Ich weiß, dass der Thread schon älter ist, aber die Kommentatoren scheinen das Konzept "Femboy" überhaupt nicht verstanden zu haben und die komplette Diskussion hat leider äußerst wenig mit dem eigentlichen Thema zu tun.
Femboy ist vor allem in der Animeszene sehr verbreitet und orientiert sich oft an japanische, teils auch südkoreanische Idols (englisch ausgesprochen, bezeichnet popkulturelle Stars, die in Asien als modische und künstlerische Vorbilder gelten). Es gibt Femboys, die in Richtung Cosplay gehen und sich wie weibliche Charaktere anziehen, beispielsweise beliebt sind Maid Costumes (=Dienstmädchen) oder japanische Fabelwesen wie Nekomimi (= Katzenmenschen) oder Kitsunemimi (= Fuchsmenschen), aber das ist nur ein Teil des Spektrums. Femboy ist nicht gleichbedeutend mit Crossdressing oder Travestie. Man muss auch nicht komplett en femme unterwegs sein. Einzelne Kleidungsstücke oder Accessoires können schon ausreichen, wenn man sich als Femboy identifiziert.
Manche nutzen Make-Up, manche Schmuck, manche Nagellack, andere wiederum nicht, aber tragen dafür Röcke oder Crop Tops. Die einen bevorzugen dunkle schwarze Outfits, andere wiederum helle in Pastellfarben. Wie viel "Weiblichkeit" man zulässt, das hängt von jedem einzelnen selbst ab. Es geht darum Geschlechtervorstellungen und -klischees aufzubrechen. Femboy ist dabei nicht nur der Kleidungsstil, sondern vielmehr ein Lifestyle. Das bedeutet, dass Femboys oft auch Verhaltensweisen und Interessen zeigen, die als traditionell weiblich gelten.
Vielleicht sollte man noch ergänzen, dass in der japanischen Kultur vieles am Mann akzeptiert ist, was in der westlichen Kultur als "feminin", "kindlich" oder "lächerlich" gilt. Junge Männer mit Katzenohrkopfhörern sind beispielsweise keine Seltenheit. Das Kindliche ist bei Erwachsenen viel akzeptierter und immanenter Bestandteil der Kultur. Erwachsensein wird nicht so mit Ernsthaftigkeit versehen wie im Westen. Große Firmen werben beispielsweise mit Animefiguren, wenn Flugzeuge mit Pokémon bemalt sind oder Straßenabsperrungen mit Hello Kitty verziert sind oder der Nintendo-Chef einen Kindertanz aufführt, um ein neues Videospiel zu präsentieren. Verhaltensweisen, die bei uns eher als "weiblich" und am Mann "verweichlicht" interpretiert werden, gelten in der buddhistisch-shintoistischen geprägten Wertevorstellung sogar als erstrebenswert für jeden Menschen. Deshalb muss man im Hinterkopf behalten, dass einiges, was bei uns als "weibliche" Elemente des Femboys angesehen wird, in Japan als "normale" Ausdrucksformen des männlichen Spektrums gilt. Das trifft natürlich nur auf einige Aspekte des Femboys zu, denn vieles an (westlichen) Femboys würde auch in Japan als "weiblich" interpretiert werden.
Wie der Name "Femboy" schon sagt, versteht sich der Großteil dieser Szeneangehörigen als männlich. Sie sagen, dass man sich auch als Mann so kleiden und verhalten kann. Dabei geht es nicht um das Schlüpfen in eine "weibliche Rolle" oder "Verkleidung", sondern man bleibt in seiner männlichen Identität, die man mit traditionellen "femininen" Ausdrucksformen anreichert. Es gibt aber auch einen nicht kleinen Teil, der sich als nicht-binär, genderqueer, genderfluid, usw. sieht und sich zwischen und/oder außerhalb der Geschlechter verortet. In den seltensten Fällen sehen sich "Femboys" als weiblich an, denn das würde dem Konzept widersprechen. Es kann aber vorkommen, dass Transfrauen vor ihrer Transition den Zwischenschritt als "Femboy" gegangen sind, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht über ihre Transidentität bewusst waren.
Femboys sehen sich meist als Angehörige der LGBT-Szene oder stehen dieser zumindest offen gegenüber. Von sexuellen Präferenzen ist bei Femboys alles dabei, hetero-, homo-, bi-, pansexuell oder weitere Vorlieben halten sich eigentlich die Waage. Meiner Erfahrung nach ist der Anteil an heterosexuellen Männern unter Femboys sogar erheblich höher als unter Drag Queens.
Femboys sind auf Anime-Conventions oft zu sehen, es gibt unzählige TikTok-Trends dazu und es gibt sogar welche, die mit Live-Streams auf Twitch ihren Lebensunterhalt damit verdienen.
Bei weiblichen Otakus (Fans von japanischen Anime und Videospielen) sind Femboys sehr beliebt. Gerade unter dieser Fanszene werden solche Männer von einigen jungen Frauen als attraktiv wahrgenommen. In heterosexuellen Partnerschaften unterstützen die Frauen oft ihre Männer, suchen gemeinsam Outfits aus, helfen beim Schminken, nähen Outfits oder teilen sich bei gleicher Größe manchmal sogar die Garderobe.
Meinen Kleidungsstil und mein Rollenverständnis könnte man auch als "Femboy" bezeichnen, weil vieles genau auf diese Beschreibung zutrifft. Meine Kleidung beinhaltet viele Röcke, meist sehr bunte und farbenfrohe Outfits, mal knallig rot, mal in königsblau, mal Pastellfarben wie flieder oder rosa, dazu Shirts mit "Girlie"-Motiven wie Anime Girls, Kawaii Goth, Hello Kitty, Disney, niedliche Fabelwesen, Superheldinnen, Wednesday, etc. und ich trage Nagellack in meist bunten Farben. Ich würde auch sagen, dass ich viele traditionell "weibliche" Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften habe und als Erzieher arbeite ich zudem in einem klassischen Frauenberuf. Zwar würde ich "Femboy" nicht als Selbstbezeichnung nutzen, aber es würde mich auch nicht stören, wenn man mich als solchen bezeichnen würde.
Bei Anime-Fans bekomme ich auch den meisten Zuspruch, der sich teils in großer Begeisterung ausdrückt. Sowohl Männer als auch Frauen aus dieser Bubble loben meinen Style mit vielen Komplimenten. Gerade die jungen Frauen dieser Szene, um die achtzehn bis Mitte zwanzig, empfinden das nicht selten sogar als sehr attraktiv und bekunden teils Interesse an mir. Das sind meist Frauen, die selbst großen Wert auf Mode legen und vom japanischen Stil beeinflusst sind.
Vielleicht konnte ich dem einen oder anderen etwas verständlicher machen, was man alles unter einem "Femboy" verstehen kann.