Autor Thema: Dialekt  (Gelesen 13840 mal)

Offline MAS

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Dialekt
« am: 18.08.2015 00:44 »
Puh, Michael, ich kann mit Bildungslücke mehr anfangen als mit Unbildung. Ich finde nicht, daß man das wissen muss, hat man nun überhaupt keine Berührungspunkte damit. Und in Nachrichtensendungen wird viel gezeigt, vor allem wenn man sie zumindest regelmäßig anschaut. Da selektiere ich bewusst wie unbewusst, und jede Wahrnehmung hat ihren eigenen Fokus, was unterschiedliche Wahrnehmung erklärt.

Wenn mich Mundartmusik nicht interessiert, muss ich mich darin auch nicht bilden. Insofern kann ich die Frage Deiner Großnichte, was das mit Bildung zu tun hat, sehr gut nachvollziehen. Es ist ein spezieller Bereich, der für jemanden, der sich nicht für Musik interessiert, keine Relevanz hat.
Freakwissen, um es mal etwas überspitzt auszudrücken, gehört nicht unbedingt in den allgemeinen Bildungskanon.

Lieber Ben,

in Köln hat der letzte Mundartbüttenredner auf Standarddeutsch umgeschwenkt, weil er meint, es Kölsch verstehen die meisten Leute nicht mehr. Nur die Musiker halten den Dialekt noch hoch. Aber wie lange noch? Ihr in Bayern mögt das noch nicht so spüren, aber hier in NRW und in RP auch ist ein Sprachensterben im Gange. Die Saarländer machen da zum Glück noch nicht mit. Es geht dabei eine Vielfalt verloren und regionale und lokale identitäten ebenso. Ist das Freakwissen?

Ich versuche meinen Großnichten beizubringen, den Dialekt ihres Dorfes noch bei ihren Großeltern zu lernen, derweil die andern Großeltern und andere Verwandte ihnen sagen, sie sollen nur das Deutsch lernen, das sie in der Schule beigebracht bekommen. Da aber Musik emotional arbeitet, kann sie helfen, die eigene regionale Sprache lieben zu lernen, statt sie zu verachten. Ist das Freakwissen?

LG!
Michael
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Offline Ben

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Dialekt
« Antwort #1 am: 18.08.2015 11:22 »
Ich habe keine Ahnung, wie Du Dein Anliegen, das ich sehr wohl nachvollziehen kann, weiterträgst, Michael. Ich halte mir innerlich die Ohren zu, wenn mich jemand etwas mit missionarischem Eifer auf etwas aufmerksam machen will, für das ich mich vielleicht sogar erwärmen könnte.
Ich würde mich in Deinem Fall eher an diie Freunde von Großnichtens Großeltern wenden. Denn daß das Sprechen von Dialekt die Sprachentwicklung stört, ist widerlegt. Daß sich Sprache, gerade in Ballungsräumen, verändert, bzw. entwickelt, ist wieder ein anderes Thema.

Offline MAS

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Dialekt
« Antwort #2 am: 18.08.2015 11:52 »
Ich habe keine Ahnung, wie Du Dein Anliegen, das ich sehr wohl nachvollziehen kann, weiterträgst, Michael. Ich halte mir innerlich die Ohren zu, wenn mich jemand etwas mit missionarischem Eifer auf etwas aufmerksam machen will, für das ich mich vielleicht sogar erwärmen könnte.
Ich würde mich in Deinem Fall eher an diie Freunde von Großnichtens Großeltern wenden. Denn daß das Sprechen von Dialekt die Sprachentwicklung stört, ist widerlegt. Daß sich Sprache, gerade in Ballungsräumen, verändert, bzw. entwickelt, ist wieder ein anderes Thema.


Lieber Ben,

ich könnte jetzt noch vieles schreiben, aber das wäre hier eigentlich schon off-topic. Im Grunde mache ich es aber mit dem Mundarten-Thema wie mit dem Rock-Thema: Ich rede und schreibe gerne darüber und versuche, Menschen zu begeistern, ohne es ihnen aufdrängen zu wollen. Ein Unterschied: Röcke trage ich, Dialekt spreche ich nicht, da ich keinen gelern habe. Als ich klein war, wurde mir beigebracht, hochdeutsch sei richtig, Dialekt sei falsch.  Und dummerweise habe ich diesen Quatsch geglaubt. Jetzt gebe ich meiner Umgangssprache immer wieder mal ein bisschen moselfränkische Einfärbung, bewusst und absichtlich, aber richtige Mundart ist das nicht. Ich beneite Euch Süddeutschen in Bayern und BaWü und die Schweizer und Österreicher, sowie die Saarländer und Luxemburger, denn da werden Mundarten richtig alltäglich verwendet und nicht verachtet.
Ich ärgere mich aber genau so über eine Verfälschung des Standartdeutschen im Journalismus, wenn Genitive ode sogar Dative verschwinden, von Konjunktiven gar nicht zu reden. Ich bin für eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten. Sprache verändert sich immer, aber wenn, dann bin ich für eine Vergrößerung der Ausdrucksmöglichkeiten und nicht für eine Minimierung.

