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Andere interessante Themen => Zeitgeschehen => Thema gestartet von: MAS am 02.12.2020 09:52

Titel: Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 02.12.2020 09:52
Gude!

Die Beiträge ab https://www.rockmode.de/index.php?topic=4676.msg134219#msg134219 (https://www.rockmode.de/index.php?topic=4676.msg134219#msg134219) brachten mich auf die Idee, mal einen eigenen Thread dazu zu beginnen.

Das gehört ja zum Zeitgeschehen: Wir erlebt Ihr den aktuellen Stand und den Wandel der deutschen Sprache(n) in Deutschland, Österreich, Südtirol, der Schweiz, dem Elsaß und Lothringen, Luxemburg, Ostbelgien, Nordschleswig usw.?

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: doppelrock am 02.12.2020 12:00
Hallo Micha,

ein sehr interessantes Thema mit vielen Facetten.
Generell fällt mir auf, dass weiterhin viele regionale Wörter verschwinden, sich das Hochdeutsch immer weiter durchsetzt. Auf einer Schweizer Nachrichtenseite sehe ich regelmäßig eine Kolumne, die sich mit nur noch selten verwendeten regionalen Wörtern befasst.

Auch im Hochdeutsch gehen Wörter verloren, werden unmodern oder durch Anglizismen ersetzt. Manchmal sogar durch solche, die es im Englischen nicht mit der selben Bedeutung oder überhaupt nicht gibt wie das berühmte "public viewing" als öffentliche Übertragung eines Sportereignisses gegenüber der ursprünglichen Leichenschau. Handy heißt mobile phone.

Zusätzlich habe ich den Eindruck, dass gesprochene und geschriebene Sprache weiter vereinfacht wird, Mehrfachbedeutungen von Wörtern und komplexe Sätze nicht mehr verstanden werden. Vor Jahren sagte man, dass die B*LD-Zeitung mit 800 Wörtern und einfachen Hauptsätzen auskommt. Das scheint tatsächlich die Richtung, in die wir uns bewegen, auch durch social media beschleunigt.

Schnellebige Jugendsprache wäre ein Thema für sich

Gruß
doppelrock
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 02.12.2020 23:39
Jep, Doppelrock, schön, dass wir mal eine ähnliche Wirklichkeitswahrnehmung haben!

Ich denke aber auch, dass wir zwei Dinge auseinanderhalten müssen:

a) Der Enfluss anderer Sprachen: Latein, Französisch, Englisch, als sozusagen Modesprachen ihrer jeweiligen Epoche. Latein war lange die Sprache der Kirche und der Gelehrten. Meister Eckhart übersetze im 13. Jh. einige im Lateinischen gängigen Begriffe erstmals ins Deutsche und erweiterte damit den deutschen Wortschatz maßgeblich. Im Barock und in der Klassik war Französisch die Sprache der Gebildeten und der Herrschaft. Heute ist Englisch einerseits internationale Handels-, Politik- und Wissenschaftssprache, aber auch in Mischung mit diversen anderen Sprachen Modesprache. Dadurch werden wie von Dir gezeigt Wörter imporiert und andere neu erfunden: "Denglisch" nennt man das, was dabei herauskam.

b) Die Vereinheitlichung des so genannten Hochdeutschen. Im Kaiserreich war es Ziel der Regierung, ein einheitliches deutsches Volk zu schaffen und keine Vielzahl deutscher Völker. Das hatte seine Wurzeln in der antinapoleonischen Bewegung und von daher in der Romatik. Man versuchte, den Deutschen von der Waterkant bis in die Donauniederungen beizubringen, dass sie alle zuerst Deutsche sind, und dann Friesen, Rheinländer, Sachsen, Bayern, Österreicher usw. Dass sich Österreich dann von Deutschland trennte und zwei Kaiserreiche entstanden, was von den Romatikern nicht vorgesehen. Im Deutschen Reich ging die Vereinheitlichung in den Schulen und Kasernen weiter. Aber die Dialekte hielten sich trotzdem noch, und die anderen Sprachen wie Friesisch und Sorbisch auch. In den beiden deutschen Staaten BRD und DDR kam dann aber ein anderer Grund der Vereinheitlichung dazu: Rundfunk und Fernsehen, sowei die zunehmende Mobilität. 

Heute gibt es Deutsche, deren Aussprache man nicht mehr oder kaum mehr anmerkt, aus welcher Region sie kommen. Ihre Sprache hat sich innerhalb von zwei Generationen grundlegend verändert. Zu dieser Generation gehöre auch ich. Ich spreche kein Moselfränkisch, was in meiner Heimatregion eigentlich der Dialekt ist.

Inzwischen gibt es ja eine Gegenbewegung, genannt: Mundart. Mundartvereine versuchen, die Dialekte ihrer Region zu erhalten, vor dem Aussterben zu bewahren. Vor allem sind es Musiker*innen, Dichter*innen, Karnevalist*innen u.a. Künstler*innen, die auf der Bühne oder auch in Fernsehen und Radio oder in Büchern und Zeitschriften und auf Websites (ein englisches Wort für "Netzplätze") ihre jeweiligen Dialekte pflegen. Aber bis auf wenige Regionen sind sie wie Don Quichote, der gegen Windmühlen anritt.

In den umgebenden deutschsprachigen Regionen der Nachbarländer wird es ganz unterschiedlich gehandhabt. In Österreich, Südtirol und der deutschsprachigen Schweiz sah ich bisher die Dialekte noch relativ ungefährdet, auch weil sie ihre Eigenarten gegenüber Deutschland bewahren wollen. Im Elsass und in Lothringen sind Alemannisch, Rhein- und Moselfränkisch stark durch das Französische gefährdet. In Luxemburg ist Letzebuerisch, ein moselfränkischer Unterdiakelt, eine von drei offiziellen Staatssprachen, on Ostbelgien wird Deutsch gepflegt, aber eher das so genannte Hochdeutsch, als der ripuarische Dialekt. Wie es in Nordschleswig aussieht, wei ich nicht. Vielleicht weiß Gregor was. Und die ostteutschen Dialekte sind mitsamt ihren Sprecher*innen aus Polen und Tschechien vertrieben und gingen dann in Deutschland verloren.

Ich schreibe immer "das so genannte Hochdeutsch", weil ich diesen Begriff nicht sehr mag. Er klingt so, als handele es sich um eine höhere Sprache im Vergleich zu den Dialekten. Die Schweizer sagen lieber "Standarddeutsch" oder "Schriftdeutsch", was mir besser gefällt. So sage ich auch lieber "Standarddeutsch", was auf gleicher Augenhöhe wie die Dialekte ist.

Meiner Meinung nach geht mit den Dialekten eine schöne Vielfalt regionaler deutscher Sprachen verloren. Es gibt regionale und lokale Wörter, Grammatikern und auch andere Sprachmerkmale, die besondere Gefühle transportieren, die man mit einem einheitlichen Standartwort usw. nicht ausfrücken kann. Nun ja, man findet Ausdrucksmöglichkeiten, die man braucht, aber es geht eben was verloren.
 
