Autor Thema: Bin ich, sind wir alle enby?  (Gelesen 2469 mal)

Offline cephalus

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Bin ich, sind wir alle enby?
« am: 21.08.2024 11:01 »
Gestern war ich bei einem Freund, zu einem gemütlichen Treffen am Lagerfeuer. Etwa 10 andere Leute, alle ungefähr in meinem Alter waren, von denen ich ein paar kannte, waren auch noch da, zu einem gemütlichen Plausch. Zu meiner Kleidung hatte ich mir nicht besonders viele Gedanken gemacht, leger, gemütlich:
Sneakers, ein wadenlanger Faltenrock in schwarz, ein grau meliertes weites langärmliges Herrentshirt und für die kühleren Phasen einen sehr breiten kuschligen Schal mit grün-schwarzem Karomuster.

Ach ja, und irgendwie hatte ich noch spontan, vor dem Gehen, Lust auf den späteren Gesprächsaufhänger: Lange grün/bunte Ohrringe, die ich vor Jahren einmal in Guatemala gekauft hatte.


Irgendwann kam ich neben einer Frau, durchschnittlicher Typ, Anfang 50, zu sitzen, die mich erst freundlich anlächelte und gleich darauf das Gespräch, nach ein paar Floskeln, mit der Frage eröffnete: „welche Pronomen verwendest Du, du bist doch enby?“

Ich habe vermutlich wie eine Dampflock geschaut und war im ersten Moment mit der Fragestellung überfordert.
Meine anfängliche Ratlosigkeit und Überraschung, kombiniert mit dem Rock (den sie für fast alltäglich an einem Mann hielt) und vor allem den Ohrringen, ließ sie tiefer in das Thema einsteigen.

Wir unterhielten uns eine Weile ganz nett, insbesondere über solche Themen wie den Geschlechts-/Genderausdruck und sie war etwas überrascht, dass ich solche Themen zwar kannte, aus dem Netz, ab noch nie damit im realen Leben konfrontiert wurde. Es war für sie auch neu, dass ich mich einfach normal als Mann sehe, auch wenn ich mich nicht an die Bekleidungsnormen halte. Sie kannte da so noch kaum, aus ihrer beruflichen Praxis. Sie forscht und lehrt wohl an einer Münchner Hochschule zu Genderwissenschaften.
Ja, eines ihrer zwei Kinder lebt (ist?) wohl auch enby und mir unterlief der Lapsus nach dem Geschlecht zu fragen ::): „NICHT-BINÄR! ;)“  wie peinlich…

Es war ein hochinteressanter, akademisch – rotweinangehauchter Abend.
Es blieb irgendwie die theoretische Frage, ob man sich selbst in irgendeiner Weise verorten müsse um bestimmte Kriterien zu erfüllen, oder ob das Erfüllen von Kriterien ausreicht um verortet zu werden.

Jedenfalls kam mir sehr stark in den Sinn, wie abhängig Wahrnehmung und Reaktion von der Person ist, auf die man trifft:
Meine Gesprächspartnerin hätte schwerlich Chris‘ Kappe nach dem Aufheben mit einem despektierlichen Kommentar auf den Boden geworfen.

Offline Lars

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #1 am: 21.08.2024 11:39 »
Es war für sie auch neu, dass ich mich einfach normal als Mann sehe, auch wenn ich mich nicht an die Bekleidungsnormen halte. Sie kannte da so noch kaum, aus ihrer beruflichen Praxis. Sie forscht und lehrt wohl an einer Münchner Hochschule zu Genderwissenschaften.

Jaja, die lieben Forscher und Wissenschaftler ...
Da hast du ihr sicher eine mächtige Horizonterweiterung verpasst  8)
Schützen die Grünen die Natur?
Oder müssen wir die Natur vor den Grünen schützen?

Offline Forgotten Fashion

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #2 am: 26.08.2024 21:55 »
Zitat
    Sie forscht und lehrt wohl an einer Münchner Hochschule zu Genderwissenschaften. 

Scheint eine ziemlich abgehobene Bubble zu sein.

Offline MAS

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #3 am: 27.08.2024 00:48 »
Es blieb irgendwie die theoretische Frage, ob man sich selbst in irgendeiner Weise verorten müsse um bestimmte Kriterien zu erfüllen, oder ob das Erfüllen von Kriterien ausreicht um verortet zu werden.

Das ist eine Frage, mit der ich immer wieder konfrontiert werde. Sicher reicht einerseits das Erfüllen von Kriterien aus, um verortet zu werden, aber der so von einem anderen Menschen verortete Mensch muss mit dieser Verortung nicht einverstanden sein.

