Autor Thema: Bitter...  (Gelesen 5234 mal)

Offline cephalus

  • Team
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 7.528
  • Geschlecht: Männlich
    • muenchengefluester
    • Münchengeflüster
Bitter...
« am: 03.10.2014 14:54 »
Mal wieder nicht ganz zum Thema passend und irgendwie doch...

Gestern trafen meine Frau und ich uns mit einem befreundetem Pärchen.
Sie fährt gelegentlich neben ihrer Anstellung als Anästhesistin im Krankenhaus als Notärztin auf einem RTW mit.

Da ich, etwas unkonventionell Shorts und eine blickdichte Strumpfhose trug, viel ihr ein Patient ein, zu dem sie wegen des Verdachts auf einen akuten Herzinfarkt gerufen wurde.

Obwohl vermutlich akute Lebensgefahr bestand, versuchte er sich anfänglich gegen eine Untersuchung und Behandlung zu sträuben und wäre er noch dazu in der Lage gewesen, wäre er wohl auch alleine nach Hause gefahren, einzig aus dem Grund da er wohl etwas unkonventionelle Unterwäsche und eine FSH trug, wie sich später herausstellte.

Ich frage mich wirklich, wie stark erscheint der soziale Druck für manche Männer zu sein, wie sehr sind sie in ihrem Wünschen und Verhaltensoptionen eingeschränkt, dass sie sogar bereit sind, das eigene Leben zu riskieren um den Anschein der „Normalität“ zu waren.

Die Freundin konnte nur den Kopf schütteln, aber nicht über die Kleidung...

Offline high4all

  • Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Psalm 18,30)
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.695
  • Geschlecht: Männlich
  • ΙΧΘΥΣ
  • Pronomen: Unwichtig
Re: Bitter...
« Antwort #1 am: 03.10.2014 15:13 »
Obwohl vermutlich akute Lebensgefahr bestand, versuchte er sich anfänglich gegen eine Untersuchung und Behandlung zu sträuben und wäre er noch dazu in der Lage gewesen, wäre er wohl auch alleine nach Hause gefahren, einzig aus dem Grund da er wohl etwas unkonventionelle Unterwäsche und eine FSH trug, wie sich später herausstellte.

Ich frage mich wirklich, wie stark erscheint der soziale Druck für manche Männer zu sein, wie sehr sind sie in ihrem Wünschen und Verhaltensoptionen eingeschränkt, dass sie sogar bereit sind, das eigene Leben zu riskieren um den Anschein der „Normalität“ zu waren.

Der soziale Druck kann enorm hoch sein, selbst in der heutigen, angeblich so aufgeklärten Zeit. Wir können nicht einmal erahnen. wieviel manche Menschen auf sich nehmen, um für Aussenstehende normal zu erscheinen.

Selbst wir Rockträger, die wir uns ein Stück weit vom sozialen Druck befreit haben, spüren dies manchmal "am eigenen Leib".

Jeder von uns kann ja beim Tragen von Röcken (und Zubehör) in eine Notlage kommen oder einen Unfall haben. Ich denke lieber nicht darüber nach, was das Personal in der Notaufnahme denkt, wenn ich z.B. in voller "Frauenmontur" eingeliefert werde (sehr wahrscheinlich werden sie sich nach Kräften um mich bemühen und gar nicht über mein Outfit stolpern).
Wenn ich nicht das Tragen von Röcken lassen will, muss ich eben mit dem Risiko leben, "geoutet" zu werden. Da bin ich bestimmt nicht der einzige.
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

Never be limited by other people's limited imaginations. (Dr. Mae Jemison)

Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern. (Heinrich Heine

Offline hirti

  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 2.884
  • Geschlecht: Männlich
  • rockt.
  • Pronomen: Er
Re: Bitter...
« Antwort #2 am: 03.10.2014 15:18 »
Hallo!

Tja... das sind wohl 95% von uns, deren erste Intention dieses Verhaltensmuster wäre.
Es sind all die vielen Menschen die nicht in diesem Forum angemeldet sind, die all diese Sachen die sie so gern tragen würden nur heimlich tragen, es nie jemandem zeigen. Und deren größte Angst es ist, erwischt zu werden.

