Ich habe nochmal nachgedacht. Vielleicht ist es schon wichtig für das Rockverständnis den Begriff Kultur genauer zu beschreiben, um kulturelle Faktoren von natürlichen Faktoren besser zu unterscheiden, wenn sie den Umgang mit Röcken beeinflussen.
Kleidung ist biologisch notwendig, weil sie Basisbedürfnisse befriedigt. Sie bedeckt, wärmt und schützt vor zu starker Sonne. Geschlechtsspezifisch ist Kleidung nur, wenn sie eine biologische Funktion hat, die geschlechtsspezifisch ist. Das trifft für Kleidung im Allgemeinen nicht zu. Eine Ausnahme ist der BH. Der stützt eine ausgebildete Brust, um die Form zu erhalten, was das Bindegewebe des Organs auf Dauer nicht leisten kann. Das heißt: Von Natur aus sind Rock und Hose geschlechtslos!
Die Entscheidung Rock und Hose geschlechtsspezifisch zu belegen, ist ausschließlich kulturell verursacht. Die Zuordnung des Rocks als weiblich und der Hose als männlich, hatte z.B. im Patriarchat die Funktion Machtverhältnisse zu zementieren. Nur deswegen wurde die Hose zu einem wichtigen Element der Frauenbewegung.
Und da, wo Männer und Frauen Rock tragen, werden Unterschiede gemacht mit Verzierungen, Mustern, Schnitten und unterschiedlichen Längen (meist lange Röcke für Frauen und kurze Röcke für Männer). Als nur geschmackliches und somit sekundäres Merkmal sind beispielsweise Pailletten biologisch nicht notwendig. Und auch gesellschaftsordnende Maßnahmen auf Basis ideologischer, religiöser oder anderer ethischer Überlegungen folgen nicht biologischen Bedürfnissen. Genau hier entsteht kultureller Ausdruck. Wir wissen, dass die geschlechtliche Zuordnung von Kleidung im Laufe der Geschichte variiert. So hin- und herspringen kann man mit den Naturgesetzen nicht. Die sind konstant. Nur gesellschaftliche Befindlichkeiten können das. Das macht Kultur langfristig so wenig verbindlich und irgendwie willkürlich. Nur die Ausrichtung des jeweiligen Zeitgeistes definiert über die aktuelle Summe aller gesellschaftlichen Kräften schlägt sich durch einen mehrheitlichen Geschmack als Kultur nieder.