Hi alle,
unglaublich, welch interessante Aussagen und Meinungen hier in diesem Forum zu lesen sind... seit Tagen bin ich nur am Staunen (in positiver Hinsicht!).
Zum Thema "Wahn" - und da muss ich gleich mal ein Stück von mir selbst outen: Ich war sehr lange Zeitsoldat der Bundeswehr (bin übrigens gern Soldat gewesen). Was mir aber in dem zu meiner Zeit noch reinem Männerverein immer wieder auffiel - und das war es, was mich letztlich aus dem Haufen rausgetrieben hat, war der unkritische Männlichkeitswahn, quer durch alle Dienstgradgruppen, praktiziert von allen sozialen Schichten, nicht obwohl, sondern vielleicht WEIL
1. es ein Männerverein war/ist, wo Männer nach vermeintlich "Männlichem" suchen - in Wahrheit aber die Nähe eben zu Männern suchen (Homophilie)
2. notwendig uniforme Homogenität herrscht, die dem Einzelnen nicht nur das Nachdenken über Individualität erübrigt, sondern diese kreative Fähigkeit bei vielen mit der Zeit sogar verschütten lässt
und 3. banalerweise keine FRAUEN anwesend waren, auf die man(n) sich hätte einstellen müssen: Eine latente Frauenflucht, weil diese zuvor "männliche" Territorien eroberten? (Denkt mal an die Biedermeierzeit, wie sehr es gerade anders war, Männer und Frauen wollten unbedingt zusammen sein!) - wo ist dieses Zusammenseinwollen hingekommen?
Viele Rituale, die ich (nur) unter (kasernierten) Männern beim Bund erlebte (und zum Teil ja selbst mitgemacht habe), wie Kampfsaufen, Rumbrüllen, ostentative körperliche Belastungen bis und über die Schmerzgrenze hinaus (um ihrer Ostentation willen!), überbetonte Selbstkontrolle, "Revier-" und "Hahnenkämpfe", strenges Leben in Hackordnung usw., sind FOLGEN bestimmter sozialer Bedingungen, nicht deren Voraussetzung.
Nun, inzwischen mag vielleicht das eine oder andere beim Bund besser geworden sein, nicht zuletzt durch die Öffnung für Frauen. Was hat das mit dem Thema "Mann im Rock" zu tun?
Vielleicht soviel, das wir nach wie vor in einer überaus maskulinen, ja uniformen Gesellschaft leben, eine Gesellschaft, die unter einer inneren "Flucht" leidet, eine Gesellschaft, die Abweichungen schon unausgesprochen "sanktioniert". So ist es eine beinahe natürliche Erscheinungen, dass SCHON selbst jene, die als "Mann" überhaupt mal wagen auch nur daran zu DENKEN, mal Rock oder Kilt oder andere ungewöhnliche Kleidungsstücke zu tragen, eine innere "Blockade" verspüren, sich für "schräg" oder gar "falsch" halten. Da ist aber nichts "Falsches"!
Ja, es gibt einen Männlichkeitswahn, den ich bescheuert finde. AM besten beobachten kann man es bei vielen eher "konservativen" Schwulen, die ALLES daran setzen, einem (vielleicht sexuell bedingten) "männlichen" Idealbild zu entsprechen (extreme Form vielleicht die Homo-Skins), und überhaupt, die sich oft selbst ghettoisieren ("Szene", die sich dann etwa auf CSD's mangels Außenwahrnehmung öffentlich"entladen"). Beweis: Meiner Erfahrung nach würden die meisten Schwulen NIEMALS auf die Idee kommen, Rock zu tragen... SCHLUSS ALSO MIT DEM MÄNNLICHKEITSWAHN!
Rockträger halte ich für die Avantgarde einer ent-maskulinisierten, ja ent-militarisierten Gesellschaft. Wenn es mehr Männer im Rock oder Kleid usw. geben würde, würden Frauen aufhören zu glauben, sich müssten sich "emanzipieren". Männer im Rock sind das größte Geschenk, was man(n) derzeit dem weiblichen Teil unserer Gesellschaft machen kann.
Gruß
L., der einfach mal drauflosphilosophiert... ;-)