Lieber Holger,
ja, so sehe ich es auch. Deswegen habe ich den Vergleich mit der Sprache gebracht. Wörter verändern ab und zu ihre Bedeutung. So bedeutete "Toilette" um 1900 herum "Schmuck", "Garderobe" u. dgl. Oder "Arbeit" bedeutete um 1300 herum "Mühsal". Und wer denkt heute bei "cool" noch an "Kühl"? Die Bedeutungen werden den Wörtern von uns Menschen gegeben. Und so ist das auch mit Symboliken von Kleidungsstücken.
Viele Menschen denken aber zu wenig darüber nach, sondern nehmen Wort- und Symbolbedeutungen geradezu ontologisch, als gehörten sie untrennbar zu den Objekten, mit denen wir sie doch erst verbinden.
Gefühlsmäßig sind wir tatsächlich durch unsere Sozialisation und Gewohnheiten geprägt. So empfinde auch ich Röcke oft noch als femininer als Hosen. Ich kann darüber nachdenken und es relativieren, aber emotional ist das recht fest eingeprägt. Und so kann ich auch das Rocktragen als Genderrollenkritik verwenden.
Ich nenne das "soziale Plausibilität", wenn wir etwas für richtig halten, weil wir es durch die Sozialisation so gelernt haben, unabhängig davon, dass es bei anderer kultureller Prägung auch ganz anders richtig sein kann. Dagegen stelle ich die "sachliche Plausibiltät", die auf logischen, wissenschaftlichen oder einfach prakmatischen Erklärungen beruht.
Ich würde allerdings Kultur und Natur oder Biologie nicht so sehr als Gegensätzte sehen. Man kann sogar die Kultur als Funktion der Biologie sehen, oder eben als Teil der Natur. Erlerntes Verhalten ist ja auch in der Ethologie, der biologischen Verhaltensforschung, genau so Objekt der Forschung wie das genetische, instinktgeseuerte.
LG, Micha