Ich war als Jugendlicher kein Freund unserers Lohnschtener Platt (Lahnsteiner Platt), da es mir provenziell, rückständig, ungebildet vorkam. Heute denke ich anders und bin traurig, es nicht zu sprechen oder nur ein bisschen. Ich erinnere mich, vor ein paar Jahren im ICE nach Berlin eine Sitzgruppe weiter ein deutliches Moselfränkisch zu hören und sprach die Leute in meinem besten Moselfränkisch an. Sie waren aus Kowwelenz (Koblenz) und wir sprachen miteinander. Ich glaube, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben so gut Lohschtender/Kowwelenzer Platt gesprochen, wie ich es konnte, und wurde von den anderen als ihresgleichen angenommen. Das machte mich froh! Und so schaue ich neidisch auf die Regionen im Saarland, in Baden-Württemberg, in Bayern und natürlich in Luxemburg, der Schweiz, Südtirol und Österreich, wo die Dialekte noch alltäglich gesprochen werden.

Huchdeitsch schwätze könne mir doch usserdem uch noch!

LG, Micha

Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 03.12.2020 06:15
Lesezeit: 5 Minuten.

Nun, Luther war derjenige, der einigermassen unbewusst dafür sorgte, sowas wie eine Standardsprache zu verdinglichen - noch lange bevor ein Kaiserreich das Deutschtum in der Sprache in Form von einem Gleichmacherei-Versuch verankert hat.

Eine Bibel in Nicht-Latein oder anderen nichtlebendigen Sprachen war ja durchaus eine Revolution. Eine Bibel für's gemeine Volk. Und da wäre es zu mühsam gewesen, je eine Bibel im Amtsstuben-Sächsisch, Ripuarisch, Allemannisch, Bairisch und sonst noch für Sprachgruppen zu erstellen.

Luther aber hat ganz bewusst seinen Möglichkeiten entsprechend versucht, von allen Sprachgruppen Einflüsse in sein Bibeldeutsch aufzunehmen. Und damit setzte er Standards, die sich bis heute erhalten haben. So brachte er den Norddeutschen die Pfeife, den Süddeutschen den Hügel und allen die eher slawische Peitsche.

Luther felite lebenslang an seinen Formulierungen und seine Drucker mischten da auch noch untheologisch mit, damit seine Bibwl eine Chance hatte, auch anderorts gedruckt zu werden. So viel sprachlichen Ehrgeiz investierte keine Bibelübersetzung ins Deutsche vor Luther. Und allen früheren Versuchen fehlte das Glück, grdruckt zu werden. Die Lutherbibel wurde ein fulnunanter Bestseller.

Und dennoch wurden zur Bibel immer wieder Glossarien gedruckt, um zum Beispiel den Westdeutschen die verwendeten Wörter zu erklären. Glück war, dass Luthers Hauptstütze, das damalige Sächsische bereits eine Mischung aus nord- und süddeutschen Dialekten war, da der ostdeutsche Raum Kolonialgebiet war, in das deutsche Dialekte aus den unterschiedlichsten Gegenden eingewandert waren. Und Lurher selbst war plattdeutsch aufgewachsen, hatte sich mit der Kanzlei, in der er tätig war, aber schon früh in Wort und Schrift mit Wienern zu verständigen, und zwar über ganz abstrakte juristische Angelegenheiten.

Glück hatte Luther auch, dass sein Auf-den-Putz-Hauen auf kirchlich-reformativen Willen gestoßen ist und ihn sein Landesherr nicht hat köpfen lassen. Geschickt rief Luther ja auf, der Obrigkeit untertan zu bleiben, und dass trotzdem Gott den einfacjen Bürgern beisteht.

Nur so konnte sich der Bestseller verbreiten, ja wurde später sogar blutig darum gefochten. Das gemeine Volk hat von Luthers Sprache wohl eher gehört als es zu lesen. Natürlich konnten nur die Wohlhabenderen sich eine gedruckte deutschsprachige Bibel leisten. Das erklärt auch, weshalb "Hochdeutsch" eher mit den reicheren Bevölkerungsteilen auch heute noch verbinden wird, während Dialekt für ungebildet, rückständig gehalten wird.

Aber ohnehin waren auch ohne Luther, und auch schon vor Luther, von Soldaten mal abgesehen es eben die Wohlhabenderen, die von je her einen größeren.Aktionsradius hatten als das gewöhnliche Volk. Und diese eben auch mehr die Notwendigkeit hatten, über Dialekte hinweg sich verständlich auszutauschen.

Es sind gerade die großen Handelswege, entlang denen sich Dialekte mischten oder in Teilen sich beeinflussten. Ausdrücke und Fremdworte, aber auch Wortbildungsmuster und Grammatiken beeinflussten sich hier gegenseitig bzw. breiteten sich hier aus - auch schon zu Urzeiten. Besonders neue Kulturtechniken wie Hüttenbau und Ackerbau sorgten für einen ganzen Schub an neuen Begriffen, die in den einzelnen Sprachen z
B. Europas sich überall breitmachten und bis heute in den Fundamentalworten erkennbar ähnlich geblieben sind.

Das war dann später mit dem Kirchenlatein und der verschiedenen Gelehrtensprachen und Aristokratensprachen, die en vogue waren, ganz genauso. Natürlich sind die meisten europäischen Sprachen eng oder weniger eng miteinander verwandt. Viele der erkennbaren lateinischen, französischen oder griechischen Wörter sind erst mit Kirche, Aufklärung, Obrigkeit, Arroganz und Wissenschaft in unsere Sprache eingewandert.

Das ist bis heite nicht anders. Auch wenn heutzutage die Kulturtechniken eher aus dem Englischen einwandern, aber Medien, Techniken, IT, Mode, Kulinarik z.B. machen es notwendig, Dinge auszudrücken, wofür es zuvor keine Bezeichnungen gab.

Und dabei ist nicht zu vergessen, dass Englisch ein fortentwickelter deutscher Dialekt ist. Angel liegt in Schleswig-Holstein. Und Angel war nur eine Zwischenstation, den die Angelsachsen nahmen, ehe sie Eng(e)land kolonisierten. Auch die Anglikanische Kirche hat ihren Namen von dort. Und ins Englische sind eiinige wenige Spuren von Keltisch-Gälisch eingeflossen, ansonsten ist Englisch sehr nahe am Niederdeutschen, Plattdeutschen.

Sprache ist immer im Fluß. Und es ist schon interessant, wie so lebensgrundlegende Elementarworte sich aus den jahrzehntausende alten Ursprchen entwickelt haben. Bei genauem Hinsehen steckt zum Beispiel im Wort Wasser gleich zweimal der Begriff Wasser drin: 'wa' zu aqua und 'er' zu ach, das ebenfalls zu aqua zugehörig ist, vergleiche Andernach, Biberach, Partnach, ja die allgemeinen Worte Bach, Lache usw. Die Iller, Aller, vermutlich auch Alster, alles Flussnamen, in denen zweimal eine Form von Wasser drinsteckt. Ja, und in Wasser ja auch selbst.