Dass diese Angst sogar größer ist als unser Urinstinkt, der Selbsterhaltungstrieb, das spricht schon Bände.
Und es erklärt auch, wieso es genau diese Männer sein könnten, die unsereinen auf der Straße sehen und ganz laut rufen: "Igitt, schau mal den schw..len Typen im Rock. Das geht doch nicht.", obwohl sie unter der Jeans die feine Wäsche und die FSH tragen und sich zuhause im Kleid auf der Couch setzen. Wenn sie ganz alleine sind.

Schade, denn wenn die verstehen würden dass jeder Mensch seine ganz eigene Art hat, sich wohlzufühlen, dann wären wir nicht nur ein paar Männer unter 50 Millionen im deutschen Sprachraum. Und diese Menschen hätten ein wahrlich freieres Leben und würden nicht, so wie in deinem Beispiel, ihre Gesundheit riskieren.

lg

Offline Peter

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 1.680
  • Geschlecht: Männlich
Re: Bitter...
« Antwort #3 am: 03.10.2014 17:25 »
Ich frage mich wirklich, wie stark erscheint der soziale Druck für manche Männer zu sein, wie sehr sind sie in ihrem Wünschen und Verhaltensoptionen eingeschränkt, dass sie sogar bereit sind, das eigene Leben zu riskieren um den Anschein der „Normalität“ zu waren.

Der soziale Druck....

Ist schon krass, deine Schilderung, -aber ich kann mir das sehr gut vorstellen.

Der soziale Druck, sprich die Angst "...was-könnten-die-Nachbarn-denken?" ist ja auch mitunter stärker als die Liebe zum angetrauten Partner, wie wir hier öfters lesen konnten. Dass sich da jemand in Lebensgefahr begibt, 'nur' um sich eben mal nicht zu blamieren, ist genau so ein Missverhältnis.

Entschuldigend für den armen Mann muss man anmerken, dass unter Stress nur sehr-sehr schwer rationale Entscheidungen getroffen werden können. Im Sport oder beispielsweise in der Fliegerei übt man bestimmte Situationen mental vorher ein, um in der Stresssituation denn die richtige Entscheidung parat zu haben. Vielleicht sollte man mal hier allen Heimlichirgendwasträgern anraten, sich vorzunehmen, den Fall der Fälle mal gedanklich durchzudenken?

LG

Peter
Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zuruecksehnen werden.


Offline cryptoman

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 531
  • Geschlecht: Männlich
Re: Bitter...
« Antwort #4 am: 03.10.2014 18:31 »
Zitat
Ich frage mich wirklich, wie stark erscheint der soziale Druck für manche Männer zu sein, wie sehr sind sie in ihrem Wünschen und Verhaltensoptionen eingeschränkt, dass sie sogar bereit sind, das eigene Leben zu riskieren um den Anschein der „Normalität“ zu waren.
Er macht sich das Leben schwer, nicht andere Leute. Der Grund warum so wenig Männer dich dumm anmachen, wenn du durch die Gegend rockst, liegt wahrscheinlich daran, dass sie ähnliche Gelüste haben, sich aber nicht trauen, sie auszuleben - eine Art stille Solidarität.  :)
Radelfreudiger Rockextremist

Offline high4all

  • Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Psalm 18,30)
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.695
  • Geschlecht: Männlich
  • ΙΧΘΥΣ
  • Pronomen: Unwichtig
Re: Bitter...
« Antwort #5 am: 03.10.2014 18:49 »

Entschuldigend für den armen Mann muss man anmerken, dass unter Stress nur sehr-sehr schwer rationale Entscheidungen getroffen werden können. Im Sport oder beispielsweise in der Fliegerei übt man bestimmte Situationen mental vorher ein, um in der Stresssituation denn die richtige Entscheidung parat zu haben. Vielleicht sollte man mal hier allen Heimlichirgendwasträgern anraten, sich vorzunehmen, den Fall der Fälle mal gedanklich durchzudenken?
LG

