"Irritierte Blicke sind beispielsweise meines Erachtens in den allermeisten Fällen
nicht negativ."
Da gebe ich Yoshi eindeutig Recht.
Wenn ich persönlich so darüber nachdenke, empfinde ich die meisten Blicke neutral oder eine Einordnung in positiv oder negativ scheint nicht möglich. Irritierte Blicke sind beispielsweise meines Erachtens in den allermeisten Fällen nicht negativ.
Die wirklich negativen Blicke kann man aber auch sehr häufig erkennen und die kommen vergleichsweise am seltensten vor. Eindeutig positive Blicke sind wesentlich häufiger zu erkennen.
Diesem Abschnitt aus der zweiten Schilderung hatte ich bei meinem küchenpsychologischen Deutungsversuch vermutlich zu wenig Gewicht eingeräumt.
Meine Einschätzung ist aber tatsächlich am wenigsten in der Küche entstanden, sondern ergibt sich aus meinen vielfältigen jahrzehntelangen Erfahrungen, Erlebnissen und Beobachtungen außerhalb der Küche.
Nun lag ich aber eindeutig falsch, als ich annahm, dass Yoshi die Blicke im Park als überwiegend für ihn belastende Erfahrung interpretierte.
Ich will trotzdem im hier folgenden Beitrag bei dem Thema "belastende Blicke" bleiben, weil ich es ja weiter oben schon angesprochen habe und ich die Erfahrung gemacht habe, dass Blicke von manchen Menschen eher belastend wahrgenommen werden. Und auch hier im Forum liest man immer mal wieder so, dass Blicke belastend empfunden werden. Es gibt sogar mindestens einen Thread irgendwo auffindbar hier im Forum darüber.
Ich vertiefe diesen Aspekt, wie angekündigt, nun hier im Thread, auch wenn es nichts mit der Beobachtung von Yoshi zu tun hat, aber mit der Überschrift dieses Threads.
Kernthesen dieses Beitrags hier im folgenden ist also:
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Es unterliegt nicht dem reinen Zufall, wieviel Aufmerksamkeit man erntet. Dieses Wirkgefüge wurde in anderen Threads schon ausführlich erörtert, das erspare ich uns hier. Relativ oft wurde aber schon von vielen hier im Forum bestätigt, dass das Maß der Aufmerksamkeit stark von der eigenen Haltung abhängt.
Zufall ist natürlich erst einmal der Auslöser, weil man nicht in der Hand hat, wem man nun begegnet oder nicht. Der Rest ist Interaktion.
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Blicke als solche werden überwiegend als belastend empfunden. Egal ob man das selber so empfindet oder die begleitende Person
Ich beziehe mich jetzt auf Erfahrungen von mir mit einer Ex-Freundin,
weil ich die Zusammenhänge interessant finde. Und vielleicht mancher Leser ein paar Parallelen zu seiner Situation entdecken könnte.
Meine Ex-Freundin fürchtete sich vor Blicken.Das ging soweit, dass sie jegliches Lachen, das man auf der Straße oder sagen wir in Biergärten hörte, sie dieses als ganz fraglos auf mich und sich bezog. Da konnte ein Lachen von um die Straßenecke kommen, hinter der wir noch gar nicht gewesen sind, bezog sie dieses Gelächter schon auf uns.
Punkt war, dass sie mit meinen Röcken (manchmal ihr O-Ton: "diese Rock-Geschichte" - also nicht historisch gemeint) eigentlich aus ihrer inneren Haltung überhaupt kein Problem hatte, im Gegenteil, das sogar unterstützte und sie nicht zuletzt mit ähnlichem Ansatz wie dem Feminismus (auch durch ihre Mutter geprägt) dies für zweifelsfrei richtig hielt. Im Grunde war sie sogar stolz, mich mit meinem Rocktragen an ihrer Seite zu haben. Wären nicht diese Blicke. Gefolgt oft von Tuscheln, Lachen oder mal Kopfschütteln. Was zwar wirklich eher selten vorkam, aber alleine jeder Blick galt in ihrer Beurteilung als Anfang solch einer Reaktionskette.
Sie fürchtete sich also vor den Blicken. Hintergrund ist, dass sie eigentlich nie im Mittelpunkt stehen wollte und will.