Alles Wortbildungen, die vermutlich sich zu unterschiedlichen Zeiten oder Gebieten oder Volksstämmen zueinandergefügt haben, als man vermutlich nicht mehr wusste, was der frühere Teil ursprünglich bedeutete und dann mit dem neuen Teil als Beschreibung erweiterte.

So ähnlich haben sich - sehr kurz gesagt - auch die unterschiedlichen Dialekte ausgeprägt: über Raum und Zeit, über verschiedene Absichten, Ansichten, Menschen, Angewohnheiten, Herrschaften, Neuerungen, Fremdeinflüssen, Verhören und Mißdeutungen.

Abschließend zurück zu Luther: Ihm haben wir auch solche Worte zu verdanken wie 'Tanke' und 'Plaste".

Guten Morgen allerseits,
Wolfgang
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 09:04
Ja, Wolfgang, mit Luther hast Du schon recht. Ich stand mal in Erfurt auf einem Kirchturm, von dem aus ich in nach Norden das Augustiner Chorherrenstift sah und nach Süden die Predigerkirche. In erserem lebte Luther als Mönch in zweiterer predigte Meister Eckhart. Eckhart brachte das schöne Wort "Gelassenheit" in die deutsche Sprache und einige andere.

Und doch konnten beide und die staatlichen Obrigkeiten die Dialekte nicht in dem Maße durch das Standarddeutsche ersetzen wie es Radio, Fernsehen und Mobilität seit den 1950ern taten. Erst ab da wuchs eine nahezu dialektfreie Generation heran. Das kommt wohl daher, dass Standarddeutsch bisher mehr oder weniger nur Schriftsprache war, durch Radio und Fernsehen aber mündliche Sprache wurde. Und die Mobilität: Selbst wenn ich Moselfränkisch sprechen wollte, mit wem sollte ich es tun hier im ripuarischen Dialektraum? Immerhin fielen meinen Schwiegereltern ein paar ihren Ohren ungewohnte Wörter auf, die ich so verwendete, wie "ebsch" ("schief"), "Hinkel" ("Huhn"), "kloar" ("originell"), "Dübbedotz" ("Topfkuchen", hier im Ripuarischen "Puttes" oder "Knall" genannt, im Saarland "Scharles"), "Kräbbelscher" ("Reibekuchen") oder "holen" statt "nehmen", wenn ich letzteres auch standarddeutsch aussprach, sonst hätte ich "hulle" sagen müssen. Ich habe einen Viezkrug aus Trier auf dem steht "Nimmst du noch oder holst du schon?" Der ist Teil einer Kampagne, Trierer Neubürgern zu mindest ein bisschen Regiolekt beizubringen. ("Viez" = "Apfelwein", eigentlich "Viezewein", also "Ersatzwein" für Leute, denen echter Wein zu teuer war.)

Englisch würde ich nicht als deutschen Dialekt bezeichnen, da es das Deutsche zu der Zeit, als die Angeln und Sachsen nach Britannien rüber machten, das Deutsche noch nicht gab. Aber es ist eine auch eine südgermanische Sprache. Eher noch könnte man das Niederländische als deutschen Dialekt ansehen, denn es ist meinem bescheidenen Wissen nach nicht weniger Deutsch als Schwitzerdütsch, nur dass es eben auch Schriftsprache wurde. Aber ich möchte den Niederländern und Flamen nicht ihre eigene Sprache absprechen. 

Tschö zusamme,
Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: GregorM am 03.12.2020 12:41
Nicht nur die deutsche Sprache ist im Wandeln, vermutlich ist das mit den meisten Sprachen der Welt der Fall.

Vor allem gilt es die Aussprache. Wegen wenig Mobilität bis in das 20ste Jahrhundert hinein, und obwohl die Schriftsprache, die in den Schulen gelehrt wurde, dieselbe war, hörte man nur die Sprache im eigenen Umfeld gesprochen. Dann kam der Rundfunk, wo bei uns „rigsdansk“ (Reichsdänisch) gesprochen werden musste. Bevor ein Angestellter/eine Angestellte beim Rundfunk ein einziges Wort in ein Mikrofon sagen durfte, musste die Person in rigsdansk ausgebildet werden.

Als Kind gab es unendlich viele Dialekte. Ich habe immer ein Gespür für Nuancen gehabt und konnte hören, ob eine Person aus der Kleinstadt (3.000 Einwohner), wo ich geboren wurde, kam. Oder vom sechs Kilometern entfernten Dorf, von dem mein Vater kam. Oder von den drei größeren Städten, die westlich, nördlich oder besonders östlich von uns lagen, und die alle ihren eigenen Dialekt hatten und das bei einer Entfernung von höchstens 30 Kilometern. Rigsdansk ähnelt am meisten dem Dialekt, der im nördlichen Teil von Großkopenhagen gesprochen wird.   

Dann kamen das Fernsehen und die größere Mobilität, und es wurde modern, „richtig“ zu sprechen – wie im Fernsehen. Dadurch fingen die Dialekte zu verschwinden an.

Offiziell haben wir heute drei Hauptdialekte und insgesamt nur 32 verschiedene Dialekte, was doch, meinen Ohren nach, stark untertrieben ist. Aber richtig ist es, dass wir alle immer mehr dieselbe Sprache sprechen.

Was die Schriftsprache betrifft, ist es wohl zu befürchten, dass besonders soziale Medien und das Smart Phone tödlich sein könnte. Fehler zu machen ist OK. Alles geht ja schnell, und warum sollte man sich Mühe geben?
Und wenn immer wieder dieselben Fehler von immer mehr Leuten gemacht werden, sind sie eines Tages keine Fehler mehr. Denn dann werden sie offiziell akzeptiert und in die Rechtschreibung und Grammatik inkludiert.
   
Und dann haben wir ja auch den englisch/amerikanischen Einfluss, der bei uns größer als bei euch sein könnte, denn wir haben „immer“ English gehört, indem Spielfilme nie synchronisiert werden, und weil wir als kleines Sprachgebiet mehr abhängig von einer Fremdsprache sind. 
2019 gab es eine Sendung im dänischen Fernsehen. Laut ihr sollte die Sprache jetzt 12.000 englische Worte haben, was gegen 10% unseres ganzen Wortschatzes sein sollte. Aber obwohl praktisch alle importierten Wörter seit 1945 aus dem Englischen und Amerikanischen kommen, sollte ein typischer, dänischer Text noch nur von 1% englischen Wörtern bestehen, dafür von 4-8% ursprünglich griechischen, von 2-4% ursprünglich französischen und von 16-17% ursprünglich deutschen Wörtern. 

Gruß
Gregor

Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 03.12.2020 12:55
Nun, Micha, da liegst Du natürlich goldrichtig damit, dass man das Niederländische und das Schwezerdeutsch sehr viel eher als einen Dialwkt des Deutschen ansehen kann.

Und dennoch geht das Englische auf frühdeutsche Dialekte zurück und hat sich isolierter fortentwickelt als das Niederländische.