Das ist ein Problem, das Geistes- oder Kulturwissenschaftler:innen im Gegensatz zu Naturwissenschaftler:innen immer wieder haben: denn die Forschungsobjekte der ersten Gruppe sind zugleich Subjekte ihrer eigenen Verortung, was für die Objekte der zweiten Gruppe nicht zutrifft, oder zumindest selten.

Wenn ich als Naturwissenschaftler z.B. eine elektrische Entladung mit bestimmten Merkmalen als Kugelblitz verorte, kann man wohl davon ausgehen, dass die so verortete elektrische Entladung keine davon abweichende Selbstverortung hat. Vielmehr hat sie wahrscheinlich überhaupt keine Selbstverortung. Wenn ich dagegen einen Anthoposophen als Anhänger einer Religion verorte, kann es sein, dass er sagt, die Anthroposophie sei keine Religion, sondern eine Wissenschaft und dass er sich demzufolge als Anhänger einer Wissenschaft verorte. Und wenn ich ihm dann sage, dass seine Vorstellung von Wissenschaft nicht meiner Vorstellung von Wissenschaft entspreche, aber die Anthroposphie sehr wohl Kriterien erfülle, die die Verortung als Religion nahelegt, dann sind wir zwei Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen von Religion und Wissenschaft. Sicher kann ich ihn immer noch nach meinen Kriterien verorten, aber er muss damit nicht einverstanden sein. Und umgekehrt kann er mich verorten, womit ich nicht nicht unbedingt einverstanden sein muss.

Ja, ein Problem der Theorie, also der Betrachtung. Diese Theorie beeinflusst aber die Empirie, weil sie mir Kriterien vorgibt, nach denen ich Objekte verorte. Diese Kriterien können aber auch geändert werden und damit auch die Verortung.

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Offline hirti

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #4 am: 27.08.2024 06:47 »
Hallo!

Ich dachte erst bei dem Wort Enby an eine Sponsor-Aufschrift die ich vorletztes Wochenende auf Moto-E Bikes gesehen habe, aber das habe ich wohl mit Enel verwechselt:

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Und dann musste ich erst mal die Websuche bemühen, um herauszufinden was Enby eigentlich bedeutet - eine ganz simple Abkürzung des englischen Wortlauts Non Binary => NB.
Die Frage habe ich auch schon ein paar Mal gestellt bekommen, aber oft war das nicht. Die Fragenden waren eigentlich immer Menschen, die auch in der Vergangenheit schon mit nicht-binären Leuten zu tun hatten und einfach offen für das Thema sind.

Ich kann mir gut vorstellen dass es bei mir daran liegt, dass ich mich zwar mit meinen Outfits bisweilen recht weit aus dem Fenster lehne, aber ansonsten nicht wirklich besonders weiblich wirke  und auch keinen Wert darauf lege. Um das Gespräch mit der Dame beneide ich euch beide direkt ein wenig - für dich war es bestimmt spannend, einmal jemanden kennenzulernen der quasi an unsereinem und Konsorten forscht - und ihr wird ein gesprächsbereites Exemplar von unserer Sorte vielleicht auch noch nicht so oft über den Weg gelaufen sein.

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Offline Skirtedman

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #5 am: 27.08.2024 11:29 »
Das Erfüllen von Kriterien reicht völlig aus, um verortet zu werden.
So etwas nennt man "Vorurteile".
Wer welche Vorurteile fällt aufgrund von welchen Kriterien, mag durchaus unterschiedlich sein.
Die theoretische Betrachtung haben Vorredner schon abgehandelt.

Hier im Speziellen finde ich es erschreckend, wie völlig unbekannt jenes Genre Mensch ist, das sich selbst als Mann versteht, als solcher auch geboren wurde und dennoch den Wunsch hegt, was anderes als Hosen zu tragen.

Dass die breite Gesellschaft noch damit Schwierigkeiten hat, sich das vorstellen zu können, wissen wir alle ja. Dass aber selbst die Gender-Wissenschaft noch völlig unzureichend auf diese Spezies Mann vorbereitet ist, fängt schon an, mich betroffen zu machen.

Für alle, denen es wichtig ist, dass ein - sorry, ich verprelle jetzt vielleicht den ein´ oder anderen Leser - "normaler" Mann auch Röcke oder Kleider tragen dürfen soll, fliegt diese Gnade nicht zu, weil andere das aus sich heraus verstehen; sondern es liegt an jedem von uns, diese Botschaft in die Welt zu tragen und dies vorzuleben.

Ansonsten bleibt es auf immer und ewig so, dass:
Ein Mann nackt oder sonstwas sein muss, um keine Hosen tragen zu dürfen.

