Hallo!
Lieber Micha! In diesem Text von dir bestätigst du doch dass du zu 100 Prozent recht hast, weil du davon ausgehst dass das so für dich stimmt. Du gehst davon aus nicht alles zu wissen, aber das was du weißt siehst du als Gegeben hin - Das ist deine 100 prozentigen Wahrheit.
Wie willst du mir aber jetzt beweisen dass ich unrecht habe dass das Glas für mich nicht halb leer ist, sondern halb voll? Sowohl meine Meinung stimmt zu 100 Prozent als auch deine zu 100 Prozent.
Oder wie willst du beweisen dass du etwas gesehen hasst, was ich aber nicht gesehen habe obwohl wir beide nebeneinander waren? Also stimmt sowohl meine Meinung zu 100Prozent als auch deine. Klar kannst du sagen dass ich unrecht habe, aber dann ist dass ja wieder zu 100 Prozent für dich richtig. Wenn ich dann sage nein du liegst falsch, ist es wieder zu 100 Prozent in dem Augenblick richtig für mich. Und falsch für dich, aber das falsch für dich ist ja wieder zu 100 Prozent für dich richtig... Und wenn du sagst dass ich vielleicht falsch liege, ist es wieder zu 100 Prozent richtig für dich....
Lieber Harry,
ich unterscheide zwischen der Bahauptung, es gebe Dinge die wirklich nicht wahr sind (ontologisch) und der Behauptung, ich könne das auch beweisen (epistemologisch). Wenn Du z.B. schreibst, Du würdest den Virus spüren, kann ich das nicht nachvollziehen, aber behaupte auch nicht, dass es nicht so sein könnte. Ich lasse es so stehen, dass Du davon überzeugt bist, kann das aber nicht für mich übernehmen, weil ich ihn nicht spüre.
Solltest Du jetzt aber zum Beispiel behaupten, das Virus sei 100kg schwer, denn das habest Du gemessen, wäre ich skeptischer, denn das würdest Du von objektiven Messmethoden reden, und da würde ich dann einen Beweis verlangen. Würdest Du behaupten, das Virus habe Dir ein Lied vorgesungen, würde ich es wieder als subjektive Wahrnehmung Deinerseits stehen lassen und könnte nur sagen, dass ich das Lied nicht gehört habe.
Es gibt also Dinge, die kann man mit wissenschaftlichen Methoden beweisen oder zumindest theoretisch plausibel erklären, und es gibt Dinge, bei denen ist das nicht möglich.
Nun muss ich aber auch nicht alles glauben, was nicht beweisbar ist. Ich muss es dem daran Glaubenden aber auch nicht beweisen, dass er an was für mich Unwahres glaubt, sondern, solange er mir oder der Allgemeinheit damit nicht schadet, kann ich es einfach tolerant stehen lassen.
Wenn jemand z.B. glaubt, dass Gottes Vorname Jehova sei, dann darf er das ruhig tun. Sollte er aber glauben, er habe von Gott den Auftrag, alle anderen Menschen notfalls mit Gewalt davon zu überzeugen, das auch zu glauben, dann würde ich mich dagegen wehren, sofern ich das könnte.
In Bezug auf Corona ist es nun so, dass ich meine, wenn jemand nicht an die Gefährlichkeit von Corona glaubt, aber respektiert, dass andere das tun, und entsprechend vermeidet, sie zu gefährden, soll er das gerne glauben. Wenn er aber dazu aufruft, alle Vorsichtsmaßnahmen seinzulassen, wie Sicherheitsabstände usw., dann hielte ich ihn für gefährlich für die Gesundheit anderer Menschen.
Ich nehme diese Gefahr nicht für 100% gegeben hin, aber für wahrscheinlicher als die Ungefährlichkeit.
Ähnlich sehe ich die Gefahr der Luftverschmutzung für das Klima als wahrscheinlicher an als ihre Ungefährlichkeit.
Und ähnlich sehe ich die Gefahr von Rassismus, Sexismus, Nationalismus, Religionismus usw. für ein friedliches Miteinander der Menschen für wahrscheinlicher an als ihre Ungefährlichkeit.
Und doch kann es Leute geben, die das alles ganz anders sehen, die ich aber tolerieren kann, solange ich keine Gefahr sehe, die von ihnen konkret ausgeht.
LG, Micha