Dass das Wort 'Sprache" im Niederländischen "taal" heisst, versetzt einen Deutschen erst einmal in einen Zustand von "Hä???".

Wenn man stärker drüber nachdenkt, dann drücken die Niederländer, Flamen den Vorgang 'Sprechen' nur durch einen anderen, eigentlich recht gleichwertigen Begriff aus: mit 'Erzählen'.
"Verzähl mir nix!", ist mir hier im Mainzer Raum von den älteren Leuten noch im Ohr, wird glaub ich auch noch großräumig anderswo verwendet, im Sinne von "Sag mir nichts". "Du kannst mir nix vertalen" ist dann eher norddeutsch. Die Engländer sprechen beim 'Sprechen' von 'talk', nahedran am (er)zählen.

Dass niderlandisch 'taal' für 'Sprache' im Grunde dem deutschen Wort 'Zahl' enspricht, ist zwar zunächst befremdlich, aber halt eine andere Herangehensweise, es auszudrücken. Die Niederländer nutzen auch das 'tellen' fürs Zählen. Während Engländer und Franzosen beim Zählen das mit 'Rechnen' ausdrücken (to count, compter).

Unterschiedliche Konzepte, sich auszudrücken, gibt es auch innerhalb der Dialekte, "heben" versus "halten" z.B., was dann andernorts schnell zu Belustigung oder gar Unverständnis führen kann.

All das hatten wir hier im Forum schon mal an den verschiedensten Stellen, passt hier aber gut in diesen Zusamnenhang.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 13:01
Nicht nur "talk", lieber Wolfgang, sondern eher auch "tell": "Tell me nothing" = "Verzell mir nix".

Und doch spricht man vom 5. Jh. noch nicht von der deutschen Sprache, sondern von germanischen Sprachen. Während sich Niederländisch und Deutsch erst nach dem 16. Jh. voneinander getrennt haben.


Und lieber Gregor,

mange tak (eine Menge Dank) für Deine Erklärung zum Dänischen! Aber weiß Du auch, welche Art von Deutsch von den deutschsprachigen Dänen in Nordschleswig gesprochen wird? Standarddeutsch oder Plattdütsch? Oder beides?

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 03.12.2020 13:22
Hallo Gregor,

was aus andwren Sprachen in die eigene eingewandert ist, lässt sich recht schwer bestimmen, da viele europäischen Sprache ohnehin mehr oder weniger eng verwandt sind. Und gerade die sprachliche Nähe des Dänischen zum Englischen und vor allem Deutschen macht es schwierig, dies voneinander vollends zu trennen.



Und wenn immer wieder dieselben Fehler von immer mehr Leuten gemacht werden, sind sie eines Tages keine Fehler mehr. Denn dann werden sie offiziell akzeptiert und in die Rechtschreibung und Grammatik inkludiert.

Ja, wie "morgends", das in Anlehnung an "abends" bzw. als Fehldeutung eines Partizips wie zum Beispiel in "dringend" mittlerweile immer gesellschaftsfähiger wird. Vermutlich wird das der Duden dann auch als gebräuchliche Form bald aufnehmen.

Ja, das sind Prozesse, die auch ohne schnelle soziale Medien schon immer wirksam waren bei der Bildung und Fortentwicklung der Sprache. Gewohnheiten, Fehldeutungen und Nachahmen formen ganze Sprachkörper, lassen fremde Einflüsse rein, runden aber fremde Einflüsse auch immer wieder mal ab, indem Aussprachen, Schriftweisen und Wortbildungen dem angepasst werden, was man aus seiner sonstigen eigenen Spreche/Sprache so gewohnt ist.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 17:05
Gude zusammen!

Doch, lieber Wolfgang, Fachleute können schon erkennen, welches Wort zu welcher Zeit in eine Sprache eingewandert ist und welches nur gemeinsame Wurzeln mit ähnlichen Wörtern in verwandten Sprachen hat.

Dänisch ist mit Deutsch, Niederländisch und Englisch übrigens nicht so sehr nah verwandt, wie mit Schwedisch, Norwegisch und Isländisch. Erstere und auch noch Afrikaans, sind westgermanische (nicht südgermanische; da hatte ich mich vertan) Sprachen, letztere nordgermanische. Es gab auch noch ostgermanische, z.B. Ostgotisch, aber die sind ausgestorben. Alle gemeinsam sind Indogermanische, zusammen mit den keltischen, slavischen, romanischen, griechischen, iranischen und nordindischen Sprachen und vielleicht noch mehr). Die einzigen Sprachen in Europa, die nicht indogermanisch sind, sind die finno-ugrischen (Ungarisch, Finnisch, Samisch), die Turksprachen (Türkisch u.a.) und Baskisch. Baskisch ist die einzige - um jetzt mal einen biologischen Begriff zu verwenden - endemisch-europäische Sprache, was heißt, dass es keine mit ihr verwandte Sprache irgendwo auf der Welt gibt. (Gut, "endemisch" bezieht sich nur auf eine Art, nicht auf verwandte Arten, aber beim Baskischen ist es so: eine Sprache ohne Verwandtschaft und nur in Europa, also in Südwestfrankreich und Nordostspanien).

Und ja, die Vereinfachung der Sprachen, egal wohl welcher, durch den SMS-Gebrauch (oder auch in Foren, in denen Rechtschreibefehler behalten darf, wer sie findet) ist ein Fakt. Ich bemühe mich, meine Studierenden z.B. zum Gebrauch des Konjunktiv anzuhalten. Das scheint echt ungewohnt für sie zu sein.

Und wie gerne würde ich Moselfränkisch sprechen. Aber mir wem? (Abgesehen von der Frage: Welches Idiom des Moselfränkischen, denn zwischen Siegerland und Lothringen liegen Welten und mein Herkunftsort Lahnstein nahezu mittendrin.) Aber auch Ripuarischalltagssprecher kenne ich keine.

LG, Micha

PS: Mir fällt gerade ein, dass es auch eine mongolische Sprache in Europa gibt: Kalmückisch.
Sicher gibt es durch neuere Einwanderung noch viel mehr, aber ich meinte oben nur die seit Jahrhunderten in Europa ansässigen Sprachen.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: GregorM am 03.12.2020 18:58
mange tak (eine Menge Dank) für Deine Erklärung zum Dänischen! Aber weiß Du auch, welche Art von Deutsch von den deutschsprachigen Dänen in Nordschleswig gesprochen wird? Standarddeutsch oder Plattdütsch? Oder beides?

Lieber Micha,

selv tak. Die deutsche Minderheit in Sønderjylland ist zweisprachig, und um 2/3 hat Dänisch als erste Sprache. Auch zuhause, mit den Kindern wird Dänisch gesprochen. Das Deutsche, das in Sønderjylland gesprochen wird, ist entweder Standarddeutsch oder "Nordslesvigtysk" - deutsche Wörter, aber grammatikalisch mit Dänisch verwandt.

