Es ist aber wahrhaft nicht so, dass jeder - ich fasse es mal unter dem längst nicht auf jeden Gemeinten zutreffenden Sammelbegriff zusammen: - Biodeutsche, der extremes Gedankengut verfolgt, sich freiwillig entschieden hat, extrem zu denken. Es sind nicht zuletzt die paar neulichen Vorfälle (wie Solingen, Mannheim), aber auch die vielen nicht so prominenten Vorfälle, die sich mal wieder häufen, die Menschen in solches Gedankengut treiben. Und ja, da haben unterschiedlichste Kräfte und Interessen, auch aus dem Ausland, leichtes Spiel, unsere Gesellschaft im Zusammenhalt zu schwächen.
Aber letztlich waren es ja auch die prominenten neulichen Vorfälle, die ein plötzliches Aufwachen bisher etablierter Parteien und einen daraus erkennbaren Rechtsruck dieser vormals "Volksparteien" eingeleitet haben.
Ich habe meinen vorherigen Beitrag nicht ohne Grund mit dem Kolonialismus europäischer Couleur gestartet. Viele Fragestellungen heutiger Zeit - auch wenn wir selbst mit diesem früheren Kolonialismus nichts zu tun hatten und nichts dafür können - leiten sich aber aus diesem unrühmlichen Gebahren früherer Zeit ab. Kolonialismus und Unterjochung ist freilich nicht nur eine westliche bzw. europäische Erfindung, das wurde auch in anderen Weltregionen in anderen, meist kleineren Maßstäben ebenso praktiziert. Der europäisch/nordamerikanische Kolonialismus aber erreichte andere Dimensionen und überzog den Erdball mit globalen Abhängigkeitsverhältnissen.
Auch wenn wir die Zeit des Kolonialismus weitgehend als überwunden und abgeschlossen wähnen - abgesehen von trotzdem noch immer deutlich sichtbaren Resten -, so sind aber globale Verzahnungen und Abhängigkeiten noch immer als Folge des alten Kolonialismus wirksam.
Linksorientierte Kräfte in Europa sprechen auch oft zusammen mit dem Kolonialismus auch vom Imperialismus. Und ja, da mögen auch so nichtstaatliche Beispiele wie Coca Cola, Levis, Adidas durchaus dazuzählen. Denn neben nicht-staatlichem, nicht-politischem Imperialismus gibt es den offen wirtschaftlichen Imperialismus, aber auch ganz stark wirksam der kulturelle Imperialismus, dem sich unterlegen fühlende Kulturnationen bzw. Menschen mit deutlich weniger Chancen als bundesdeutschen Hartzern gerne unterwerfen. Drum erwähnte ich auch neben Coca Cola gerade die anderen Beispiele.
Wir in unseren demokratischen Verhältnissen und klimatisch eher günstigen Gefilden hatten nicht zuletzt wegen der nach-kolonialen Strukturen durchaus viel Erfolg, wirtschaftlich, der sich auch auf die Lebensverhältnisse auswirkt. Ein Leben im reichen Europa scheint deutlich komfortabler, angenehmer und ungefährlicher zu sein als in vielen anderen Weltregionen.
Nicht zuletzt durch Fernsehen und FIlme werden diese Errungenschaften weltweit verbreitet und gelten als schick, in solchen Verhältnissen zu leben.
Der Druck, davon zu profitieren ist weltweit sehr groß. Und wer zuhause kaum Chancen sieht oder sich Veränderungen seiner Verhältnisse wünscht, aber deswegen verfolgt wird, der möchte nicht ins Nachbarland fliehen, sondern er möchte dorthin, wo er noch mehr Chancen bekommt als in seinem Nachbarland.
Asyl zu gewähren ist eine sehr gute Idee und auch eine sehr hohe Errungenschaft. Da wir glauben, dass sich unsere heimische Gesellschaft kulturell weiterentwickelt und wir den Fokus lenken auf benachteiligte Gruppen in unserer eigenen Gesellschaft - was ja per se nicht falsch ist - alles rund um das Reizwort "Gendern" (bitte verzeih mir diese oberflächliche, gar falsche Bezeichnung) sei da nur mal exemplarisch genannt -, haben wir auch die Standards, die als Asylgrund gelten können soweit erweitert, dass ein Asylgrund nicht mehr nur die handfeste Bedrohung vom nackten Leben gilt.
Ja, wir sollten hier im Forum froh sein, wenn Staaten auch als Asylgrund anerkennen würden: "Ich darf in meinem Land als Mann keine Röcke tragen!" Das wäre durchaus gut, falls bei uns mal die politische Stimmung komplett umkippt.
Es ist ein offenes Geheimnis, und nicht nur ein Narrativ von extrem denkenden Bio-Deutschen, dass Deutschland ganz zuoberst auf der Wunschliste von Menschen mit Flucht- oder Vertreibungsbiographie steht. Aber auch jenseits von Asyl-Suchenden findet Migration statt, manche Länder wehren sich dagegen entschiedener als zum Beispiel Deutschland, aber auch sonst steht Deutschland da seit Jahrzehnten aus unterschiedlichen Gründen sehr beliebt als Sehnsuchtsland an oberer Stelle.
Die Mär - so wie ich finde -, dass wir migrierende Fachkräfte aus dem Ausland bräuchten, um auch weiterhin zukunftsfähig zu sein in der globalisierten Welt, unterstützt auch gutmeinende Menschen, positiv zu Migration zu stehen. Zeitgleich nährt sich das Narrativ, dass die, die am lautesten gegen Migration wettern, die seien, die am wenigsten von Migration betroffen sind.
Die prominenten Vorfälle von neulich (Solingen, Mannheim) aber auch die weniger prominenten (ich kann sie mir nicht alle merken, aber Groß-Gerau, Rüsselsheim waren u.a. auch mit dabei) machen aber deutlich, dass Migration leider auch nicht so schöne Begleiterscheinungen mit sich bringt.
Micha, Du hast vollkommen Recht - und das bezog ich in meinem vorherigen Beitrag auch mit ein, ohne es explizit zu nennen -, dass auch Einheimische durchaus zu einer Verschärfung von Unsicherheiten beitragen. Oftmals auch unwissend, dass sie da u.a. auch ausländischen Interessen auf den Leim gehen, die unsere freiheitlich-orientierte Gesellschaft destabiliseren wollen.
Andererseits ist es aber auch Pflicht von Politik, Verunsicherungen der Bevölkerung entgegenzuwirken. Ein endloses humanitäres Umarmen der Welt kann leider nicht funktionieren, ohne dass es zu Verlusten des eigenen, inneren Zusammenhaltes kommt.
Und genau hier darf man nicht sagen "Du, der Du Dich verfolgt fühlst, Du bist ein ewig Gestriger!", sondern man muss feinfühlig schauen, wie eine gemeinsame gefühlte Identität nicht zu stark zerbröckelt, denn ohne das hätte man dann nichts gewonnen, sondern nur Stabilität verloren. Was ist eine Demokratie noch wert ohne ein ausreichendes Zusammengehörigkeitsgefühl?