Liebe Gemeinde!
Mit den religiösen Gefühlen und deren Verletzlichkeit ist das so eine Sache.
Ich denke, man sollte generell nicht die Gefühle anderer Menschen verletzten wollen, egal ob diese religiös sind oder nicht.
Indes sind manche oder viele Menschen in Bezug auf ihre religiösen Gefühle besonders empfindlich. Das kann ich verstehen, denn man macht sich, wenn man sich innerlich seiner geglaubten höchsten Macht zuwendet, für andere Menschen besonders angreifbar, für Zweifler, für Nichtreligiöse, für Andersgläubige.
Als ich auf einer Bergwanderung mal die Arme ausbreitete und betete und mein Freund mir einen Schneeball in den Nacken warf, verletze mich das mehr, als wenn es außerhalb meines Gebetes passiert wäre.
Andererseits instrumentaliesieren manche Leute auch ihre religiösen Gefühle, um sich wichtig zu machen und den eigenen Glauben als besonders schützenswert hinzustellen. Wenn dann einer in einer Kleidung kommt, die ihnen als unpassend erscheint, werten sie das schnell als Beleidigung der Religion oder gar Gottes. Dabei geht es nur um ihre Gefühle und dabei vorallem ihr Selbstwertgefühl.
Ob ich mit nackten oder bedeckten Beinen bete, ist Gott wahrscheinlich herzlich egal. Ich kann auch nackt beten.
Es ist also ein Akt der Rücksichtnahme auf die Menschen und ihre Gefühle, wenn ich mich so kleide, wie sie es für angemessen halten, auch wenn es für mich unwichtig ist und meine religiösen Gefühle eher verletzt werden, wenn über Gott gesagt wird, er lege Wert auf solche Äußerlichkeiten.
Man kann das tun, und es ist ein moralisches Handeln, Rücksicht zu nehmen.
Wer das aber vehement von anderen fordert, dass man auf seine religiösen Gefühle Rücksicht nimmt und diese Gefühle als Druckmittel benutzt, womit er andere zu einem ihm genehmen Verhalten zwingen kann, zeigt eher eine Kleingläubigkeit und Engstirnigkeit.
Das im Hinterkopf habe ich mich nach dem Schneeballtreffer auch nicht lange verletzt oder beleidigt gezeigt.
LG, Michael