Ich zähle mich nicht zur queeren Community und blicke da nicht ganz getroffen, aber dennoch betroffen drauf und sage:
Es ist eine Schilderung über eine Transfrau. Man könnte also fragen: Was hat das in einem Forum für (heterosexuelle) Röcke tragende Männer zu tun? Wir können durch unser Äußeres genauso Menschen ungewollt provozieren, die uns fälschlicherweise für schwul oder trans halten. Da sitzen wir mit LGBT nun mal im selben Boot und wir sind unmittelbar davon betroffen. Meine Kollegin musste ja auch direkt an mich denken und erkundigte sich im Gespräch, welche Erfahrungen ich bereits gemacht habe. Für solche Spinner sind wir alle einfach "ekelhafte Schwuchteln, denen man auf die Fresse haut", um es mal platt auszudrücken.
Zum einen: Yoshis Kollegin war nicht Zeugin der Tat.
Richtig. Die Tat selbst hat sie nicht beobachtet, sondern nur von dem Opfer geschildert bekommen. Falls es zu einem Gerichtsprozess kommt wird sie natürlich als Zeugin aussagen.
Dass die Täter noch einmal zurückkehrten, ist ein durchaus interessanter Aspekt. Wie man dies einordnen soll, kann ich nicht sagen.
Die Transfrau ist wohl vor den Tätern weggerannt, um sich in Sicherheit zu bringen. Meine Kollegin sah die Transfrau blutverschmiert torkeln und die ganze Treppe sei voller Blut gewesen. Direkt in dem Moment kamen die mutmaßlichen Täter angerannt, das war also innerhalb von Sekunden. Es waren höchstwahrscheinlich die Täter, aber das kann man nicht hundertprozentig sagen. Die Transfrau konnte zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr sehen, weil das Pfefferspray wirkte. Das wird man nun anhand der Aufnahmen analysieren und rekonstruieren müssen.
Wir wissen auch nicht, was genau unter "tätlich angegriffen" zu verstehen ist und wie sich die Tat insgesamt hochgeschaukelt hat. Auch ist von Pfefferspray die Rede. Wer hat gegen wen dieses eingesetzt? Auch das wissen wir nicht. Wobei mir persönlich fast plausibler erscheint, dass queere Personen vorsorglich Pfefferspray griffbereit bei sich führen als zwei dahergelaufene irgendwelche Teenies. Ist aber nur eine Vermutung, kann auch genau anders sein.
Die Transfrau hat meiner Kollegin berichtet, dass sie auf den Kopf geschlagen und an der Perücke gezogen wurde. Daraufhin kratzte sie dem männlichen Täter mit ihren künstlichen Nägeln ins Gesicht, um sich zu befreien. Deswegen setzte der Täter Pfefferspray ein, um die Transfrau zu besprühen, worauf sie anschließend fortrannte und dann unverzüglich meiner Kollegin begegnete.
Dass keiner der vielen Passanten reagiert hat, macht betroffen, ist aber durchaus erklärbar.
Solche Situationen passieren schnell und man kann nicht rational reagieren. Meine Kollegin machte sich bei ihrer Zeugenaussage bei der Polizei Vorwürfe, warum sie den Tätern nicht hinterher gerannt ist. Sie hatte starke Gewissensbisse und die Polizisten beschwichtigten sie, dass es richtig von ihr war, sich vorrangig um das Opfer zu kümmern.
Leider ist die Situation wohl vielen Passanten aufgefallen. Sie blieben stehen und es war das bekannte "Gaffer"-Phänomen. Ich kann es nicht beurteilen, denn ich war nicht dabei und kann nur wiedergeben, was meine Kollegin in ihrem Schockzustand wahrgenommen hat. Man fühlt sich natürlich hilflos und verzweifelt, wenn man merkt, dass dutzende Menschen ringsherum nicht unterstützen. Allein zahlenmäßig hätte man problemlos zwei Teenager stoppen können, weil man überlegen wäre.
Wahrscheinlich reagieren wir Erzieher auch anders in solchen Situationen. Damit meine ich noch nicht mal, dass wir aufgrund des Berufes "sozial" eingestellt sind, sondern wir sind es gewohnt schnell zu reagieren. Wie oft rennen wir los, um Kinder aus einer Gefahrensituation zu retten, Erste Hilfe zu leisten oder in Handgreiflichkeiten dazwischen zu gehen. Ich würde mal behaupten, dass wir ein ganz anderes Reaktionsvermögen haben.
Solche Schilderungen machen natürlich Angst. Was ist, wenn mir mal sowas passiert? Bin ich dem dann hilflos ausgesetzt? Wird mir jemand helfen? Kann ich mich unter hunderten von Menschen auf der Zeil sicher fühlen, wenn dann doch jeder nur zusieht?
Sowas kann leider jeden von uns passieren. Mir ist auch bewusst, dass ein Rock ein höheres Konfliktpotenzial mit sich bringt, als in Jeans rumzulaufen. Ich bin vorsichtig und habe ein wachsames Auge, wie und wo ich mich bewege. Man darf sich aber auch nicht von der Angst leiten oder sich einschränken lassen. Ich kann auch in Hosen überall und jederzeit Opfer einer Straftat werden, obwohl ich nichts dafür kann.
Jedenfalls kann man meine Kollegin und ihren Sohn als Helden bezeichnen, so wie jeden Menschen, der Zivilcourage beweist. Wer weiß, was ohne sie passiert wäre. Vielleicht hätten die Täter noch auf das hilflos und außer Gefecht gesetzte Opfer eingetreten, während die Passanten tatenlos zugeschaut hätten. Da gäbe es zig Horrorszenarien, die hätten eintreten können. Sozusagen Glück im Unglück.