Autor Thema: Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?  (Gelesen 4300 mal)

Offline JJSW

  • Schwabenrocker
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 7.272
  • Geschlecht: Männlich
  • real men wear skirts
    • https://www.pinterest.de/schwabenrocker/
Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #45 am: 06.04.2023 08:47 »
Lars, auch wenns Dir nicht passt. Das ist nicht nur Dein Forum.
Den Dialog von Zwurg und MAS empfand ich nicht als ruhestörend. Im Gegenteil, was noch in anderen Threads vor kurzem noch hier abging.
Laßt Euch nicht von Zweifeln plagen
und genießt das Röcketragen

Offline Zwurg

  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 1.138
  • Geschlecht: Männlich
  • Ich bin ein Rocker!
Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #46 am: 06.04.2023 13:22 »
Weißt Du, Zwurg, meine Gedanken gehen in die Richtung:

Denen, die gegen kulturelle Aneignung sind, möchten Kulturen, die noch immer unter dem Kolonialismus bzw. Postkolonialismus leiden, davor schützen, dass Menschen aus den (ehem.) Kolonialherrenkulturen sich über sie lustig machen, ihre kulturellen Symbole usw. missbrauchen und sie so entweihen. So verstehe ich deren Motivation.

Was ich mich nun aber frage und eigentlich sie fragen würde, wenn ich jetzt Kontakt zu ihnen hätte: Sehen sie Kulturen als etwas reines, von außen unbeinflusstes an, das vor Fremdeinflüssen zu schützen ist? Haben sie eine Vorstellung von einer reinzuhaltenden Kultur? Wenn ja, wäre das schon ein Merkmal von Rassismus. Wobei ich aber auch Beispiele im Kopf habe, wo ich auch für diesen Schutz wäre, damit schöne Kulturbestandteile nicht verloren gehen.

Einfach nur aus einer Betroffenheit als weißer Mann heraus, der meint, ihm würde jetzt etwas verboten, das als "Rassismus" zu bezeichnen, ist mir ein bisschen wenig, wenngleich ich das Argument verstehe.

Ich sah neulich einen Beitrag bei "Länder, Menschen, Abenteuer" von einem jungen Deutschen, der Jamaika bereiste und unterwegs von einem Mann niedergeschlagen wurde, der ihn einen "weißen Teufel" nannte. Debei ging seine Helmkamera kaputt. Er sagte aber, er nehme das nicht persönlich, sondern denke darüber nach, wieviele Jahrhunderte die Afrojamaikaner von Weißen versklavt worden waren und welcher Schmerz und auch Hass sich in dieser Zeit aufgebaut hat, der sich in diesem  Überfall auf ihn als vermeintlichen Repräsentanten der ehem. Sklavenhalter entladen hat. (https://www.ardmediathek.de/video/laender-menschen-abenteuer/abenteuer-jamaika-reggae-rum-und-rastafaris/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9wcm9wbGFuXzE5NjMzMTUzOV9nYW56ZVNlbmR1bmc)

Natürlich kann man sagen, dass so ein umgekehrter Rassimus entstehe, den man nicht akzeptieren dürfe. Aber dennoch ist es doch wichtig, über die Ursachen nachzudenken und was man als Vertreter einer immer noch dominanten Kultur dafür tun kann, dass sich dieser Schmerz und Hass allmählich abbaut. Und wenn eine erhöhte Sensibilität beim Umgang mit kulturellen Symbolen dazu etwas beitragen kann, ist das ja nicht verkehrt. Oder?

Ich denke allerdings auch, dass die Verwendung solcher kulturellen Symbole in Hochachtung vor der Kultur, aus der sie stammt, auch zu diesem Abbau von Schmerz und Hass beitragen kann. Sie muss dann den betroffenen Menschen gegenüber nur eben entsprechend kommuniziert werden.

Wie gesagt, ich meine jetzt nicht die Übertreibungen, sondern ich meine angemessene Ansprüche, Wobei deren Angemessenheit zu prüfen wäre. Nur wer wäre unparteiisch genug, sie zu prüfen?

LG, Micha

Natürlich möchte man nicht dass sich jemand anders über die eigenen kulturellen Eigenheiten lustig macht.
In meinem persönlichen kulturellen Fall gäbe es wenig Dinge die ich international schützenswert halte, was Kleidung, Musik, Literatur, Architektur usw. anbelangt.
Die Tracht habe ich stets abgelehnt, weil sie mir altbacken vorkam, und auch wenn ich sie als schützenswertes Kulturgut sehe, ist sie längst in alle Welt verbreitet und was man heute auf Oktoberfesten an Landhausmode und Dirndln sieht hat mit der ursprünglich Oberbayrischen Tracht ohnehin nichts zu tun.

 Aber es gibt auch Neuankömmlinge aus anderen Kulturen die sich über deutsche Gepflogenheiten hinwegsetzten. Ohne das ich sie dabei interessiere. Zum Beispiel meine Ruhe an meinem favorisierten Badesee. Nie zuvor haben Menschen so viel Lärm gemacht und sich offensichtlich nicht um die Interessen anderer Badegäste geschert, als ein mohammedanische Großfamilie, bei denen die Frauen auch noch bekleidet ins Wasser gehen. Da kann ich eindeutige Unterschiede zu deutschen Familen mit Kindern feststellen, die sehen sich auch um und verhalten sich nicht, als ob sie alleine wären oder ihnen der See alleine gehört. Klingt vielleicht rassistisch. Aber wenn ich irgendwo zu Gast bin oder heimisch werden möchte muss ich mich auch so verhalten, wie die Einheimischen.
Deutsche Kinder sind auch mal laut, aber sie kreischen nicht volle 6 Stunden wie am Spies. Das stört mich ehrlich gesagt.
Und natürlich stört es mich auch wenn die Öffentliche Ordnung gestört wird, wenn z.B Grabgängern an Allerheiligen von Neuankömmlingen über die Freidhofsmauer der nackte Arsch gezeigt wird.
Hat das etwas mit Kultur zu tun, ich denke Ja, allerdings würde ich dies an anderen Ortes schreiben würde ich mich vielleicht schon wieder des Hatespeech schuldig machen.