Offline MAS

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #6 am: 27.08.2024 13:02 »
Diese theoretischen Vorurteile verdanken sich indes auch der Empirie, die aber ausbaufähig ist. Empirie und Theorie beeinflussen und korrigieren sich gegenseitig.

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Offline doppelrock

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #7 am: 27.08.2024 13:07 »
Bin ich, sind wir alle enby?
Pauschal gefragt, pauschal geantwortet: NEIN!.

Ich musste erst durch die Antworten lernen, was "enby" sein soll. Für mich ist Gender-Science, auch wenn sie sich so nennt, keine Wissenschaft, die auf Fakten basiert, sondern eine Ideologie, die Menschen entwurzeln und umerziehen will. Dabei ist mir bewusst, dass es einzelne sehr anders sehen. Ich vertraue aber lieber den Menschen aus Völkern, wo diese Ideologie einfach nicht stattfindet, weil sie erdverbunden sind.

Möglicherweise ist ein Gespräch interessant unter rein philosophischem Aspekt des fortgeschrittenen Abends, hängt sicher sehr von Motivation und Laune der Teilnehmer ab.

Komisch, dass Leute, die sich auf eine neue Wissenschaft berufen, selbst aber völlig unwissenschaftlich mit noch härteren Vorurteilen agieren als andere. Wirkt oft so, als ob diese Menschen sich selbst suchen und eine ideologie, die ihnen von Interessengruppen eingeflüstert wird, für sich und andere als Lösung definieren möchten. Mit dem Titel "Wissenschaft" klingt das ja sogar seriös und intelligent.
Klar kann man eine provokante Frage als Einstieg gleich mitten ins Thema nutzen, es geht aber auch auf 1000 anderen Wegen, ohne Vorurteile.

Mir zumindest passt diese neu erfundene Schublade nicht, egal wie sehr sie als Trend angepriesen wird.

Offline hirti

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #8 am: 29.08.2024 15:34 »
Mich hat es in cephalus' Schilderung doch erstaunt, dass es jemanden gibt, der Genderstudien lehrt. Ich dachte mir aber, das sei wohl Teil eines Studiums, aber dass es tatsächlich ein Studium "Genderstudies" gibt, das hat mich doch überrascht.

Nun bin ich auf der Homepage der Uni Wien darüber gestolpert dass es dieses Studium bei uns auch gibt und über 400 Leute (!), die das studieren.

Und wieder einmal frage ich mich, wer denn wohl Hundertschaften von Leuten dafür bezahlt, dass sie sich im Durchschnitt 4 Jahre lang damit beschäftigt haben, welche Unterschiede es zwischen Männlein und Weiblein und denen dazwischen es gibt??

Offline Kim70

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #9 am: 29.08.2024 15:57 »
Keiner, aber in der Gastronomie sind immer Stellen frei  ;D

Offline high4all

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #10 am: 29.08.2024 16:12 »
Und wieder einmal frage ich mich, wer denn wohl Hundertschaften von Leuten dafür bezahlt, dass sie sich im Durchschnitt 4 Jahre lang damit beschäftigt haben, welche Unterschiede es zwischen Männlein und Weiblein und denen dazwischen es gibt??
Wenn ich mir diverse Beiträge und Diskussionen  hier im Forum anschaue, scheinen mir solche Studiengänge nötig zu sein.
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

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Offline JoHa

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #11 am: 29.08.2024 22:55 »
Mir ist in dem Zusammenhang nur eine Frage wichtig.
Fühle ich mich bezüglich der Einstufung durch andere Menschen höher- oder minderwertig?
Ansonsten ist es mir wurscht, ob ich als L.G,B,T, Divers, oder welche Stempel sonst noch verwendet werden, betrachtet werde.
Ich bin ich!
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Offline MAS

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Antw:Bin ich, sind wir alle enby?
« Antwort #12 am: 29.08.2024 23:52 »
Und wieder einmal frage ich mich, wer denn wohl Hundertschaften von Leuten dafür bezahlt, dass sie sich im Durchschnitt 4 Jahre lang damit beschäftigt haben, welche Unterschiede es zwischen Männlein und Weiblein und denen dazwischen es gibt??
Wenn ich mir diverse Beiträge und Diskussionen  hier im Forum anschaue, scheinen mir solche Studiengänge nötig zu sein.

Würde ich auch sagen. Es gibt ein gesellschaftliches Bedürfnis, mehr über Genderidentitäten zu wissen, also richtet man solche Studiengänge ein. Es gibt aber seit eh und je kleine, hochspezialisierte Fächer. Das ist nichts neues.

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