Und wenn, dann möchte sie nur als die Gute dastehen. Schlechte Nachrede möchte sie nicht - das möchte eigentlich niemand -, aber wenn dann sollte die Nachrede positiv sein, z.B. ausgelöst von Freundlichkeit, Zuvorkommenheit, Hilfsbereitschaft. Genau dann war es okay für sie, im Mittelpunkt zu stehen - aber bitte auch nicht im Übermaß.
Dennoch durchzog ihr ganzes Handeln, dass sie mit z.B. Hilfsbereitschaft um Anerkennung suchte, und da auch immer mal wieder über das Ziel hinausschoss, was sie dann auch mit zweifelnden Fragen belastete.Verschiedene Umstände aus der Kindheit und frühen Jugend hatten ihren Selbstwert gebrochen. So war sie schulisch nicht unter den besten und hatte auch in den Jahren so um die 25 - als wir zusammenkamen - noch immer fürchterliche Angst, als unwissend zu gelten. Fehlende Anerkennung bei den schulischen Leistungen kompensierte sie in früher Jugend mit sportlichen Aktivitäten im Turnverein. Mehrfach die Woche trainierte sie und als sie irgendwann bei den Wettkämpfen zwischen den Vereinen auch zu respektablen Ergebnissen kam, zog sie sich daraus zurück, weil sie nicht im Rampenlicht stehen wollte. Nicht auf dem Siegertreppchen, nicht in der Zeitung hinterher. Das alles war ihr unangenehm.
Und so war ihr unangenehm, als sie auf einmal mit mir an der Seite wieder Aufmerksamkeiten erhielt. Die zudem noch in der Lage waren, von ihrem positiven Bild etwas wegzunehmen.
Natürlich bekam sie auch mit, dass ich im Freundeskreis oder von fremden Menschen bewundert wurde. Natürlich wurde ihr selbst auch immer mal wieder Anerkennung in diesem Zusammenhang zuteil. Natürlich bekam sie die vielen positiven Reaktionen mit, die ich von bekannten wie fremden Leuten erhielt, oder dass nach einem dieser Blicke dann ein "cool" oder "sieht gut aus" oder mehr Positives folgte.
Dennoch war jeder neue Blick für sie belastend. Und sie fokussierte sich auch darauf, auf Blicke zu achten oder auf Getuschel, Lächeln, Gelächter und dergleichen potentiellen Folgereaktionen. Auch schaute sie sich regelmäßig um, ob Leute gerade gucken, deuten, tuscheln.
Dass sie mit dieser gesteigerten Achtsamkeit auf potentielle negative Reaktionen nur noch mehr Blicke, intensivere Blicke und eventuell auch Folgereaktionen auslöste, war ihr nicht bewusst und ist bis heute für sie nicht nachvollziehbar.
Ich konnte aber über Jahre hinweg genau diesen Einfluss beobachten. Und natürlich kenne ich diesen Einfluss auch von mir selbst. Je mehr auf Reaktionen ich achte, desto mehr erhalte ich sie auch. Desto mehr steigere ich nicht nur meine Wahrnehmung derselben, sondern provoziere sie auch ein Stückweit.
Freilich ist es - wenn man sich hier im Beitrag mal theoretisch auf mich fokussiert - so, dass ich durch mein Nichtbeachten der Reaktionen, der Blicke etc., viele Blicke, viel Getuschel oder Gelächter nicht mitbekomme, was vermutlich eher hinter meinem Rücken sich abspielt als vor meinem Rücken.
Ich weiss, dass sowas nach wie vor noch vorkommt, auch wenn es nachgelassen hat (aus vielen verschiedenen Gründen), aber inzwischen habe ich eben zu diesem Thema auch zu einer Haltung gefunden, die mich nicht mehr wesentlich beeinflusst. Denn ich will Röcke tragen und Kleider und meine Klamotten und mache mich nicht von Blicken, Getuschel, Gelächter abhängig. Für mich überwiegen die positiven Seiten meiner Kleidung die negativen.
Man könnte sagen, im Vergleich zu meiner damaligen Freundin bin ich in einem großen Maße abgestumpft gegen verwunderte, irritierte, interessierte, fragende, bohrende Blicke und potentiell belastende Folgereaktionen, die aber wie gesagt immer mehr - real wie gefühlt - ausbleiben.