Ich habe daraufhin nach einer Bequemschuh-Phase nochmal meine Absatzschuhe abgezogen und versucht, mich selbst dabei zu beobachten, also auf meinen Körper im häufigen Wechsel zwischen flach und hoch zu achten.
Aufgefallen ist mir dabei, dass ich automatisch gestreckter im ganzen Körper bin, also Po rein und Bauch rein, Schultern und Kopf gerade, ohne dass ich das absichtlich mache oder mir das dann Anstrengung bedeutet. Auch ist mir aufgefallen, dass ich beim Sitzen automatisch die Knie zusammenhalte, was mir mit flachen Tretern nur bewusst gelingt und für mich eine Anstrengung bedeutet.
Ohne Frage, der Gang verändert sich bei unterschiedlichen Schuhen, Absatzformen und -höhen. Gerade hohe Schuhe (Absätze) fordern umso mehr ein überlegtes "Vorgehen". Mag sein, dass Menschen, die täglich mit Heels rumlaufen nicht mehr darüber nachdenken müssen und auch Kopfsteinpflaster ohne besondere Mühen meistern. Das ist bei mir (bislang) nicht der Fall. Dafür trage ich die Heels zu selten, was sich z. T. auch in Form von Muskelkater auswirkt.
Meine "Bequemschuhe", mit denen ich öfter (auch outdoor) rumlaufe, haben einen 5cm-Keilabsatz, damit kann ich fast uneingeschränkt herum laufen. Mit 8-10cm hohen Pumps, Trotteurs oder Stiefeln gehe ich zwar auch in die Stadt oder zum Einkauf in den Supermarkt´, doch da muss ich mich dann doch etwas mehr korrigieren, richtig zu laufen und nicht jede Fuge mitzunehmen.
Hochhackige Schuhe zwingen den Träger nun mal, sich bewusster zu bewegen. Was nicht bedeutet, dass alleine das Anziehen zu einem ästhetischen Gang verhilft (gerade die angehenden Models bei GNTM beweisen, dass es auch dem weiblichen Geschlecht nicht automatisch in die Wiege gelegt ist (umso peinlicher, dass sie auf die Idee kommen, Model zu werden, ohne jemals mit mehr als drei Zentimetern gestöckelt zu sein.
Eine gewisse Übung, aber auch das nötige Körpergefühl, gepaart mit der Selbstkritik, ob dieser oder jener Gang gefälliger ist, sind elementare Voraussetzungen dafür, dass man nicht herumstakst, wie der Storch im Salat. Es gibt verschiedene Arten, mit Heels zu laufen. Weit hüftschwingend à la Marilyn Monroe ist wohl auch für Frauen im Alltag nicht gerade angemessen; noch weniger bei Männern - es sei denn, sie befinden sich auf auf der Bühne oder in der Blue Oyster Bar. Dann gibt es wiederum diesen Model-Gang. Eine recht emotionslose, unnatürliche Gehweise (kommt dem staksenden Storch schon recht nahe). Für den Catwalk richtig, für die Straße verkehrt. Und dann gibt es eben den Gang, bei der zwar die Füße auf einer Linie laufen, die Schritte aber nicht weit ausladend, aber auch nicht klein und trippelnd sind und bei der sich der Hintern auch nicht groß bewegt. So laufen auch die meisten Frauen herum, die mit hohen Schuhen laufen können. Diese Gangart würde ich als "straight" bezeichnen, da sie allein der Fortbewegung dient und nicht zur Fortpflanzung animiert.
;-)
Wie gesagt: wer sonst eher flache Schuhe trägt, wird bei hohen Schuhen unweigerlich auf seinen Gang achten müssen - schon alleine, um nicht zu straucheln, umzuknicken oder sich die Absätze zu ruinieren. Wenn man es einmal drin hat, lässt es sich auch auf andere Schuhe übertragen: ein bewusst eleganter Gang, der eben nicht als stampfend oder staksend daher kommt; man nicht das Gefühl hat, die Person wäre mit sich und seinem Schuhwerk überfordert, kann auch bei flachen Schuhen oder auch schweren Arbeitsschuhen hilfreich sein und der Person Selbstvertrauen, Kraft und Ausstrahlung bescheren.
Doch was vielen Menschen mittlerweile abhanden gekommen zu sein scheint, das ist eine ordentliche "Haltung". Das fängt am Tisch am (Rücken gerade, Essen zum Mund führen und nicht umgekehrt, usw.) und setzt sich auch beim Gang fort.
Sicherlich haben Kleidung und Umfeld einen großen Einfluss. Zum Jogginganzug, breiten Turnschuhen und auf 0600 Uhr gedrehter Basecap gehört nun mal ein leicht gedrungener, affenartiger Gang im "Gangster-Ghetto-Style" dazu. Ballerinas und Flipflops laden hingegen zum patschenden Gang ein (bei manchen siehts aus, als hätten sie gar Taucherflossen an).
Mag sein, dass ein immer stärkerer Verzicht auf gute Halbschuhe bei Kindern diese Auswüchse noch fördert. Manche Orthopäden meinen auch, dass Turnschuhe im Grunde genommen kaum besser sein, als High Heels.
Apropos: die Idealhöhe für Schuhe soll übrigens bei 5-6cm liegen - ein vernünftiger Lederschuh und ein breiter Absatz natürlich vorausgesetzt. Darum lässt sich das bei aktuellen Herrenschuhen kaum verwirklichen, da sich die Welt leider schon das Maul zerreißt, wenn Tom Cruise oder Nicholas Sarkozy mit 4cm hohen, klassischen Herrenschuhen daher kommen.
Nun gut, Mode lebt von Veränderungen. Trends und Ideen können manches Mal überspitzt daher kommen, verrückt und überzogen wirken. Mag sein, dass die Trendsetter mutig mit 12cm voran schreiten, damit die breite Masse dann vielleicht doch mal 4-6cm tragen kann. Ob ich das noch erleben werde?
Einstweilen pfeife ich auf modische Konventionen und trage, was mir gefällt - ob Springerstiefel oder Pumps.
Stöckelnde Grüße,
Hannes