Die beiden Großeltern mütterlicherseits meiner Großnichten, die noch ihren Dorfdialekt sprechen, habe ich kaum einmal gesehen. Ich höre nur immer wieder, wie die andere Großmutter väterlicherseits, also meine Schwester, die auch von Männern in Röcken nichts hält, immer über sie und ihren komischen Dialekt schimpft. Lustigerweise ist sie die einzige von uns vier Geschwistern, die noch einigermaßen Mundart spricht, ohne dass sie das wahrnimmt.



LG, Michael



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Offline Ben

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Dialekt
« Antwort #3 am: 18.08.2015 14:54 »
Jo, jetzt wird's abseitig. Aber vielleicht kann einer aus dem Team die Diskussion, die nicht uninteressant ist, von diesem Themenpfad abtrennen*.

In München und im Speckgürtel um die Stadt, der westlich fast bis Augsburg reicht, hört man nicht mehr viel Dialekt. Dieses Schicksal teilt die Stadt sicher mit anderen Städten, die viel Zuzug von außerhalb haben. Ich habe den Kindergarten dialektfrei in Erinnerung, die Grundschule sowieso. Die erste Lehrerin mit hörbarem Dialekt hatte ich in der 7. Klasse am Gymnasium: in Englisch (nicht die beste Kombination).
Womöglich wäre es etwas anders gewesen, wenn der Dialekt nicht bis in die 90er Jahre hinein als Bildungshürde angesehen worden wäre.
Mein Zugang zu Dialekt waren Karl Valentin, Liesl Karlstadt, Gerhard Polt und die Biermösl Blosn. So verstehe ich wenigstens das Meiste, aber um es zu auszusprechen wie ein mit Dialekt Aufgewachsener, war ich dann zu alt. Dialekt sollte man möglichst mit der Muttermilch aufsaugen, was bei mir aber nicht möglich war.

Zum Journalismus: Das ärgert mich auch. Aber wenn ich mir anschaue, wie das professionelle Schreiben inzwischen bezahlt wird, darf ich mich auch nicht über sprachliche Qualität ärgern.
Bei welchen Zeitungen gibt es noch Schlussredaktionen, die ein lektorierendes Auge haben und für Junge vielleicht auch noch Ausbilderfunktion haben?
Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Tante Edit: *Am besten ab hier abtrennen.


Offline cephalus

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Re: Dialekt
« Antwort #4 am: 18.08.2015 20:27 »
Womöglich wäre es etwas anders gewesen, wenn der Dialekt nicht bis in die 90er Jahre hinein als Bildungshürde angesehen worden wäre.

Vielleicht beruht auf dem Verinnerlichen dieser These auch die Tatsache, dass man mit Kindern bei uns tendentiell eher Hochdeutsch als Bayerisch spricht.

Vielleicht ist man es als Bayer auch gewohnt im Zweifelsfall mit Menschen die schlecht verstehen (Inlandsmigranten) eher ohne Dialekt zu sprechen und projiziert das auf Kinder, die anfangs ja auch nicht so sprachfertig sind.

Wie auch immer mir fällt oft auf, dass viele Leute die eigentlich Dialekt sprechen, mit unseren Kindern plötzlich in Hochdeutsch umschalten. Auch so kann man eine Sprache langfristig ausrotten...

Offline habu

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Re: Dialekt
« Antwort #5 am: 18.08.2015 20:57 »
http://www.koelsch-akademie.de/index.php3?seite=1
bei oss
konnte in den ersten Lebensjahren konnte ich nur dialekt sprechen, Hochdeutsch mußte ich noch lernen.

Offline MAS

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Re: Dialekt
« Antwort #6 am: 19.08.2015 00:36 »
Danke für den Link, Habu!

Jürgen hat sich doch in einem anderen Thread auch zum schwäbischen Dialkekt geäußert.
Ah ja, hier: http://www.rockmode.de/index.php?topic=5233.msg65195#msg65195

Sicher, wenn es nur ein Entweder-Oder gäbe, also entweder Standarddeutsch oder Dialekt, würde ich ersteres bevorzugen, weil man sich damit weiträumiger verständigen kann, aber ich kenne Leute, die beides können, genau so, wie sie Deutsch und Englisch können.

Ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiver mit dem Thema, aber jetzt ist es spät. Demnächst also mehr.

LG, Michael
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Offline cephalus

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Re: Dialekt
« Antwort #7 am: 19.08.2015 01:09 »
ich kenne Leute, die beides können, genau so, wie sie Deutsch und Englisch können.

Ja, natürlich.
Meinte die Kinderärztin doch, dass es normal sei, wenn unser Sohn relativ spät zu sprechen begänne:
Zweisprachig aufwachsende Kinder brauchen immer etwas länger ;D
Bayerisch und Deutsch - in der Sprachentwicklung scheinbar wirklich wie verschiedene Sprachen zu verstehen.

Im übrigen sehe ich das nicht so bipolar, hochdeutsch vs. Dialekt, die Abstimmung ist, abhängig vom Gesprächspartner eher fließend.


Einen Link hätte ich auch noch für Dich, Michael: http://www.bayrisches-woerterbuch.de/

Offline Saari

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Re: Dialekt
« Antwort #8 am: 19.08.2015 08:29 »
Es ist immer wieder interessant zu lesen, wenn vom Verb: "hochdeutsch" gesprochen oder geschrieben wird und dabei die in der Gegend um Hannover gesprochene Mundart meint. Nicht immer ist mit "hoch ..." die geographische Lage im Norden bezeichnet.
An der Küste zur Nordsee wird z. B.  das Plattdeutsche (für Pfeife: Pipe; engl. pipe = "peip") gesprochen, dann nach Süden kommt das Niederdeutsche, (hier folgt dem "i" das "ei") später folgen das Mitteldeutsche, das Oberdeutsche im bayerischen / österreichischen Raum (wird jetzt: das "ei" zum "au") und erst zuletzt im Raum Zürich verwendet man im Sprachgebrauch das "y" (z.B. Schwyz) als den nun hochdeutschen Laut.
Verständlich ist allerdings oft, wenn man "hochdeutsch" mit "schriftdeutsch" verwechselt.
Schriftdeutsch ist die Sprache Luthers, die entstanden ist aus der sächsischen (nicht zu verwechseln mit den heutigen Bundesländern Sachsen oder Niedersachsen) Kanzleisprache, dem Sprachraum um Jena - Halle - Wittenberg.

Offline Dr.Heizer

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Re: Dialekt
« Antwort #9 am: 19.08.2015 08:45 »
Ich bin mit einer Art des vogtländischem Dialektes aufgewachsen, der dem Fränkischen mehr ähnelt als dem Sächsischen. Es gibt auch bei uns regionale Unterschiede, denn oft wird im nächsten Ort schon wieder etwas anders gesprochen, als hier. Man kann die Herkunft sehr oft am Dialekt erkennen, obwohl manche Orte nur 5 oder 10km entfernt liegen. Mir gefällt das sehr, ich bin auch Dialektbegeistert, kann also nicht nur "Vogtländisch", sondern auch erzgebirgisch, sächsisch, fränkisch, ein großes Stück weit berlinerisch.. und verstehe auch nahezu alle Dialekte in Deutschland gut.

"Deutsch" musste ich in der Schule lernen und spreche es auch bei Bedarf dialektfrei, doch wann braucht man das schon mal ;)

Wenn ich irgendwo für einige Tage hinreise, bemerke ich, wie sich meine Sprache der "Ortsüblichen" anpasst. Ich arbeitete ab 1990 viele Jahre in Hof in Oberfranken und sprach nach wenigen Monaten wie ein Einheimischer. Das manchte manche Begenungen gerade nach der Grenzöffnung einfacher, als mit dem sächsischen Dialekt, den manche meiner Arbeitskollegen aus Auerdach oder Klingenthal sprachen.
Dort merkte ich deutliche Unterschiede in der Verständigung untereinander, weil manche Worte nicht im Angrenzenden arum bekannt waren oder eben eine ganz andere Bedeutung haben. So kam es auch zu manch lustigen Missverständnissen, über die ich mich Dank Kenntnis beider Dialekte und Bedeutungen köstlich amüsieren durfte, wenn mal wieder Einer vom Anderen dachte, verstanden zu haben, was er meinte, doch es tatsächlich um eine ganz andere Bedeutung des Wortes im anderen Dialekt ging. So lernten im Laufe der Zeit nicht nur ich, sondern auch alle meine Arbeitskollegen aus jeder Region neue Worte und deren regionale Bedeutung kennen. Immer wieder schön, wenn man woanders hinkommt und was Neues kennen lernen darf! :)
Viele Grüße aus dem Vogtland, Dr.Heizer

Offline MAS

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Re: Dialekt
« Antwort #10 am: 19.08.2015 10:03 »
Gude zusammen!