Ich war noch nicht viel in der Welt, aber wenn ein Schwarzer nur wegen der Hautfarbe jemand anderen angreift, weiß ich nicht was da los war, möglicherweise ist der Weiße mit seiner Helmkamera in die Privatsphäre des Einheimischen eingedrungen, und dieser hat sich noch mehr gestört als ich an meinem Baggersee.

Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen gegenüber anderen sind schon ein hohes Gut.

Das hat aber wenig mit "kultureller Aneignung" zu tun.
Den größten Mut erfordert es den eigenen Weg zu gehen

Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 25.750
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #47 am: 06.04.2023 22:12 »
Ja, eben, Zwurg, vieles von dem, was Du aufgezählt hast, hat nichts mit "kultureller Aneignung" zu tun. Manches ist eher eine "geographische Aneignung", wenn Menschen sich dort laut breit machen, wo Du es gewohnt bist, die Stille zu genießen. Kenne ich alles, seit dem in unserer Nachbarschaft ein Kindergarten eröffnet wurde. Welcher Religion die Kinder angehören, oder ob überhaupt einer, weiß ich nicht. Tut wohl auch wenig zur Sache. Am öftesten ärgere ich mich indes über Bauunternehmer und Bauherren, die Bäume fällen, die ich liebe, Häuser abreißen, die ich liebe und viel zu oft hässliche Klötze dahin bauen, die ich mir dann ansehen muss, wenn ich da vorbei gehe. Das empfinde ich auch als Heimatverlust.

Was jetzt die kulturelle Aneignung angeht, so kann man das wohl schlecht nachempfinden, wenn man nicht selbst etwas ähnliches erfahren hat oder wenn man nicht etwas hat, von dem man gerne hätte, dass es nicht missbraucht wird. Eigentlich denke ich dabei vor allem an die Gegenstände in Museen, die vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten gestohlen wurden, und über die jetzt Verhandlungen der Rückgabe geführt werden. Diesen Diebstahl in Kolonialzeiten empfinde ich am ehesten als kulturelle Aneignung in diesem negativen Sinn des Wortes.

Kilts und Dirndl? Wahrscheinlich müssten wir die fragen, die Kilts oder Dirndl aus Gründen der kulturellen Identität tragen, ob sie es als kulturelle Aneignung im negativen Sinn empfinden, wenn Menschen sie aus diesem konkreten kulturellen Kontext herausreißen und in einen anderen übertragen. Schotten könnten sich durch Engländer und Bayern durch Preußen (oder die, die sie als "Preußen" bezeichnen) dominiert fühlen und da empfindlich reagieren. Indes sind Kilts in ganz Großbritannien als als Symbol britischer Kultur und Dirndl in ganz Deutschland als Symbol deutscher Kultur angesehen. Da wird man innerhalb der Länder wenig solche Empfindungen der missbräuchlichen kulturellen Aneignung antreffen. Und was, wenn Chinesen Kilt oder Dirnd tragen? Wohl auch kaum. Wer regt sich über Oktoberfeste oder Highlandgames wo auch immer auf der Welt auf? Ich weiß es nicht, vermute aber, dass es wenige sind.

Und doch: Ich plädiere dafür, vorsichtig mit den kulturellen Empfindungen von Menschen vor allem kleiner Völker zu sein, die oft im Schatten großer Nachbarn oder auch weiter weg zu Hause seiender Völker stehen und ihnen mehr Empfindsamkeit zuzugestehen als den großen, mächtigen, dominanten Völkern.

Und Zwurg, hier off-topic, aber dennoch zu kurz, um einen eigenen Thread zu öffnen: Muslime mögen normalerweise nicht gerne als "Mohammedaner" bezeichnet werden, da sie Mohammed nicht als Mittelpunkt ihres Glaubens ansehen, sondern Gott. Auch wenn Muslime kein kleines Volk sind, sondern eine große Religionsgemeinschaft, wäre es höflich, das zu respektieren.  :)

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!

Offline high4all

  • Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Psalm 18,30)
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.656
  • Geschlecht: Männlich
  • ΙΧΘΥΣ
  • Pronomen: Unwichtig
Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #48 am: 06.04.2023 22:23 »
Das Dirndl ist keine regionale Tracht, sondern ursprünglich ein Kleid für Hausangestellte. Urlauberinnen aus Städten in Süddeutschland haben dieses Kleidungsstück modifiziert und als Urlaubskleid in der Sommerfrische in den Bergen verwendet.

Insofern eignet es sich überhaupt nicht als Beispiel für kulturelle Aneignung.

Einschlägige Fachgeschäfte im alpinen Raum heißen nicht ohne Grund Trachten- und Dirndlladen. Dirndlgewänder sind keine Trachten.
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

Never be limited by other people's limited imaginations. (Dr. Mae Jemison)

Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern. (Heinrich Heine


Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 25.750
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #49 am: 06.04.2023 22:28 »
Danke für die Info, lieber Hajo!

Na ja, und der Kilt wurde ja auch von Engländern deutscher Abstammung erfunden oder zumindest bekannt gemacht, also zumindest der in der heutigen Form.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!


 

SMF 2.0.19 | SMF © 2020, Simple Machines | Bedingungen und Regeln

go up