In Sydslesvig ist es dasselbe. Die dänische Minderheit spricht privat meistens Deutsch und hat Dänisch als zweite Sprache. In Flensburg kann ein Däne überall Dänisch sprechen. Viele Deutsche sprechen auch Dänisch, und die, die es nicht tun, verstehen es.

Am besten: Die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze leben in voller Harmonie mit den Mehrheiten zusammen.

Gruß
Gregor
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 19:10
Das ist interessant, lieber Gregor!

Ich suchte eben nach "Nordslesvigtysk" und fand statt dessen: https://de.wikipedia.org/wiki/Sydslesvigdansk (https://de.wikipedia.org/wiki/Sydslesvigdansk).
Aber ich fand dann auch diesen dänischen Text: https://graenseforeningen.dk/om-graenselandet/leksikon/nordslesvigtysk (https://graenseforeningen.dk/om-graenselandet/leksikon/nordslesvigtysk)

Anscheinend ist das Englische über das Anglische auch mit dem Dänischen verwandt. Aber so genau habe ich das noch nicht verstanden.

Ja, die Hauptsache ist, die Menschen leben in Harmonie miteinander. Ich beneide oft die Menschen, die direkt an einer Staatsgrenze leben und so alltäglich hin und her gehen können.

LG, Micha

PS: Wobei mir einfällt, dass ich bei den westgermanischen Sprachen Friesisch vergessen habe.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 03.12.2020 21:48
Oh, das Kalmückische hatte ich gar nicht auf dem Schirm!

Der Rest, was Du schilderst, ist das, was man so über den Zusammenhang der europäischen Sprachen kennt, insbesondere eben das Indoeuropäische bzw. Indogermanische Ursprachenkonstrukt - und deren Ausnahmen.

B.t.w hast Du bei den Finno-Ugrischen noch das Karelische und besonders das Estnische vergessen aufzuzählen bei den etwähnenswerten Vertretern dieser nicht-indoeuropäischen, aber europäischen Sprachfamilie, eine vermutlich kaukasische Sprachfamilie.

Noch immer sind Experten am Diskutieren, ob die Hinweise, das Baskische könne mit einer Uralsprachenfamilie was zu tun haben, sich faktisch bachweisen lassen oder ob das nur Zufall ist.

Doch, lieber Wolfgang, Fachleute können schon erkennen, welches Wort zu welcher Zeit in eine Sprache eingewandert ist und welches nur gemeinsame Wurzeln mit ähnlichen Wörtern in verwandten Sprachen hat.

Nun, auch Fachleute können letztens da nur raten,  allerdings bestimmt viel besser als wir das können.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 22:07
Ah ja, Karelisch und Estnisch, richtig. Und Lettisch? Und Litauisch noch mal als was eigenes, wenn auch indogermanisch.

Ich bin ja auch kein Philologe, und Sprachen zu lernen fällt mir schwer, aber mich so über Verbreitungen und Verwandtschaften zu informieren, macht mir Spaß.

Fachleute raten aber nicht nur, sondern rätseln auch! ;D
Nee im Ernst, sie sammeln Einzelteile und schlussfolgern daraus. Und so ergeben sich nach und nach plausible Erklärungen.

Und à propos Dänemark: Ich sah eben diese beiden Filme: https://www.ardmediathek.de/ard/sendung/maretv/Y3JpZDovL25kci5kZS8yNQ/ (https://www.ardmediathek.de/ard/sendung/maretv/Y3JpZDovL25kci5kZS8yNQ/): "Insel" Møn und "Lieblingsküste: Dänemark".

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 03.12.2020 23:11
Ja, das müsste jene Sendung gewesen sein, nach der meine Ex-Zerflossene unbedingt mal da hinwollte. Beim Urlaub zuvor wollte ich da hin, sie aber ums Verrecken nicht... ;D

Lebenswege...

Waren dann im Friesisch-Dänischen Grenzgebiet. An der Nord- statt an der Ostsee.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 03.12.2020 23:31
Was mich jetzt aber mal interessiert: Wie haltet Ihr das bei Eurer eigenen Alltagssprache? Was ist dabei Standarddeutsch oder auch Standarddänisch und was ist dabei Dialekt?

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 04.12.2020 00:21
Na, da antworte mal wieder ich. Und leider gehts auch nicht wirklich kurz.

Bei uns war das früher auch so, wie Gregor von sich daheim berichtet hat. Bis in die 90er Jahre konnte man ohne Probleme heraushören, von wo die Leute herkamen, auch wenn die verschiedenen Stadtteile nur zwei, drei Kilometer auseinander lagen.

Inzwischen ist das viel schwieriger geworden, weil die Leute kreuz und quer gezogen sind, Mischehen zwischen den Stadtteilen oder von sonstwoher geschlossen wurden und ganz viel Einwanderer von anderen Gegenden innerhalb und ausserhalb der deutschen Grenzen hinzugekommen sind, meist als Studenten und dann hier geblieben sind, weil's hier so schee is.

Das bedeutet aber auch, dass man nicht mehr ohne weiteres frei Schnauze reden kann. Ich lasse mich oft auf mein Gegenüber ein und passe mich zumindest halbwegs auf sein Maß ggf. auch Ausrichtung seines Dialekts an.

Ohnehin fallen mir zu sehr vielen Worten mehrere Dialektworte ein, die wir auch früher selbst innerhalb der Familie in verschiedenen Variationen benutzten. Und auch die mal mehr mal weniger stark dialektal gemischt oder in standarddeutschere Begleitworte gepackt, selbst innerhalb der Familie.

Ich denke, je nach Gegenüber ist mein Sprechen mehr oder weniger bis gar nicht dialektal gefärbt. Rede ich aber gefühlt rein Standarddeutsch, fließen auch immer mal wieder ein paar Dialekt-Satzteile oder -Worte bewusst mit ein, zum Teil auch spielerisch. Und das nicht nur in der Freizeit, sondern auch offiziell und beruflich. Oft greife ich da dann auch nicht nur auf meine Mutterdialekte zurück, sondern verwende auch Wortformen aus anderen deutschen Dialekten. Nicht zuletzt, weil ich auch beruflich praktisch täglich besonders mit Süddeutschen und Schweizern zu tun habe - das färbt auch auf die Kommunikation unter uns Kollegen ab - bis hin ins Privatleben.

So richtig ausgelassen kommunizieren, wie mir der Schnabel gewachsen ist, gelingt mir fast nur, wenn ich mit Alteingesessenen meiner Region enrspannt klöne oder mit deren Kindern. Oder beim Wein. Das dann auch, selbst wenn ich 100 km von daheim entfernt bin und dann mit de Leut von da odder nochemal weiter weg verzähl.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 04.12.2020 02:32
Will noch mal (eigentlich) kurz ein paar Beispiele geben, wie wir selbst intern in der Familie in unserem Heimatdialekt ganz selbstverständlich variiert haben, mal abgesehen von den Hochdeutschen Ausdrücken, die wir durchaus auch mal benutzten:

die Hütt, die Hitt, des Baijs, es Baijs, 's Baijs
de Ort, des Ort
s'/es/des Mäussche, es Maissche, es Mäusje
Guden Morsche, Gude Morsche, Gude/n Morje, Gude/n Mojje
morschens, mojens, moins, mojns
Guten Taach, Guten Dach (man beachte die unterschiedlich langen A's)
Lattwersch, Lattwerje
Weihnachte, Woihnachte
König, Könich, Keenich
die (Plural) Zwibbel, die Zwibbele, Zwiwwel/e
aarch, aarisch (hochdeutsch: arg)
kei Ahnung, koi Ahnung, keh Ahnung, koa Ahnung (oa = o offen, leicht bis stark nasaliert), kor Ahnung
die Straß, die Strooß (o geschlossen), die Stroaß (oa= o offen, evtl. leicht nasaliert),
wobei wir die O's überwiegend offen, gelegentlich nasaliert (vor allem bei o aus a im Hochdeutschen) gesprochen haben.