Cephalus,
danke für den Link. in der url staht da "bayrisch" mit y, auf der Seite selbst "bairisch" mit i. Von den Fraunhofer Saitenmusikern habe ich mal gelernt, dass die Schreibweise mit y den Freistaat meint, die mit i das Altbaiern, also Ober- und Niederbaiern, aber eben nicht das Allgäu und Franken.

Ben,
neulich habe ich die neue CD der Gruppe IRXN rezensiert (Rezi erscheint im nächsten Folker im September). Die Band stammt ursprünglich aus Pappenheim im Altmühltal. Jetzt sind sie in München ansässig. Einer der Musiker schrieb mir, sie sängen aber im Münchner und Chiemgauer Dialekt.  Man muss also auch in Baiern mit i noch zwischen verschiedenen Dialekten unterscheiden.

Du meinst, einen Dialekt müsse man mit der Muttermilch aufsaugen. Das wäre bestimmt das Beste. Aber warum soll man ihn nicht lernen können so wie jede Sprache? Sicher braucht man Nativespeakers, um auch die unbewussten Feinheiten, wie Tonhöhe und Kehlkopfstellung reinzukriegen. Aber möglich müsste es sein. Der eine kann es besser, die andere schlechter.

Marcel,
mir geht es auch so, dass ich mich meiner Umgebung anpasse. So fällt es mir leichter, zumindest ein wenig Moselfränkisch zu reden, wenn ich es um mich herum höre. In Norddeutschland klinge ich nach kurzer Zeit norddeutscher, in Süddeutschland süddeutscher usw. Das war bei meinem Vater auch so: Auf der Merseburger Platte in Sachsen-Anhalt aufgewachsen, hat er im moselfränkischen Rheinland seinen sächsischen Dialaket total abgelegt. Wie er noch als Kind gesprochen haben mag hörte ich erstmal bei seiner Schwester, die ihre Heimat nicht verlassen hat. Ich habe aber auch schon Leute kennengelernt, die ihren Dialekt beibehielten, egal wo sie hinzogen und wie lange sie da schon wohnten.

Saari,
die Verbreitung der deutschen Dialekte kannst Du hier sehen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Dialekte  
"Hochdeutsch" stammt von Luthers Kanzleisprache, das stimmt. Es ist heute synonym mit "schriftdeutsch" oder, wie ich es mit den Schweizern gerne nenne "standarddeutsch". Das Wort "hochdeutsch" besagt ja, dass es irendwie über den Dialekten stehe, die ja nur "platt" oder "nieder" seien. Das lehne ich ab. So sage ich lieber "standarddeutsch". "Schriftdeutsch" passt auch nicht so richtig, weil man ja auch Dialekte schreiben kann, wenn man will.


Ich selber bin leider auch so groß geworden, dass ich Dialekt mit weniger Bildung und unkorrekter Sprache verbunden habe. Das ist weit verbreitet. So schämen sich viele Menschen ihreres Dialekts. Manfred Pohlmann, moselbräkischer Liedermacher, hat durch seine Lieder bewirkt, dass Moselfranken aufhörten, sich ihres Dialekts zu schämen und anfingen, ihn als Kulturleistung und -erbe anzusehen (http://www.folker.de/201504/04Pohlmann.php). Leider hat er nicht eine solche Reichweite, um wirklich das Aussterben des Moselfränkischen zu bewirken. Selbst seine eigenen Kinder sprechen kein Platt mehr.

Letzten Freitag fragte ich in Dinant den Jean-Luc, wie es denn mit franzöischen Dialekten in Belgien aussehe. Er meinte, sie sprächen dort Wallon (https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Sprache#/media/File:Langues_de_la_France.svg), das wiederum in viele Unterdialekte von Ort zu Ort unterschiedlich aufgeteilt sei.

In Lothringen wird ja auch Deutsch gesprochen, aber immer weniger. Und wenn, dann wird den Kindern in der Schule Standarddeutsch beigebracht, während das Mosel- und das Rheinfränkische dort auch am Aussterben sind, was auch Musiker wie Jo Nousse (http://bosenergruppe.saar.de/mitglieder_einzeln?mitglied=nousse-jo) und Marcel Adam (http://www.marcel-adam.de/) nicht verhindern können.

