Und nun der Gedankenfluss, den ich seit Barefoot-Joe´s Erklärung seiner Anteile einfach nicht mehr eingedämmt kriege...
Achtung! Es wird ausufernd!
Das ganze Gerede über abnormes oder abweichendes Verhalten wird doch letztlich nur aus einem Grunde so vehement geführt: Kurz gesagt: aus altruistischer Existenzangst. Detaillierter ausgedrückt: Aus dem Willen heraus und gar aus dem Druck heraus, dass sich die Menschen auch weiterhin reproduzieren!
Ich, als jemand, der trotz aller erkannter Schattierungen, eine geschlechtliche Binarität verinnerlicht hat, möchte diesem binären Modell dankend seine Existenz ausdrücken. Denn: Hätten vor 200 Jahren die Menschen diese Binarität von einem Tag auf den anderen abgeschafft - uns, die wir hier alle lesen und schreiben, uns gäbe es alle nicht.
Hätte sich in die moderne Ethik eingeprägt, dass dem ganzen Erdball mit allem, was da drauf sich so vorfindet, es wohl nicht so gut tut, wenn es so viele Menschen gibt, wie sie es mittlerweile sind und bald noch sein werden, dann wäre es auch egal, wenn sich 20 oder 30 Prozent der Menschen abweichend verhalten täten mit dem Risiko, nicht zu menschlichen Reproduktion beizutragen. Leider wird sich diese globale Sicht nicht nenneswert in die Ethiken einbauen lassen, weil es andere Konkurrenzsituationen gibt, die genauso für sich genommen auf Existenzsicherung und damit auf Reproduktion bauen: Wirtschaftsräume, kulturelle Identitäten, nationale Gebilde, oder Bundesländer untereinander, oder Städte und Gemeinden buhlen untereinander, mit Landesmitteln bedacht zu werden - sinkende Bevölkerungszahl können hinderlich sein - nur mal als Beispiel.
Die Natur, auf der natürlichen Grundlage, wie sie sich entwickelt hat, hat erkannt, dass es für viele Spezies wohl einen unsäglichen Vorteil hat, auf einer zweigeschlechtlichen Grundlage sich zu reproduzieren. Entweder sind wir Menschen noch nicht soweit entwickelt, dass wir beide geschlechtlichen Möglichkeiten in einem Leib nutzen können, oder es liegt vielleicht auch hier ein Vorteil vor, dass man nicht beides gleichsam im Leib als Möglichkeit entwickelt, um eben energie- und ressourcensparend jeweils nur eine der beiden Geschlechter anlegt und zur Blüte/Reife bringt. Ich vermute: wahrscheinlich letzteres.
Das Erzeugen neuen Lebens auf Basis der Durchmischung zweier unterschiedlicher Genausstattungen und Gewohnheiten/Erfahrungen scheint wohl ein Optimum für die Existenzsicherung von Spezies zu sein.
Energetisch und organisatorisch scheint eine Bipolarität innerhalb der Spezies also mehr Vorteile als Nachteile zu haben.
Und ob man nun männlich oder weiblich geboren wird, hat man (nach meiner Weltsicht) sich genausowenig ausgesucht, wie wann man geboren wird oder wo. Vielleicht wäre ich ja lieber in Afrika geboren worden. Oder erst in 50 Jahren. Oder gar nicht als Mensch, sondern als Papagei oder Fadenwurm.
Und diese geschlechtliche Bipolarität bringt unweigerlich bestimmte Rollenmuster mit sich. Eigentlich müssten wir Männer uns auflehnen, dass wir nicht befähigt sind, neues Leben in unserem Leib auszutragen. Stattdessen sind wir in unserer biologischen Rolle lediglich zu Samenspendern degradiert. Im Interesse unseres Nachwuchses sollten wir ihn aber auch nach seiner Geburt noch begleiten und behüten, also nicht nach erledigter Samenspende sterben oder besser abhauen. Und in der Zeit vor der Geburt sollten wir das Gefäß, in dem unser Nachwuchs heranwächst behüten und verteidigen. Das sind unsere biologischen Rollen, die können wir nicht abstreifen, ohne die Existenzsicherung unserer Spezies, na sagen wir mal, Sippe zu gefährden. Und es ist nun mal so, dass eine schwangere Frau oder auch kurz nach der Geburt nicht so herumspringen und -tollen kann - bildlich gesprochen - wie ein Mensch, der nicht schwanger ist. Daraus ergeben sich sinnstiftende Zwänge.
Alles andere aber ist kultureller Überbau.
Und da brechen das Unbehagen der Geschlechter und der ewige Geschlechterkampf durch. Und in einer Umgebung, in der man nicht auf Gedeih und Verderb gezwungen ist, sich den existenzsichernden Vorgaben zu unterwerfen, da machen all jene sich - zum Teil - lautstark bemerkbar, die sich in dieser Polarität nicht binär verorten lassen.
Wäre vor 200 Jahren die Aufhebung der Binarität weltweit ausgerufen worden - naja, die Menschheit gäbe es wahrscheinlich noch. Aber die würde heute anders aussehen.
Und einige Forscher arbeiten da ja auch mit Nachdruck dran, angefangen vom Retortenbaby bis hin zur Erzeugung von Nachwuchs aus Stammzellen oder unter Verwendung von biologischem Material von drei Menschen. Wollen wir uns gar nicht ausmalen, welche Nebenwirkungen das haben könnte. Einen Vorteil hätte es: Phantasiemodus an! Wäre es nicht wunderbar, mit einem Menschen Nachwuchs zu bekommen, ganz gleich, welchem Geschlechts dieser angehört, oder wie alt er ist?
Dann müsste der ganze kulturelle Überbau mit dem Werben um die Gunst des anderen Geschlechts und vieles andere, um zu beeindrucken, gar nicht mehr mitgeschleppt werden. Klar, viele Zwänge liessen sich da immer noch nicht ablegen, wie zum Beispiel das Streben, ein Überleben sich selbst und dem Nachwuchs zu sichern, also vor allem auch wirtschaftliche Zwänge.
Der Reproduktionsdruck mit seiner (zwar notwendigen) Bipolarität mit all dem kulturellen Überbau begleitet uns von unserem ersten Tag unseres Daseins bis zu unserem letzten, egal, ob wir zur Reproduktion beitragen werden/können/wollen oder nicht. Und der gilt, abgebaut zu werden (der Reproduktionsdruck. Ja, der letzte Tag auch). Und zwar nicht mit Zuordnung von Attributen zu "männlich" oder "weiblich" - sondern einfach nur "menschlich".