Und all diese und ähnlichen Formen standen in ihren Variationen gleichberechtigt in unserem Dialekt nebeneinander. Da kamen gelegentlich noch die bewusst imitierten Variationen aus den Nachbar-Stadtteilen hinzu.

Und so ähnlich variiere ich auch heute noch meine Dialektbenutzung, wobei dann manchmal noch die Sprechweisen aus dem Hinterland oder von Nachbardialekten, gar imitierten Fremddialekten hinzukommen können.

Und manchmal ist mir noch einmal ganz klar, weshalb ich gerade die eine oder die andere Variation verwende, oft liegt es wohl an den Stimmungen, die ich ausdrücken möchte, unbewusst vielleicht aber auch an den Lautharmonien. Schließlich dienen Dialekte ja auch dazu, sich weniger anstrengen zu müssen, da passen dann Lautharmonien gut ins Konzept.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 04.12.2020 08:10
Beim einen oder andern Wort, lieber Wolfgang, müsste ich mal nachfragen, was es heißt, bin jetzt aber in Eile, weil ich gleich nach Gütersloh muss. Aber Dein Text läuft ja nicht weg.  :)

LG, Micha

Ein wenig später:
PS: Da ich im ICE WLAN habe, kann ich doch jetzt schon mal nachfragen:
Was heißt: Lattwersch, Lattwerje ?
Ah isch han et: https://www.vomwochenmarkt.de/magazin/rezepte/hessisches-latwersch-rezept/ (https://www.vomwochenmarkt.de/magazin/rezepte/hessisches-latwersch-rezept/)
Wieder was gelernt! :)

Mir geht es sonst genau so, dass ich die Art der Aussprache der Menschen um mich herzum aufnehme und mich mehr oder weniger anpasse. Das soll ja ein Bestandteil sozialer Kompetenz sein. Und wenn ich versuche, Moselfränkisch zu reden, mischen sich auch ripuarische und rheinfränkische Bestandteile mit rein, neben standarddeutschen.

LG, Micha



Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: cephalus am 04.12.2020 12:32
Nach meinen Empfinden ist die Geschwindigkeit des Wandels der Umgangssprache proportional zum Grad der Urbanisierung.
Münchnerisch wird fast nur nach von alteingesessenen München (2 oder mehr Generationen) die älter als 40 sind gesprochen.
Andere Bayerische Dialekte in Ober- oder Niederbayern haben sich viel besser erhalten.
Dass man früher hören konnte,  ob jemand aus Laim oder der Au stammte, erzählte mir mein Großvater,  selbst erlebt habe ich es nicht mehr.
Aber, ich höre durchaus noch den Unterschied zwischen Miesbach und Traunstein,  während Norddeutsche meist nichtmal Bayern und Österreicher unterscheiden können :o ;)

Den Verlust des Dialekts der Muttersprache finde ich sehr bedauerlich,  da nur damit schnell und sicher feinste Nuancen und Stimmungen zu transportieren sind. Eine leicht andere Betonung ändert den Inhalt der Aussage oft deutlich verstehen bzw. wahrnehmen erfordert aber den gleichen Sprachhintergrund.

Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: high4all am 04.12.2020 13:25
Sprache ist immer im steten Wandel. Das war schon früher so, also ganz früher. Und es ist heute genau so. Wieso auch nicht?

Es gibt Begriffe, deren Verschwinden ich bedauere. Aber mindestens ebenso viele, denen ich keine Träne nachweine.

Und wenn sich Dialekte und Sprachen nicht beständig erneuern durch Einführung neuer Worte sterben sie aus.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 04.12.2020 14:12
Ja, da hast Du Recht, Hajo.

Das war zum Beispiel bei der Sprache Estnisch der Fall. Als Estland der EU beitrat, merkte man, dass man sehr viele Begriffe im Estnischen erstmal erfinden musste, um die Verträge in der Heimatsprache zu formulieren. Wäre das nicht in einer konzertierten Aktion wegen eines äußeren Anlasses geschehen, hätte sich die Verwaltung und Rechtssprechung ganz schleichend im Laufe der Zeit anderer Sprachen bedient - der Anfang vom Ende einer kleinen Sprache.

Eine leicht andere Betonung ändert den Inhalt der Aussage oft deutlich verstehen bzw. wahrnehmen erfordert aber den gleichen Sprachhintergrund.

Ja, das gibt es auch im Standarddeutschen, lässt sich mit der Globalisierung und verstärktem Anteil von Deutsch-als-Zweitsprachlern und der zunehmenden Verschriftlich von Kommunikation gar nicht mehr so gezielt einsetzen, da die subtilen Botschaften nicht mehr so feinfühlig verstanden werden.

Manches ist trotzdem noch nicht ausgestorben: ich sage nur "wegweisend".

Aber es stimmt, in Mundarten lassen sich diese feinen Nuancen mit z.T. großen Sinnunterschieden wesentlich besser ausdrücken und werden auch noch am ehesten unter den Seinesgleichen korrekt verstanden.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 00:59
Auch ein spannendes Thema. Ich bin der Meinung, dass der "deutsche" Sprachraum mindestens zwei Standardsprachen umfasst, wenn nicht gar mehr.

Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 19.02.2021 02:15
Zielst Du auf z.B. Hochdeutsch und Schweizerdeutsch ab?

Sprache/Sprachen sind spannend, z.B. weil sie bei näherem Hinsehen auf Sprachen und Sprachengeschichte Strukturen von Denkmodellen aufzeigen kann, die die allmähliche Bewusstwerdung der Gattung Mensch aufgebaut hat/haben.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 02:46
Zielst Du auf z.B. Hochdeutsch und Schweizerdeutsch ab?

Ich meinte das, was von vielen Menschen als "das Deutsche" und "das Niederländische" verstanden wird. "Schweizerdeutsch" wäre eine dritte Option, darum schrieb ich "mindestens zwei Standardsprachen".

Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 02:47

Sprache/Sprachen sind spannend, z.B. weil sie bei näherem Hinsehen auf Sprachen und Sprachengeschichte Strukturen von Denkmodellen aufzeigen kann, die die allmähliche Bewusstwerdung der Gattung Mensch aufgebaut hat/haben.