Peter
Darüber habe ich schon mal nachgedacht. Wenn ich zu Hause Fetish-Kleidung (z.B. Latex) trage und ich habe einen Unfall oder einen Herzinfarkt und der Rettungswagen und Nortarzt gerufen werden. Kann ja alles passieren, 100%ig ausschließen kann keiner sowas. Versuche ich mich zur Vertuschung meiner Vorlieben noch umzuziehen, bevor ich den Notruf absetze? Falls ich überhaupt dazu in der Lage bin, wenn nicht, ist es sowieso egal. Da kann man schon auf saublöde Ideen kommen, die in dem Moment völlig nebensächlich sind.
Wenn ich ganz konsequent den Leuten was vorspielen will, darf ich solche Sachen niemals tragen. Denn es kann immer was Unvorhergesehenes passieren. Würde nur noch die Fantasie übrigbleiben und das wäre zu wenig. Das Risiko "erwischt" zu werden, kann ich niemals auschließen.

Wenn ich in der Öffentlichkeit Röcke oder High Heels oder Frauenkleidung trage, habe ich dieses Risiko, bei einer Heimlichkeit erwischt zu werden, nicht im vergleichbaren Maße. Sicher könnte ich Leuten begegnen, bei denen es mir unangenehm oder peinlich wäre (falls es solche Leute gibt), aber ansonsten verheimliche ich ja nichts. Die Kleidung ist deutlich sichtbar für jedermann.

LG
H4A
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

Never be limited by other people's limited imaginations. (Dr. Mae Jemison)

Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern. (Heinrich Heine

Offline steffish

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 598
  • Geschlecht: Männlich
  • im Rock
Re: Bitter...
« Antwort #6 am: 03.10.2014 19:38 »
Allen die Angst habe "in Flagranti" erwischt zu werden gebe ich mal Entwarnung.
Ich war während meines Zivildienstes Rettungssanitäter und habe die Erfahrung gemacht das es den Rettern scheissegal ist was die Leute gemacht haben und was sie anhaben, ihnen geht es darum Leben zu retten und weissgott nicht um die Moral. Eventuell machen sie sich nachher wenn die Patienten schon lange weg sind Gedanken aber auch das glaube ich tun sie nur im Allgemeinen. Sie denken dann eventuell: "Was es nicht alles gibt ..." Es geht für sie einfach nicht, sich über jeden Notfallpatienten Gedanken zu machen.

Offline Dr.Heizer

  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 2.772
  • Geschlecht: Männlich
Re: Bitter...
« Antwort #7 am: 03.10.2014 22:39 »
Ich hatte als Teenager mal eine Begegnung mit einem rostigen Nagel, der sich wegen Unachtsamkeit beim herumtollen auf einem Holzhaufen durch meinen Fuß bohrte und wurde mitsamt meinen durchbohrten Stiefel ins KH gebracht. Bei der Eingangsuntersuchung fragte der junge Sanitäter mich, was mit den Zehen passiert sei.  Der Arzt schaute nur kurz drauf und sagte im Routineton "Nagellack, sie müssen noch viel lernen!" Und das ist nun schon 1986  oder 1987 gewesen!

Seither weiß ich, es ist egal, was Du an Deinem Körper anmalst oder nicht, welche Tatoos oder Schmuck Du trägst oder welche Klamotten Du gerade anhast. Ärzte/Sanitäter retten Dein Leben! Also wäre es vollkommen falsch, sich mit schweren Verletzungen oder im Notfall noch umzuziehen. Da wird vieleicht mal kurz Notiz davon genommen, aber die machen ihrem Job einfach! Also macht Euch keinen Kopf darum, sondern rettet Euer Leben, statt ein anderes Kleidungsstück noch umzuziehen und deswegen vieleicht zu sterben - jede Sekunde kann zählen! Die fragen Dich dann vieleicht nur, welche Farbe das Tape für den Gips haben soll...
Viele Grüße aus dem Vogtland, Dr.Heizer

Offline high4all

  • Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Psalm 18,30)
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.695
  • Geschlecht: Männlich
  • ΙΧΘΥΣ
  • Pronomen: Unwichtig
Re: Bitter...
« Antwort #8 am: 03.10.2014 22:47 »
Ich war während meines Zivildienstes Rettungssanitäter und habe die Erfahrung gemacht das es den Rettern scheissegal ist was die Leute gemacht haben und was sie anhaben, ihnen geht es darum Leben zu retten und weissgott nicht um die Moral.

