Tja, Micha, ich versuche es kurz zu halten.
Der Job, bei dem ich das Röcketragen einführte, hatte deutlich andere Rahmenbedingungen, als die meisten Werktätigen in ihrem 9-to-5-Job.
Mein Job fing abends irgendwann 17 oder 18 Uhr an, in einem Bürogebäude, in dem ich aber weder persönlichen Kundenkontakt hatte, noch sonderlich oft vielen Mitarbeitern - nur einer Handvoll, immer dieselben - begegnet bin. Im Gegenteil, ich hatte sogar einen eigenen Zugang zu einem abgetrennten Teilkomplex, allerdings mit Zugang zum Hauptkomplex wegen Küche, Post und Toiletten.
Ich fing dort an mit Hosen. Irgendwann aber zog ich mich nicht extra für den Job mehr um, immer öfter. Und tauchte da eben im Rock auf. Meinem Chef begegnete ich auch sehr selten. Wenn ich dann aber im Rock kam, und ich merkte, er ist noch da, dachte ich schon öfters "Shit".
Wenn es dann zu einer spontanen Besprechung kam, saß ich halt dann manchmal da im Rock. Von ihm kam aber keinerlei Bezugnahme auf meinen Bekleidungsstil. Gleichzeitig hatte ich meinen gestalterischen Freiraum, was die Arbeit anging, und ich akquirierte mir meine erste Mitarbeiterin bei einer Uniparty: sie in Hosen, ich im Rock. Das übrigens ist gut 30 Jahre her.
Währenddessen eroberte ich mir allerdings erst im zweiten Schritt meine Studententätigkeit im Rock. Das war einer meiner Haupthürden, denn ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, meinen jahrelangen Kommilitonen im Rock zu begegnen und mit ihnen die Studienzeit und Freizeiten ebenbürtig zu verbringen. Hinzukam, dass an unserer Hochschule weniger als 5 Prozent Frauen studierten. Mein allererster Einstieg war, als ich in den Semesterferien mal kurz durch die Gebäude flaniert bin. Natürlich bin ich unerwarteterweise gleich einem Kommilitonen in die Arme gelaufen. Als da nichts geschehen ist, habe ich mich langsam auch dort zu immer mehr getraut. Aber unsere Lerngruppen / Studiengruppen / studentischen Freundesgruppen haben auch im Rock sich nicht verändert. Irgendwann habe ich dorthin aber dann auch nie wieder Hosen getragen. Trotz geringem Frauenanteil hatte ich aber immer mit mindestens einer Handvoll Frauen zu tun - auch schon vor meinem dortigen Rocktragen.
Zurück zum parallel laufenden Job:
Es gab dann auch immer wieder große Besprechungsrunden im geschäftlichen Netzwerk, bei denen ich bald ganz selbstverständlich im Rock teilnahm.
Das nächste offizielle Vorstellungsgespräch vollzog ich dann auch im Rock an Ort und Stelle im Büro. Dieser Mitarbeiter war ein guter Fang, denn er begleitete mich arbeitsmässig in verschiedenen Konstellationen noch etwa 10 Jahre lang.
In meinem ersten Rock-Job war ich dann also sowas wie ein kleiner Abteilungsleiter. Und es kamen über die Jahre weitere Aufgabenfelder unterschiedlicher Natur und weitere Konstellationen hinzu. Irgendwann war ich dann Vollzeit im Job. Und immer im Rock.
Inzwischen gehörte es mit dazu, dass für Teilbereiche meiner Aufgaben ich auch "Kundenkontakt" hatte. Wobei "Kunde" hier anders gelagert ist. Als Fernsehsender geht man eben raus und filmt Sachen bei Leuten, mit Leuten, ein direktes Kundenverhältnis besteht da ja nicht. Andererseits sind die Mitarbeiter eines jeden Unternehmens, auch bei einem Fernsehsender, im Aussendienst natürlich auch ein Aushängeschild.
Statt "Kunden" kann man dann vielleicht seinen guten Ruf verlieren. Das alles war aber überhaupt kein Problem, nirgends.
Es gab nur ein paar Mal, wo irgendwie Redaktionsleiter oder Mitarbeiter mich baten, eine Hose zu tragen. Das ging dann nicht selten so aus, dass die Leute sich wunderten, wie "Heute in Hosen?", zum Beispiel vom langjährigen Mainzer Oberbürgermeister und Städtetagsvorsitzenden Jockel Fuchs oder auf der Buchmesse (was eigentlich sowas von unnötig war, dort in Hosen hinzugehen) im selben Wortlaut vom entgegenkommenden damaligen Ministerpräsidenten von RLP, Kurt Beck, inmitten seiner an mir vorbeihuschenden Delegation.
