Nur weil Ihr jetzt diese Diskussion führt, werde ich dieses vermutlich lesenswerte Buch aber nicht lesen.
Dennoch möchte ich meinen Senf dazu beitragen.
Und ja, ich bin auch der Meinung, es war bekannt, was da vor sich ging. Einigen jedenfalls. Und ja, manchereiner hätte bestimmt auch die Chance gehabt, mehr darüber zu erfahren. Aber es gab auch viele, die es nun wirklich nicht wussten. Und wer als Kind die Zeit miterlebt hat, dem wurden Einzelheiten vielleicht auch bewusst nicht mitgeteilt, sondern genau die selben Storys erzählt, wie die NS-Propaganda das ja auch getan hat.
Und ja, es gab viele, die wirklich Unwissend waren. Denn wie sollte sich umfassende, gesicherte Information verbreiten, wenn ein totalitäres System genau das eben nicht möchte und mit kurzen Prozessen wie Verhaftungen und zum Teil auch Todesurteilen dann auch vollstreckt.
Es gab nicht nur die Wissenden, es gibt nicht nur die Unwissenden. Und trotz besten Wissens und Gewissens ist nicht jeder ein Heiliger, der für seine Überzeugungen und eigenen Ansichten standhaft bleibt, wenn ihm mit Bestrafung, Verhaftung, ja dem Tod gedroht wird.
Die meisten hatte wahrscheinlich wenn überhaupt, statt aufrichtigem Wissen nur eine fade Ahnung. Und die meisten haben sich angesichts des waltenden Regimes vermutlich auch gar nicht weiter dafür interessiert, weil sie mit eigenen Problemen genug zu tun hatten oder vom Regime durch ideologisch durchtriebene Angebote genügend bespaßt wurden.
Man kann nun darüber philosophieren, ob es sinnvoll ist, dass jeder möglichst wie ein Heiliger bis in den drohenden Tod zu seinen inneren Überzeugungen steht (Hut ab vor denen, die das taten), oder ob es sinnvoller ist, sich dem System unterzuordnen, um sich und seine eigene Haut möglichst zu retten.
Ich denke, man kann niemandem einen Vorwurf machen, wer versucht, seine Haut zu retten, um sich bestmöglich durch die Zeit zu lavieren. Natürlich kann das wiederum auch Blüten treiben, indem man dann ein feiger Mitläufer wird und das, was man eigentlich ablehnt nur noch weiter unterstützt. Das alles abschließend zu bewerten, glaube ich, können wir uns heute aus unserer heutigen bequemen Position heraus nicht anmaßen.
Aber die Phänomene vom Weggucken und Wegducken, das 'interessiert mich nicht' und 'das machen die andern doch auch', das gibt es auch heute noch. Und wer was macht oder nicht macht, ist auch heute noch extreme Interpretationssache - sieht man ja tagtäglich draussen auf der Straße, oder hier im Forum.