprechen, kann ich nachvollziehen. Vor allem, wenn man für sich, so wie Ihr, Zwurg oder Micha, oder ich, seine für sich eigenen Freiräume geschaffen hat.
Allerdings halte ich es für schade, potentielle gesellschaftliche Entwicklungschancen durch innere Resignation abzuschreiben.
Aus Gründen, die ich oben argumentativ aufgebaut / dargelegt habe, empfinde ich eine Art Verantwortung, anderen an diesen Freiräumen, die ich mir über all die Jahrzehnte erarbeitet habe, teilhaben zu lassen. Und zwar durch ideelle Unterstützung, soweit mir das gelingt. (Damit verbinde ich noch nicht mal so sehr - aber auch - meinen Aktivismus hier im Forum.)
Ich möchte, dass die Idee des Rocks am Mann, speziell am heterosexuellen Mann jenseits aller Klischees, keine Totgeburt oder durch Selektion aussterbende Mutation ist. Ich will, dass diese Idee überlebensfähig ist.
Und ich prognostiziere, dass das die nächsten ein, zwei Generationen mindestens noch nur so überlebensfähig ist, indem sich diese Idee auch immer wieder deutlich sichtbar und erkennbar abgrenzt von den Klischees, die mit den LGBTQ-Gruppen in Verbindung gebracht werden.
Abgrenzung ohne Ausgrenzung. Aber Markierung, um nicht übersehen zu werden. Markierung, um als Idee, als Entfaltungsmöglichkeit zu überleben.
Wir können es, wem es wichtig genug ist, in unserem jeweiligen kleinen Umfeld tun. Das ist das, was in unserer Hand liegt.