Gewiss. Das ist auch ein Grund, warum ich mich gerne damit beschäftige...
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 03:36
(nicht südgermanische...)
Du kannst die germanischen Sprachen auch anders unterteilen, als west-/ost-/nord-. Zum Beispiel in eine nördliche und südliche Gruppe - wobei ich hier die Grenze etwa Linie Köln - Leipzig ziehen würde - nach gewissen lautlichen Merkmalen wie p/pf/f oder t/z. Das ist aber Ansichtssache...Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 04:00
Die ungarische Sprache lässt sich auch als indogermanische Sprache sehen, wenn man bestimmte Merkmale berücksichtigt - wie den Wortschatz. kis  - klein, nagy - groß (Ähnlichkeiten zu mächtig, megas, magnus), var - Burg, szép - schön, csillag - Stern, fürdö - Bad, fehér - weiß (Farbton), hely - Ort, vörös- rot (r und v sind phonetisch relativ ähnlich), fekete - schwarz, ház - Haus, színház- Theater/Schauspielhaus, színhely- Schauplatz, szék - Stuhl/Sitz, magas- groß/hoch, új - neu, lomb - Laub, fut - laufen, üres - leer und anderes. Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 19.02.2021 08:09
(nicht südgermanische...)
Du kannst die germanischen Sprachen auch anders unterteilen, als west-/ost-/nord-. Zum Beispiel in eine nördliche und südliche Gruppe - wobei ich hier die Grenze etwa Linie Köln - Leipzig ziehen würde - nach gewissen lautlichen Merkmalen wie p/pf/f oder t/z. Das ist aber Ansichtssache...Gruß

Du meinst was anderes, Asterix, nämlich das Niederdeutsche und das Oberdeutsche. Ich meinte das Nordgermanische (skandinavische Sprachen), das Westgermanische (Deutsch, Niederländisch, Englisch, Afrikanns) und das Ostgermanische (Ostgotisch; ausgestorben).

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 19.02.2021 08:10
Die ungarische Sprache lässt sich auch als indogermanische Sprache sehen, wenn man bestimmte Merkmale berücksichtigt - wie den Wortschatz. kis  - klein, nagy - groß (Ähnlichkeiten zu mächtig, megas, magnus), var - Burg, szép - schön, csillag - Stern, fürdö - Bad, fehér - weiß (Farbton), hely - Ort, vörös- rot (r und v sind phonetisch relativ ähnlich), fekete - schwarz, ház - Haus, színház- Theater/Schauspielhaus, színhely- Schauplatz, szék - Stuhl/Sitz, magas- groß/hoch, új - neu, lomb - Laub, fut - laufen, üres - leer und anderes. Gruß

Es wird aber sprachwissenschaftlich zu den finno-ungrischen Sprachen gerechnet.

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 08:26
(nicht südgermanische...)
Du kannst die germanischen Sprachen auch anders unterteilen, als west-/ost-/nord-. Zum Beispiel in eine nördliche und südliche Gruppe - wobei ich hier die Grenze etwa Linie Köln - Leipzig ziehen würde - nach gewissen lautlichen Merkmalen wie p/pf/f oder t/z. Das ist aber Ansichtssache...Gruß

Du meinst was anderes, Asterix, nämlich das Niederdeutsche und das Oberdeutsche.

Nein. Ich würde das, was Du unter das "Oberdeutsche" verstehst, als "südgermanisch" einordnen, und was du als das "Niederdeutsche" verstehst, würde ich mitsamt dem Niederländischen inkl Afrikaans, Englischen, Friesischen, Dänischen, Schwedischen, Norwegischen, Isländischen als "nordgermanische Sprachgruppe" sehen. Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 08:28

Es wird aber sprachwissenschaftlich zu den finno-ungrischen Sprachen gerechnet.

verschiedene (Sprach-) Wissenschaftler haben verschiedene Meinungen...
Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 19.02.2021 08:36
(nicht südgermanische...)
Du kannst die germanischen Sprachen auch anders unterteilen, als west-/ost-/nord-. Zum Beispiel in eine nördliche und südliche Gruppe - wobei ich hier die Grenze etwa Linie Köln - Leipzig ziehen würde - nach gewissen lautlichen Merkmalen wie p/pf/f oder t/z. Das ist aber Ansichtssache...Gruß

Du meinst was anderes, Asterix, nämlich das Niederdeutsche und das Oberdeutsche.

Nein. Ich würde das, was Du unter das "Oberdeutsche" verstehst, als "südgermanisch" einordnen, und was du als das "Niederdeutsche" verstehst, würde ich mitsamt dem Niederländischen inkl Afrikaans, Englischen, Friesischen, Dänischen, Schwedischen, Norwegischen, Isländischen als "nordgermanische Sprachgruppe" sehen. Gruß

Tja, lieber Asterix, Du kannst ja mal versuchen, die Vergleichenden Sprachwissenschaftler*innen davon zu überzeugen. Da ich kein Sprachwissenschaftler bin, halte ich mich an die gültige Systematik aus deren Fachgebieten.

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 19.02.2021 08:38

Es wird aber sprachwissenschaftlich zu den finno-ungrischen Sprachen gerechnet.

verschiedene (Sprach-) Wissenschaftler haben verschiedene Meinungen...
Gruß

Es ist nur die Frage, welche allgemein anerkannt sind. Alleine von Wörtern ausgehend könnte man das nachnormannische Englisch fast zu den romanischen Sprachen rechnen. Tut man aber nicht, weil es nicht nur um Wörter geht, sondern auch um Grammatik u.a. Ich bin kein Sprachwissenschaftler und halte mich daher lieber an das, was allgemein gilt. Sollte sich da mal ein Paradigmenwechsel ergeben, werde ich mich dem anpassen.

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 08:50
Du kannst auch eigene Thesen formulieren, ohne dich als Experte fühlen zu müssen.
Ich hab nämlich das Gefühl, dass Dich in der Linguistik relativ gut auskennst. Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 09:09
Zitat
weil es nicht nur um Wörter geht, sondern auch um Grammatik u.a.

Ich denke, dass einfach verschiedene Sichtweisen möglich sind, die gleichwertig nebeneinander stehen.

Gruß
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 19.02.2021 09:28
Das kann ich für die Sprachwissenschaft nicht beurteilen.

In Bezug auf mein Fach würde ich das bejahen. Aber nur, weil ich da in manchen Punkten nicht dem Mainstream folge. Da möchte ich natürlich, dass meine Richtung von den Mainstream folgern genau so als dazugehörend akzpetiert wird, wie umgekehrt. Das wäre aber ein anderes Thema und wie dieses hier aush off-topic für dieses Forum.

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 19.02.2021 11:40

Du meinst was anderes, Asterix, nämlich das Niederdeutsche und das Oberdeutsche.

Nein. Ich würde das, was Du unter das "Oberdeutsche" verstehst, als "südgermanisch" einordnen, und was du als das "Niederdeutsche" verstehst, würde ich mitsamt dem Niederländischen inkl Afrikaans, Englischen, Friesischen, Dänischen, Schwedischen, Norwegischen, Isländischen als "nordgermanische Sprachgruppe" sehen. Gruß

Nun, Deine eigene Einteilung mags Du sicherlich begründen können und mag darum auch recht spannend sein, jedoch macht es schwierig, wenn Du Begriffe dafür verwendest, deren Gebrauch weitverbreitet anders definiert sind.