Ich hatte ganz viele Begegnungen bei Dreharbeiten, auch in der hintersten "Walachei", wo ich ein, zwei Tage mit Leuten zu tun hatte, die mich nie auf meine Bekleidung angesprochen haben. Und wenn doch, dann kam mehr Bewunderung, Beeindruckung zum Vorschein, Ablehnung eigentlich nie. Oder bei Straßenumfragen unter dahergelaufenem Volk kam selten irgendeine spürbare Reaktion. Und wenn, dann keine Ablehnung, sondern begeistertes Interesse. Also in dieser Art Job war ich für gut 15 Jahre sehr gut sichtbar.
Ich war so an drei, vier, mal fünf Tagen wöchentlich draussen am Drehen, und drei, vier Tage in der Woche, oder halt alle restlichen von den 7, auch im Studio im Schnitt. Meine Sachen habe ich eher selbst geschnitten, die Sachen von den andern, oder wo ich selbst Kameramann war, dann im Team - überwiegend Frauen, die mir bei so manchen langen Schnittabenden eher übereinstimmend immer von meinem Mut und meinem Geschmack mir vorgeschwärmt haben.
Naja, so bin ich auch in mindestens zwei Beziehungen hineingerutscht. Kein Wunder, weil sehr viel Freizeit hatte ich da nicht, Arbeit und Freizeit vermischte sich, und die meiste Freizeit verbachte man mit den Kollegen gemeinsam, wie ein große Familie.
Da ich nicht in den organisatorischen Überbau groß eingestiegen bin, muss ich mir auch nicht eine Reihe von Fehlentscheidungen anlasten, die dann zur allmählichen Auflösung dieser Gesamtkonstellation führten.
Dann kam eine Zeit, wo ich mir mehr mit Assitententätigkeiten mein Auskommen sicherte. Da war verhältnismäßig gut Geld zu verdienen, und für die meist zwei, drei Stunden Arbeitseinsatz habe ich es erst gar nicht versucht, dort den Rock einzuführen, wenngleich ich mich immer im Rock vorgestellt habe bzw. ohnehin schon mit Rock bekannt war. Das ist inzwischen auch schon über 10 Jahre her.
Dann wechselte ich so zeitgleich innerhalb meiner Branche eher in einen anderen Aufgabenbereich, da wuchs ich rein, weil ich mit meinem reichen Erfahrungsschatz inhaltlich den Vertrieb gut unterstützen konnte. Das war aber im Innendienst zunächst, und im Team überhaupt kein Thema, Rock zu tragen. Auch nicht als Teamleiter, stellv. Vertriebschef, Hauptvertriebsschef mit zum Teil 15 Mitabeitenden. Und bei Erfolgs- und Krisensitzungen ich auch immer im Rock, bei der Bank und so.
Durch persönliche Zerwürfnisse, unterschiedlichen Zielen und so hat sich auch diese Konstellation nicht bis heute erhalten und in meinem Netzwerk / unserer Firma operieren wir jetzt in kleinerem Rahmen. Viel habe ich aus Zeit-, Effektivitäts- und Kostengründen ins Home-Office verlagert. Zu meinen Aussendienst-Terminen mit Kunden habe ich mir immer eine Hose bereitgelegt, die manchmal je nach Gusto dann auch zum Einsatz kam. Im Home-Office allerdings kann ich tragen, was ich will. Und seit C gibt es kaum noch Aussendienst-Termine, die ich aber inzwischen auch uneingeschränkt ohne Not-Hose absolviere. Ich habe keinen Unterschied im Beratungserfolg festgestellt, ob in Hose oder Rock/Kleid. Meist hatte ich das Gefühl, dass Persönlichkeit im direkten Kundenkontakt sogar eher ein Türöffner ist.
Meine größte Wirkungsgeschichte mit Rock beruflicher Natur habe ich also schon längst hinter mir. Wen ich mitreissen konnte, keine Ahnung. Ich hab mein bestes dafür gegeben.
Jetzt wirke ich mehr in meinem Privatleben, dafür hab ich im Home-Office beste Gelegenheiten, oder bei anderweitigen kleinen berufsbedingten Kontakten.
Insofern hab ich praktisch keine Schwierigkeiten gehabt, im Berufsleben Röcke zu tragen, aber mein Berufsleben ist schwerlich vergleichbar mit dem Berufsleben des durchschnittlichen Mannes.