Und das ist beruhigend, dass das Rettungspersonal so auf den Auftrag fokussiert ist, nämlich Leben zu retten.
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

Never be limited by other people's limited imaginations. (Dr. Mae Jemison)

Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern. (Heinrich Heine

Offline ElBuitre

  • Junior
  • **
  • Beiträge: 217
  • Geschlecht: Männlich
Re: Bitter...
« Antwort #9 am: 04.10.2014 00:30 »
Ein Bekannter von mir ist Notarzt... wenn der von "besonderen Fällen" erzält sind das andere Kaliber als Männer in Damenwäsche, das interessiert nun wirklich keinen im Ernstfall auch nur eine Sekunde lang....

Offline Saari

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 609
  • Geschlecht: Männlich
  • Tägliches Auftreten
Re: Bitter...
« Antwort #10 am: 04.10.2014 08:54 »
Ich möchte zu diesem Thema von einer Begebenheit von mir berichten.
Vor Jahren mußte ich einmal unvermittelt ins örtliche Klinikum eingewiesen werden.
Noch in der Notufnahme wurden vom zuständigen Chefarzt und seinen Klinikschwestern
die ersten Untersuchungen durchgeführt.
Hierzu zählten auch auch die Reaktionen an Händen und Füßen sowie deren Durchblutungen.
Ich hatte an diesen Tagen rotbraun lackierte Fuß- und hellbeige lackierte Fingernägel.
Sicher dies waren gewisse Behinderungen, die natürliche Farbe der Nägel war durch die Lackfarben
überdeckt, aber niemand nahm Anstoß; jedenfalls bemerkte ich nichts.
Auch die von mir getragene Unterwäsche war kein Thema.
Gleiches später auf der Station und bei den folgenden weiteren Untersuchungen.
 

Offline cephalus

  • Team
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 7.528
  • Geschlecht: Männlich
    • muenchengefluester
    • Münchengeflüster
Re: Bitter...
« Antwort #11 am: 04.10.2014 11:11 »
Damenwäsche, das interessiert nun wirklich keinen im Ernstfall auch nur eine Sekunde lang....

Genau so sah die Freundin vom Eingangsposting das auch - sie regte sich nur über das unsinnige Verhalten des Patienten auf.

Offline Luan

  • Team
  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 2.195
  • Geschlecht: Männlich
  • Ich liebe dieses Forum!
  • Pronomen: Er
Re: Bitter...
« Antwort #12 am: 04.10.2014 11:57 »
Hallo,

zu den bisher geschilderten Tatsachen, kann ich keine Beispiele beitragen, aber zu meiner aktiven Bundeswehrzeit habe ich für die Johanniter ehrenamtlich in Celle Mittwochsabends den Notarzt gefahren. Und da ist man dann auch in die unterschiedlichsten Wohnungen/Häuser gekommen. Man hat zwar das häusliche Umfeld des Patienten zur Kenntnis genommen, in erster Linie ging es aber darum, dem Menschen medizinisch zu helfen.

Ich hatte an diesen Tagen rotbraun lackierte Fuß- und hellbeige lackierte Fingernägel. Sicher dies waren gewisse Behinderungen, die natürliche Farbe der Nägel war durch die Lackfarben überdeckt, aber niemand nahm Anstoß; jedenfalls bemerkte ich nichts.

Auch zu meinen Bundeswehrzeiten (Sanitätsdienst) hatte ich mal eine mehrwöchige Weiterbildung im Allg. Krankenhaus in Celle in der Anästhesie und Unfallchirurgie. Da wurde auch darauf geachtet, dass die Patienten bei elektiven (geplanten) Eingriffen keinen Nagellack drauf hatten, da man sonst eine mögliche Blaufärbung nicht schnell genug erkennen konnte.
Ich frage mich allerdings gerade in diesem Zusammenhang, was die Krankenhäuser machen, wenn Patienten mit "aufwändig gemachten Fingernägel" in den OP müssen. Da müsste ich wohl mal meinen Bruder fragen, der OP-Pfleger ist.
Gib deine Ideale nicht auf! Ohne sie bist du wohl noch, aber du lebst nicht mehr. (Mark Twain)


 

SMF 2.0.19 | SMF © 2020, Simple Machines | Bedingungen und Regeln

go up