Das Kleid stand mir gut, vor 42 Jahren war ich ein anderer Mensch. Ein Junge am Anfang seines Lebens. Ein anderer Körper, ungefähr 55 Kilo, volles Haar, keine Falten.
Ehrlich? Oder beziehst Du Dich rein auf das Physische?
Auch wenn ich es damals nicht für möglich gehalten hätte, weil "alte" Menschen immer irgendwie anders sind und waren, ich bin immer noch der selbe, in meinen Ansichten, Wünschen, Ideen usw.
Klar hat an meinem Körper auch der Zahn der Zeit genagt und ich bin souveräner, selbstbewusster und entspannter geworden, aber ich bin sonst nicht anders.
Ich definiere mich nicht rein auf das physische, aber zu einem großen Teil schon. Meine Wünsche und meine Persönlichkeit haben sich auch wenig verändert, vielleicht geprägt, von den Erinnerungen und Erfahrungen, die ich im Leben gemacht habe. Der Körper ist das Vehikel des Bewußtseins und der Seele. Und die Zeit in der wir dieses Vehikel nutzen können und uns an der Schönheit und Funktion dessen erfreuen können ist leider sehr begrenzt. Wie bei einem Auto, lassen mit der Zeit die Funktionen und die Schönheit nach. Aber anders als ein Auto können wir unseren Körper nicht neu aufbauen und in einen neuzustand zurückversetzen. Nach dem Tod meines Vaers in seinem 83. Lebensjahr habe ausgerechnet, wieviele Tage er im Leben hatte. Von Geburt bis Tod waren es ungefähr 30 000 Tage. Vom Baby bis zum Greis.
Wir reden immer von Jahren, aber eigentlich sind es die Tage und Stunden des Lebens die zählen. Wie schnell vergeht eine Stunde? Wie schnell ein Tag?
Ich habe längst die 20 000 Tage überschritten, meine Zeit ist begrenzt, der Zustand meines einst schönen Körpers ist nicht gleich geblieben. Letzte Woche haben wir einen Lieben Freund vom Ritterverein zu seiner letzten Ruhestätte begleitet. Er war 57, so alt wie ich. Letztes Jahr starb einer meiner Lehrgesellen mit 62. Von meinem Bundeswehrzug von einst 24 sind 4 nicht mehr am Leben.
Unsere Zeit ist begrenzt, viel zu kurz finde ich, denn mit den meisten wachen Stunden können wir nicht das machen, was wir wirklich wollen.
Wer weiß wirklich was aus unseem bewußtsein unseren Wünschen und Erfahrungen wird wenn unser Körper seinen Dienst einstellt? Da sind wir auf den Glauben angewiesen. Und mit dem glauben ist das so eine Sache. ich habe schon an viele Dinge geglaubt, die nicht wahr geworden sind.
Vielleicht ist es einfach nur die Rolle, in die wir hieneingepresst werden...und die zumindest mir so zu eigen geworden ist dass ich selten daraus ausbreche. Zumindest seltener als ich eigentlich möchte.
Hm...Interessant.
Ich habe gerade mal darüber für mich nachgedacht:
Ich habe nicht das Gefühl in eine Rolle gepresst zu sein, aus der ich ausbrechen wollte. Ja, manchmal gibt es Sachen zu tun, worauf ich keine Lust habe, aber grundsätzlich lebe ich im Rahmen der nicht, oder nicht so einfach, veränderbaren Rahmenbedingungen, das Leben, das ich mir vorstelle und spiele keine Rolle.
Siehst Du das für dich anders?
Ja, ich sehe das schon anders: Es gibt sie die klassische Männerrolle, des starken, durchsetzungsfähigen Mannes, der Kraft seines Körpers und Geistes, seine Aufgaben erfüllt, die Frauen erobert und Kinder zeugt, sich im Sport beweist, und im Falle des Falles seine Feinde bezwingt. Und natürlich hat dieser Mann seine Kleidung so zu wählen, dass er stets in der Lage ist diese Dinge zu tun. Also diese spannenden Dinge die ein Mensch mit Bart tut.
Ds ist nicht Haushalt machen, sich um die Kinder kümmern, umständliche Kleider tragen und gut aussehen.
Ganz klar, diese Typen kennt man aus dem Fernsehen, Old Shatterhand, Sunny Crockett, Horst Schimanski, Kapitän Vallo, Prinz Eisenherz usw. oder tatsächliche lebende Menschen wie, Francis Drake, Lewis und Clarke, Fritjof Nansen, Roald Amundsen, Richard Burton (Afrika Forscher).
So wollte ich auch sein.
Ja da sind die männlichen Vorbilder, mit denen ich aufgewachsen bin.
Aber dannn auch so wie die Frauen die daheim blieben in ihren tollen historischen Gewändern, oder dann auch in den 70iger 80iger die Frauenaus diesen amerikanischen Serien in ihre Power-Blusen usw. Mir fallen da weniger Name ein, da sie meist Nebenrollen spielten. Vielleicht Laura Holt aus Remington Steele, oder Jennifer Hart aus Hart und Herzlich. oder Miss Augusta aus Fackeln im Sturm oder Isabella Oniden aus der Oniden Linie...
Da sind die feminien Vorbilder. Wobei ich nicht ihre Körper sondern nur ihre Kleider und arten sich zu kleiden haben wollte. Und das sinnliche Erlebnis sie im Leben zu tragen.
Und in diesem Spannungsfeld bewege ich mich. Sie widersprechen sich.
Und tatsächlich bin ich ja keines von beiden. Nur ein relativ unspektakulärer Mann, der seine Arbeit und seine Hobbys macht und sich so durchs Leben schlängelt.
Und dazu die Kleidung wählt die am wenigsten Probleme bereitet.