Ich habe keine Ahnung, wie man dieses Sprachensterben aufhalten kann. Könnten wir die Dialekte nicht so pflegen, wie sie Schweizer und Luxemburger es tun? Sie tun es auch, um ihre Nationalen Identiäten zu pflegen und zu behaupten, aber eben auch die regionalen. Sind die regionalen Identiäten uns Deutschen und Franzosen so wenig wert?

So, wir wollen gleich los, so dass ich hier mal ende. Ich freue mich auf Eure Beiträge.

Tschö!
Michael
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Offline Ben

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Re: Dialekt
« Antwort #11 am: 19.08.2015 14:10 »
neulich habe ich die neue CD der Gruppe IRXN rezensiert (Rezi erscheint im nächsten Folker im September). Die Band stammt ursprünglich aus Pappenheim im Altmühltal. Jetzt sind sie in München ansässig. Einer der Musiker schrieb mir, sie sängen aber im Münchner und Chiemgauer Dialekt.  Man muss also auch in Baiern mit i noch zwischen verschiedenen Dialekten unterscheiden.
Ich staune immer wieder, wenn über das Münchnerische als Dialekt gesprochen wird. Aber vielleicht ist ein Kauderwelsch aus Schwäbisch mit bayerischen Brocken Münchnerisch wie ein Kauderwelsch aus Sächsisch mit bayerischen Brocken. Ich vermute eher, daß die besagten Musiker ihren (ursprünglichen) Dialekt abmildern, wenn sie in München auftreten, damit auch wir Staderer sie verstehen.

Du meinst, einen Dialekt müsse man mit der Muttermilch aufsaugen. Das wäre bestimmt das Beste. Aber warum soll man ihn nicht lernen können so wie jede Sprache? Sicher braucht man Nativespeakers, um auch die unbewussten Feinheiten, wie Tonhöhe und Kehlkopfstellung reinzukriegen. Aber möglich müsste es sein. Der eine kann es besser, die andere schlechter.
Natürlich kann man Sprache und Dialekt auch im höheren Alter lernen. Aber Du überwiegend musst von Native Speakern umgeben sein, um die Sprache und den Dialekt auch so sprechen zu können, daß Du nicht wie ein Ausländer oder Zuagroasda klingst. Sprache/Dialekt zu lernen, daß man sie/ihn versteht, ist leichter, als sie/ihn zu sprechen.
Da fällt mir die Philippina ein, die vor Jahren im ehelichen Wirtshaus in Rohrbach bei Pfaffenhofen bediente. Sie hat kein Deutsch, sondern Bairisch gelernt.

Zu Altbaiern gehört übrigens noch die Oberpfalz.

Offline cephalus

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Re: Dialekt
« Antwort #12 am: 19.08.2015 14:45 »
Was im Dialekt vom allseits bekannten Landy, Robert und Männerrockanbieter:

https://www.youtube.com/watch?v=Fq8pY-QGyZw

Ich finde er hat bessere Songs, aber leider nicht auf youtube...

Offline Ben

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« Antwort #13 am: 19.08.2015 15:13 »
Ach, das Video ist schick.
Landy war ja auch Testimonial für die Kampagne des Bayerischen Fernsehens "Då bin i dahoam".

Offline MAS

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« Antwort #14 am: 19.08.2015 23:12 »
Servus zusammen!

Wikipedia weiß sogar über bayerische Dialekte Bescheid: https://de.wikipedia.org/wiki/Dialekte_in_Bayern#/media/File:Oberdeutsche_Mundarten.png München gehört demnach ins Mittelbairische. Wien auch.

Ich kenne mich da nicht aus, ob es einen eigenen Münchner Dialekt gibt, Ben, oder mal gab. Letzteres bestimmt, denn jede Stadt hatte mal einen eigenen Dialekt.
Aber hör mal rein, Ben: http://www.irxn.net/

Oberpfalz, ja danke, wie konnte ich die vergessen: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberpfalz ?

Gerhard Polt und die Well-Brüder habe ich übrigens Anfang Juli noch in Rudolstadt gehört.

Mehr zum Thema "Dialekt" demnächst.

Ach ja, ich finde jetzt leider nicht mehr, in welchem Thread dieses Thema zuerst angefangen wurde. Da hat jemand geschrieben, dass es auch an den Umzügen der Leute liege, dass die Dialekte verloren gehen. Klar! Das kann man auch nicht verhindern, dass sich Menschen aus verschiedenen Regionen nunmal auf Standarddeutsch unterhalten.

Was ich aber schlimm finde ist, dass oft die Dialekte geradezu verachtet werden, als Unbildung, als Humorrolle (so oft in Filmen oder eben im Karneval) usw. Davon müssen wir weg kommen!

LG, Michael



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