Schwierig für uns, es zu verstehen, wie Du es meinst. Und schwierig für Dich, weil Du jeweils Deine Definition mitliefern musst, um Deinen Begriff abzugrenzen von der allgemein üblichen Verwendung dieses Begriffes.



Die ungarische Sprache lässt sich auch als indogermanische Sprache sehen, wenn man bestimmte Merkmale berücksichtigt - wie den Wortschatz. kis  - klein, nagy - groß (Ähnlichkeiten zu mächtig, megas, magnus), var - Burg, szép - schön, csillag - Stern, fürdö - Bad, fehér - weiß (Farbton), hely - Ort, vörös- rot (r und v sind phonetisch relativ ähnlich), fekete - schwarz, ház - Haus, színház- Theater/Schauspielhaus, színhely- Schauplatz, szék - Stuhl/Sitz, magas- groß/hoch, új - neu, lomb - Laub, fut - laufen, üres - leer und anderes. Gruß

Wortähnlichkeiten lassen noch lange keine Rückschlüsse auf die Zuordnung einer Sprachfamilie zu. Nur, dass einige Parallelen zu erkennen sein könnten, belegt nicht die grundsätzliche Verwandtschaft von Sprachen.

Das Ungarische war schon sehr lange von anderen Sprachen umgeben, da bleibt es nicht aus, dass Sprachkontakte sich auch in den beteiligten Sprachen niederschlagen. Schon lange vor der österreichischen KuK-Monarchie und vor den Auswanderungswellen der Donauschwaben und dergleichen gab es zum Beispiel deutsche Einflüsse ins Ungarische. Zudem sind die Vorläufer des Ungarischen auch geographisch weit herumgekommen, so gab es durchaus auch enge Kontakte zu griechischen Sprachen.

Zudem schlägt sich sowas durchaus auch auf die Grammatik nieder, da in Grammatiken bestimmte Denkkonzepte sich ausdrücken und im engen nachbarschaftlichen und merkantilen Austausch verbreiten sich bisweilen auch solche Denkkonzepte. Im Französischen zum Beispiel, wo alle Wörter mit Präpositionen zusammen gefasst werden, gibt es viele Wörter, die durch Aneinanderhängen der Wortbestandteile zu einem einzigen neuen Wort verschmelzen, was dem Französischen eigentlich fremd ist. Im Italienischen z.B. ebenso (allerdings eher seltener).

Bei Deiner oben beispielhaft angeführten Analyse der ungarischen Sprache rollen sich etlichen Linguisten die Fußnägel hoch. Ich bin allerdings auch ein Anhänger dieser Methode und führe nur mal - wie schon mehrfach woanders hier im Forum - als Beispiel auf, dass meiner Meinung nach 'Pizza', 'Fläche', 'Pflaster', 'Petrus' und vieles mehr miteinander verwandt sind.

Bei Deinen gefundenen Parallelitäten im Ungarischen muss man schon sehr bereitwillig sein, sich auf manches einzulassen.

Z.B., dass das V mit dem R sehr ähnlich ist, da brauche ich einen kräftigen Schluck Rotwein.

Das V ist in meiner Erfahrungswelt am ehesten ähnlich mit
F, B (und darüber zu MB bzw. M), P, PF, W, U

Das V mit einem R in Verbindung zu bringen, gelingt mir allenfalls über
V - H - CH (wie in Dach) - R

Ist nicht auszuschließen. Vielleicht fallen Dir noch mehr Beispiele ein, gerne auch aus anderen Sprachen - wo V und R sich heutzutage entsprechen.

Jedenfalls ist zu Deiner Beobachtung kurzum anzumerken, dass es eben immer Sprachkontakte gab, solche Einflüsse 'eingedeutscht', 'eingeungarischt' wurden und weiterentwickelt wurden, so dass an den Rückschlüssen, dass die Parallelen nicht zufällig sein können, durchaus viel dran sein kann.

Lediglich macht dies das Ungarische damit noch längst nicht automatisch zu einer indogermanischen Sprache.

Besten Gruß und analysiere gerne für uns weiter - spannend!
Wolfgang
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 17:36
Wolfgang, danke für deine Antwort. Ich sage nur, dass es verschiedene Sichtweisen gibt bzw geben kann, wie hoch deren Wahrscheinlichkeit ist, ist schwer herauszufinden und beweisen lässt sich vor allem in der Sprachwissenschaft wenig,  bei der Konstruktion von sog. Ursprachen wie dem Indogermanischen noch weniger. Wie ich von /r/ nach /v/ komme? Über den Umweg des /l/. Wie zum Beispiel spanisch "blanco", portugiesisch "branco". Im Polnischen gibt es einen Laut, der mit ł geschrieben wird, und ähnlich wie u oder w ausgesprochen wird, der in der Deklination und Konjugation mit l sich abwechselt, wie beispielsweise "miałem" (ich hatte) und "mieliśmy" (wir hatten). Oder "łapa" (die Pfote), ausgesprochen ungefähr "uwapa" während russisch "лапа", ausgesprochen etwa "lapa".
LG


Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Asterix am 19.02.2021 18:04
P.S. Dass die Begriffe "Pflaster", "Pizza", "Fläche" und weitere zusammenpassen, da stimm ich zu.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 22.02.2021 02:36
Ja, das polnische  ł und dessen Aussprache und den häufigen Wechsel von r und l hatte ich zwischenzeitlich auch schon im Sinn.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: MAS am 22.02.2021 08:36
Ja, das polnische  ł und dessen Aussprache und den häufigen Wechsel von r und l hatte ich zwischenzeitlich auch schon im Sinn.

Auch in österreichischen Dialekten wird das l manchmal wie ein ł ausgesprochen, wenn auch nicht geschrieben.
Das macht aber keine Sprachgruppen aus.

LG, Micha
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 22.02.2021 08:50
Ja, auch in Bayern und isehr häufig in Teilen der Schweiz..

Beispiel aus Bayern: Buidl (Bildchen), oder ein gemischter L-zu-U-Übergang: spuilen (spielen), wo auch noch der Zusammenhang des L zum i reinspielt (wie ital. Chiara für Clara).

Dennoch ist dort der Bezug in Richtung R recht fern.
Titel: Antw:Vielfalt und Wandel der deutschen Sprache(n)
Beitrag von: Skirtedman am 22.02.2021 10:13
Oh, mir idt aufgefallen, dass bei meinem ersten Beispiel ja auch schon das i in gewisserweise mitspielt (wobei da ja auch die allgemeine Diphtonisierung von Vokalen in bestimmten Dialekten reinspielt, wie in müad für müde).

Bzw. dass Buidl nicht ein passendes Beispiel ist.

Statt Buidl neues Beispiel:
amau (einmal) aus verschidenen Teilen der Schweiz.