Lieber Zwurg,
danke für Deinen offenen, differenzierten und perspektivebewussten Beitrag.
Ich gucke gerade einen wunderbaren Film über Patagonien auf Arte. Deshalb erstmal nur ein paar kurze Sätze.
Die von Dir zuoberst genannten Gruppen sind sozusagen die muslimischen Nazis. Die haben einen gewissen Einfluss, da sie ihre Wurzeln im Antikolonialismus haben mit dem Ziel, muslimische Länder von Fremdherrschaft zu befreien. Aber von Theologie verstehen sie m.W. wenig. Deshalb lehnen Sie die islamische Theologie auch meistens ab. Sie wollen die über 1400 Jahre alten Texte des Koran und der Sunna wortwörtlich ins Heute übertragen und dann aber doch gemäß ihrer politischen Ideologie interpretieren, wobei sie nicht zugeben, dass sie intpretieren.
Ich weiß nicht, ob es Dir überhaupt liegt, über Menschen über das zu reden, was ihnen heilig ist, wenn es sich nicht mit dem deckt, was Dir heilig ist. Das liegt nicht jedem, auch nicht jedem Theologen. Aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich. Schau mal, wie nichtislamistische Muslime den Koran und die Sunna interpretieren und damit umgehen. Da liegen Welten dazwischen.
Kritik an Heiligen Überlieferungen wird man indes von Gläubigen der betreffenden Religion nur ausnahmsweise finden. Eher kritisieren sie, wennn man ihre Meinung nach falsch damit umgegangen ist. Islamisten werden also kritisiert, Koran und Muhammad eher nicht. Das ist in den anderen Religionen entsprehend ähnlich, auch im Buddhismus.
Wenn Du also über die Schattenseiten Nichirens etwas erfahren willst, frage die Buddhisten anderer Richtungen oder die Nichtbuddhisten. Und recherchiere mal nach dem Begriff "Shakubuku". Trotzdem kann man heutige Nichiren-Buddhisten nicht dafür verantwortlich machen, zumal sich zu Nichirens Zeiten die Buddhisten in Japan eh eng in die politischen Kämpfe zwischen Kaiserhaus, Adelshäusern und Generälen (Stichwort "Shogun") involvieren. Und dann kamen noch die Monolgen dazu, die Nichiren persönlich, so sagt es die Legende, mit hilfe eines Heiligen Windes (jap. "Kamikaze") von einer Invasion abgehalten haben soll. Also alles sehr kompliziert. Dass sich die beiden Oberhäupter der nichiren-buddhistischen Laienorganisation Soka Gakkai im II. Weltkrieg dem jap. Imperialismus versagten, lag daran, dass sie sich weigerten, vor dem Shinto-Heiligtum zu opfern. Nach dem Krieg schlugen sie gut Kapital daraus. Das alle ändert nichts daran, dass ich Freunde bei der Soka Gakkai habe. Ich bewerte Menschen nach sich selbst und nicht nach dem, was man über die Religionen, denen sie angehören, weiß. Sonst könnte man niemandem mehr gut gesinnt sein.
So, das nur mal auf die Schnelle. Jetzt wieder virtuell nach Patagonien.
LG, Micha